Oliver Hummel. (Bild: Naturstrom AG)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Oliver Hummel, Vorstand beim Öko-Energieversorger Naturstrom.

Klimareporter°: Herr Hummel, der seit Monaten heraufbeschworene Blackout des Stromnetzes zu Ostern blieb aus. Der Strompreis an der Börse rutschte nicht einmal ins Negative. Der tiefste Wert wurde zu Mittag am Ostermontag mit etwa 3,5 Cent für die Kilowattstunde festgestellt. Lag es am wolkigen Wetter oder waren die Warnungen von vornherein übertrieben?

Oliver Hummel: Klar, mit Horrorszenarien lassen sich die besseren Schlagzeilen produzieren. Eigentlich geht es bei den hohen Preisunterschieden im Kurzfristhandel am Strommarkt aber vor allem um Chancen. Die Energiewende tritt in eine neue Phase ein, die Erneuerbaren sind jetzt wirklich systembestimmend.

Rund um die Flexibilisierung von Verbrauch und Erzeugung entstehen gerade viele neue Produkte und Geschäftsmodelle, die dafür sorgen, dass Haushaltskund:innen stärker als bislang von der Energiewende profitieren können. Mit unserem dynamischen Tarif und der zugehörigen App, deren Funktionsumfang wir kontinuierlich erweitern, mischen auch wir in diesem Feld mit.

Die zentrale Voraussetzung dafür, dass dieser Transformationsschub gelingt, ist eine zügige Digitalisierung der Energiewirtschaft. Wir brauchen mehr Tempo beim Smart-Meter-Rollout und einheitlichere, digitale Prozesse bei den Netzbetreibern.

Trumps chaotische Zollpolitik hält die weltweiten Börsenkurse auf Trab. Auch wenn noch unklar ist, welche Zölle es am Ende zwischen den USA und der EU geben wird: Der Handelskrieg der USA mit China reicht aus, um die weltweite Energiewende empfindlich zu treffen. Welche Folgen erwarten Sie für Deutschland?

Kurzfristig rechne ich nicht mit gravierenden Auswirkungen. Bei der Energiewende ist unsere Abhängigkeit von China viel größer als die von den USA – beispielsweise bei Solarmodulen, der Batterietechnik oder den seltenen Erden. Nichtsdestotrotz ist die erratische Zollpolitik der USA ein weiterer deutlicher Weckruf für die deutsche und die europäische Wirtschaft, Abhängigkeiten von einzelnen Staaten bei Schlüsseltechnologien zu verringern.

Zumal Trumps konfrontatives Vorgehen befürchten lässt, dass er auch die Flüssigerdgas-Lieferungen der USA politisch als Druckmittel verwenden könnte. Wir sollten also schnellstmöglich auch die Wärmewende hin zu erneuerbaren Energien vorantreiben, um die Abhängigkeit von Gasimporten zu reduzieren.

Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD erwähnt gemeinschaftliche Modelle der Energieversorgung wie Mieterstrom, Bürgerenergie oder Energy Sharing an nur einer einzigen Stelle mit der Floskel, Wirtschaft und Verbraucher sollten die Energiewende stärker mitgestalten. Erwarten Sie für solche bürgernahen Projekte in den kommenden vier Jahren Fortschritte?

Ja, ich erwarte Fortschritte, auch wenn der Koalitionsvertrag in dem Punkt tatsächlich nicht gerade visionär daherkommt.

Es gibt aber genügend Leute in der Union und bei der SPD, die erkannt haben, dass es bei Bürgerenergie und Energy Sharing, aber auch bei Steckersolaranlagen, klassischen Solar-Dachanlagen oder Wärmepumpen um ihre eigenen Wähler:innen geht. Und wenn Visionen gefragt sind, stehen wir und steht die ganze Erneuerbaren-Branche als Impulsgeber bereit.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Vor ein paar Tagen hat eine Auswertung des kalifornischen Stromnetzbetreibers die Runde gemacht: Am 5. April deckten Batteriespeicher in Kalifornien in den Abendstunden bis zu 34 Prozent des Strombedarfs, für einen Zeitraum von drei Stunden waren sie die wichtigste Stromquelle.

Für uns hier in Deutschland sind das aktuell noch unvorstellbare Werte. Sie zeigen aber: Energiewende funktioniert, wenn die Rahmenbedingungen entsprechend gesetzt sind.

Die neue Bundesregierung hat nun die Chance, ihren Anteil beizusteuern, damit wir beim Speicherausbau, beim Smart-Meter-Rollout oder auch in den Verbrauchssektoren Wärme und Verkehr den nötigen Zahn zulegen. Der Koalitionsvertrag liest sich in diesen Punkten leider nicht besonders progressiv, aber immerhin sind nun vier Jahre Zeit, die Erwartungen zu übertreffen.

Fragen: David Zauner, Jörg Staude

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