Dass die Nachbarn Solarstrom liefern oder Haushalte Strom aus "ihrem" nahen Bürgerwindpark beziehen, findet inzwischen auch die Deutsche Energie-Agentur (Dena) gut. Energy Sharing biete das Potenzial, die Akzeptanz der Energiewende zu steigern, den Ausbau der Erneuerbaren zu unterstützen und zu deren optimaler lokaler Nutzung beizutragen, verkündete die bundeseigene Dena Anfang August.

 

Die Umsetzung all dessen sei aufgrund energiewirtschaftlicher Regularien mit "hohen Hürden" verbunden, beklagte die Energieagentur zugleich. Auch in Deutschland brauche das europäische "Right to Energy Sharing" nun einen praktikablen Rechtsrahmen, forderte Dena-Chefin Corinna Enders.

Dazu veröffentlichte die Energieagentur einen Energy-Sharing-Bericht, der drei Modelle untersucht. Im ersten Modell bieten die Mitglieder der Energie-Community nicht genutzten Strom einem zentralen Lieferanten an, der dann alle versorgt. Beim zweiten Modell werden die Community selbst oder Zwischenabnehmer zu Lieferanten.

Das dritte Modell blickt dann in eine, wie die Dena schreibt, "weiter entfernte" Zukunft: In dem Modell bestehen innerhalb der Community Lieferbeziehungen zwischen dezentralen Erzeugern, Prosumern und Verbrauchern – ohne irgendwelche Energieversorger dazwischen. Der ganze Handel läuft über eine digitale Plattform – und genau so ein Energiehandel sei in Deutschland derzeit nicht möglich, kritisiert der Sharing-Bericht.

Enttäuschung über Gesetzentwurf zu "Endkundenmärkten"

 Auf die "weiter entfernte" Zukunft warten hiesige Energy-Sharing-Akteure schon seit 2021. In dem Jahr hatte die EU eine entsprechende Richtlinie erlassen, deren vollständige Umsetzung ins deutsche Recht seitdem nicht nur die Bürgerenergie-Szene, sondern auch Umwelt-, Klima- und Erneuerbaren-Verbände beständig anmahnen.

Einen Gesetzentwurf, um das Energierecht im Bereich der sogenannten "Endkundenmärkte", zu modernisieren, hat das Bundeswirtschaftsministerium Ende August endlich auch vorgelegt. Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass Betreiber von Stromnetzen die gemeinsame Nutzung des Netzes durch Energie-Communitys ab Juni 2026 innerhalb ihres Netzgebiets ermöglichen müssen – und ab Juni 2028 dazu noch im Gebiet eines direkt angrenzenden Netzbetreibers.

Mehrere Dutzend Energiewende-Aktivisten hinter einem Transparent: Mit Mut in die Zukunft – Bürgerenergie, nicht zu stoppen.
Auch 2015 wurde schon appelliert – und demonstriert. (Bild: Jörg Farys/​BBEn)

Wissen muss man dazu: Deutschland leistet sich mehr als 800 Stromnetzbetreiber. Einige Netzgebiete sind nicht größer als ein Dorf oder eine kleinere Stadt, andere so umfangreich wie ein Zehntel der Landesfläche Deutschlands.

Befindet sich eine Energie-Community gerade in so einem Mini-Gebiet, hat sie wirtschaftlich keine Chance. Es fehlt einfach an einer ausreichenden Zahl von Erzeugern und Abnehmern.

Das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) fordert deshalb – ebenfalls seit Jahren –, dass in einem Radius von 50 Kilometern um eine Erneuerbaren-Anlage der erzeugte Strom geteilt werden kann – und zwar im Kern nach Modell drei und ungeachtet bestehender Netzgebiete.

Von so einer Regelung ist der Gesetzentwurf nicht nur weit entfernt – im Moment ist auch unbestimmt, wann er vom Kabinett beschlossen und in den Bundestag eingebracht wird.

Mit Bürgerenergie gegen gesellschaftliche "Entzweiung"

Der enttäuschende Gesetzentwurf und die jahrelange Hängepartie ums Energy-Sharing sind Grund genug für mehr als 70 zivilgesellschaftliche Organisationen und Unternehmen aus dem Umwelt- und Energiebereich, um am Dienstag in Berlin einen Bürgerenergie-Gipfel der Bundesregierung zu fordern.

Verlangt werden attraktive finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten sowie eine Stärkung der Bürgerenergie. Das würde, betont das Verbände-Bündnis in einer Erklärung, auch der Abwehrhaltung vieler Menschen gegenüber Veränderungen bei Strom, Wärme und Mobilität etwas entgegensetzen. Selbstbestimmung und Eigeninitiative müssten leitende Gedanken der Energie- und Wirtschaftspolitik sein.

Für Katharina Habersbrunner sind die jüngsten Wahlergebnisse in den drei Ost-Bundesländern mit dem Rechtsruck und den Reizwörtern Klimaschutz und Energiewende ein zusätzliches Motiv für den geforderten Gipfel.

Bürgerenergie sei ein gutes Konzept, um die Kommunen zu stärken und die Gesellschaft nicht weiter zu entzweien, sagte die BBEn-Vorständin am Dienstag. "Wir wissen, wenn Menschen an Entscheidungen beteiligt sind, entsteht ein Gefühl der Selbstwirksamkeit."

Zudem sorge der Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium auch nicht dafür, dass Energy Sharing wirtschaftlich wird, so Habersbrunner weiter. Von einer Sharing-Prämie für den direkt verbrauchten Strom oder entsprechend reduzierten Netzentgelten sei nirgendwo die Rede.

Kritik an pauschaler Beschleunigung durch den Bund

Die BBEn-Vorständin hält auch die bisherige finanzielle Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Erneuerbaren-Projekten in ihrer Region für nicht ausreichend. Diese soll laut Gesetzentwurf bei drei Cent je erzeugter Kilowattstunde gedeckelt und mit der bestehenden Kommunalabgabe "vermischt" werden.

Um wirklich vor Ort Akzeptanz für Wind und Sonne zu ermöglichen, reicht die finanzielle Beteiligung über Abgaben nicht aus, ist sich das große Verbände-Bündnis einig. Die Leute müssten auch selbst direkt Anteile an den Projekten innehaben.

Der Wandel vor Ort funktioniere auf Dauer nur mit einer gerechten Verteilung der Einnahmen, mit klaren Mitwirkungsmöglichkeiten und einem hohen Anteil lokalen Eigentums, betonte auch Olaf Bandt, Chef des mitunterzeichnenden Umweltverbandes BUND.

Der Versuch der Ampel, die Energiewende zu beschleunigen, gehe in großen Teilen zulasten der lokalen Beteiligung, kritisierte Bandt am Dienstag. Die Leute würden überrollt und könnten sich nicht mehr einbringen, sagten ihm BUND-Mitglieder vor Ort. Dabei, so Bandt, stünden doch Erneuerbare und Bürgerenergie eigentlich für Natur- und Klimaschutz.

 

Die Beschleunigung "mit der Gießkanne" bemängelte am Dienstag auch Matthias Golle. Kommunen dürften nicht mehr mitentscheiden, Verbände würden nicht mehr angehört, schilderte der Chef der Energiegenossenschaft Ilmtal in Thüringen die Situation. Golle beklagte auch, dass kleinere Energiewende-Akteure bei den EEG-Ausschreibungen der Bundesnetzagentur nach wie vor strukturell benachteiligt seien.