Oliver Hummel. (Bild: Naturstrom AG)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Oliver Hummel, Vorstand beim Öko-Energieversorger Naturstrom.

Klimareporter°: Herr Hummel, am Mittwoch tagte der Koalitionsausschuss, um nach Lösungen für die Haushaltskrise nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu suchen. Auf dem Spiel steht die Zukunft von Klimaschutz, Energiewende und grüner Transformation. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Oliver Hummel: Dem Vernehmen nach soll der Koalitionsausschuss ja ein netter und vor allem sehr kurzer Austausch gewesen sein. Wirklich näher gekommen sind sich die Koalitionäre dabei offenbar nicht, dabei wäre eine Einigung langsam an der Zeit.

Die Bundesregierung muss dringend Wege finden, die ausgesprochenen Investitions- und Förderzusagen einzuhalten. Die nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft und eine zukunftstaugliche Infrastruktur benötigen staatliche Unterstützung, sonst wird beispielsweise auch die Wärmewende nicht funktionieren.

Daneben geht es für uns und auch für alle anderen Energieversorger konkret um die Frage, wie es mit der reduzierten Umsatzsteuer auf Gastarife und den gedeckelten Übertragungsnetzentgelten beim Strom weitergeht. Denn die Umsatzsteuer auf Gas soll ja noch bis Ende Februar auf sieben Prozent reduziert bleiben, und den Anstieg der Entgelte für die Übertragungsnetze dämpft der Bund mit 5,5 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds.

Diese geltende Beschlusslage ist quer durch die gesamte Energiewirtschaft in die Tarife für 2024 eingepreist. Ein Kurswechsel der Bundesregierung mit Wirkung zum Jahreswechsel würde mal wieder ein heilloses Chaos bedeuten, mit Nachberechnungen und zahlreichen irritierte Energiekund:innen im ganzen Land. Das gilt es unbedingt zu vermeiden.

Für eine sichere Energieversorgung braucht Deutschland eher eine Flexibilitäts- als eine Kraftwerksstrategie, sagt die Chefin des Bundesverbands Erneuerbare Energie, Simone Peter, im Interview mit Klimareporter°. Nicht die Erneuerbaren müssten sich an das System anpassen, sondern das System an die Erneuerbaren. Welche politischen Chancen hat diese Forderung? 

An diesem Systemwechsel führt kein Weg vorbei, denn der zügige Ausbau der Erneuerbaren schafft Fakten. Offen ist allenfalls, wie schnell der Systemwechsel kommt – und ob er sich wegen oder eher trotz der politischen Rahmenbedingungen vollzieht.

Ersteres wäre wünschenswert, aber danach sieht es zurzeit nicht unbedingt aus. Wenn die Bundesregierung nun mit insgesamt 24.000 Megawatt neuen Gaskraftwerken plant, ist das aus meiner Sicht jedenfalls übervorsichtig und über das Ziel hinaus geschossen. Ähnlich wie bei den LNG-Terminals droht hier der Aufbau erheblicher, teurer Überkapazitäten.

In Dubai hat am Donnerstag der 28. und bisher größte Weltklimagipfel begonnen. Die Erwartungen an das Treffen sind hoch – es ist wohl die letzte Chance, das Pariser 1,5-Grad-Limit noch einigermaßen einzuhalten. Können wir uns Hoffnungen machen?

Bei einer Konferenz, die ausgerechnet in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfindet und deren Gastgeber zugleich Chef des staatlichen Ölkonzerns ist, sind meine Hoffnungen eher bescheiden. Ich behalte aber auch gerne Unrecht und lasse mich positiv überraschen.

Das Commitment der Weltgemeinschaft, die globale Kapazität der erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen, scheint durchaus erreichbar zu sein. Wenn es eine solche Vereinbarung in das Abschlussdokument der Konferenz schafft, wäre das ein beachtlicher Erfolg.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Meine "Überraschung der Woche" schenke ich gewissermaßen Christian Lindner. Ob er mittlerweile weiß, wie sich die Milliardenlücke im Klima- und Transformationsfonds schließen lässt?

Mein Tipp: 24 Milliarden Euro lassen sich kurzfristig durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen erschließen. Mehr als genug also, um die Lücke von rund 18 Milliarden zu füllen, die für 2024 in dem Fonds klafft.

Und das Schöne ist: Die frei gewordenen 24 Milliarden stünden Jahr für Jahr zur Verfügung. Das ist das Ergebnis einer Kurzstudie, mit der wir das Forum Ökosoziale Marktwirtschaft beauftragt hatten – gemeinsam mit Green Planet Energy, EWS Schönau und den Bürgerwerken.

Fragen: Jörg Staude