Worüber redet Deutschland derzeit bei Energie? Tag für Tag zum Beispiel darüber, ob sich neue Atomkraftwerke nicht doch irgendwann, irgendwo und irgendwie lohnen könnten.

Oder darüber, dass die Leute die jahrelange Aufforderung "Macht die Dächer voll" zu ernst nahmen und mit ihrem Solarstrom jetzt angeblich den Markt fluten.

 

Was ist die Reaktion? Eine anhaltende Debatte um drohende Abregelungen selbst kleinerer Solaranlagen. Nicht nur dies sorgt derzeit in der Bürgerenergie-Community für Verunsicherung. Kopfschmerzen bereitet ihr auch die derzeit geplante Streichung der Einspeisevergütung bei negativen Strompreisen für Anlagen mit weniger als 400 Kilowatt Leistung.

Das hatte im Dezember letzten Jahres die amtierende Bundesregierung noch beschlossen. Es ist aber unklar, ob die Regelung im Rahmen des sogenannten Mini-Energiewirtschaftsgesetzes noch endgültig durch den Bundestag kommt.

Wegfall der Einspeisevergütung sorgt für Verunsicherung

Schon jetzt aber beeinträchtige die Debatte über den zeitweisen Wegfall der Einspeisevergütung laufende Projektplanungen, betonte Martin Bialluch, Vorstandssprecher beim Bündnis Bürgerenergie (BBEn), am Montag.

Statt an dem starren EEG-Förderzeitraum von 20 Jahren festzuhalten, schlägt das Bündnis hier vor, jeder Anlage eine vorab festgelegte Strommenge zu vergüten. Bei so einer Regelung können sich Betreiber dann entscheiden, in Zeiten negativer Preise die Stromerzeugung einzustellen.

Sechs Bürgerenergie-Forderungen zur Bundestagswahl

  • Bürgerenergie braucht einen festen Platz im Strommarkt – keine Verunsicherung durch Absenkung der Schwelle für Direktvermarktung oder Wegfall der Absicherung bei negativen Strompreisen
  • Wegfall der dreijährigen Wartefrist für Bürgerenergiegesellschaften, wenn sie ein Windkraft- oder Solarprojekt außerhalb der Ausschreibung umsetzen
  • EU-rechtlich gebotenes Energy Sharing endlich in bundesdeutsches Recht umsetzen
  • Ausbau der erneuerbaren Energien zu mindestens 40 Prozent in Bürgerhand, einschließlich privater Solaranlagen auf Dächern und Balkonen
  • bundesweites Bürgschaftsprogramm für kommunale Wärmeplanung
  • Förderprogramm für Bürgerenergie auf Photovoltaik-, Wärme- und Energieeffizienz ausweiten

Bisher gibt es dafür wenig Anreize. Denn wird eine EEG-geförderte Solaranlage bei Stromüberangebot vorübergehend vom Netz genommen, wird der Betreiber derzeit entschädigt. Das schlägt sich dann in den sogenannten Redispatch-Kosten nieder.

Eine Neuregelung der Einspeisevergütung gehört zu den sechs Kernforderungen des Bündnisses für die Bundestagswahl. Viele der am Montag samt Online-Kampagne vom BBEn präsentierten Verlangen sind nicht gänzlich neu.

So bemühte sich die Organisation schon in den Ampel-Jahren so intensiv wie erfolglos darum, die EU-rechtlichen Vorgaben für ein echtes Energy Sharing in Deutschland umzusetzen, mit dem Haushalte Ökostrom gemeinsam erzeugen und nutzen können.

Die Bürgerenergie-Lobby warnt auch vor den politischen Plänen, wonach künftig auch kleinere Solaranlagen ab 25 Kilowatt oder möglicherweise noch weniger ihren Strom direkt vermarkten müssen. Viele Vermarkter wollten das nicht machen, es drohten steigende Kosten und mangelnde Wirtschaftlichkeit der Anlagen, sagte Bialluch.

Ob sich allerdings die Forderungen der Bürgerenergie mit einer voraussichtlich bald unionsgeführten Bundesregierung erfüllen lassen, da wollte sich der Vorstandssprecher nicht festlegen.

Klar ist aber, wie willkürliche Grenzziehungen sich auf den Ausbau der Photovoltaik auswirken. Beispiele dafür schilderte am Montag Kristina Wittig, Vorständin von "Wir Machen Energie", einer Ende 2022 ins Leben gerufenen Plattform für Bürgerenergie in Mittelsachsen.

Dachflächen sollen "niedrigschwellig" nutzbar bleiben

So sei, berichtete die Genossenschaftlerin, eine Gemeinde mit der Anfrage an sie herangetreten, ob die Bürgerenergiegesellschaft das Dach einer Lagerhalle mit Solarstrom ausstatten könne. Dazu sei die Gemeinde selbst finanziell nicht in der Lage gewesen, so Wittig.

Das Dach selbst bot dabei Platz für bis zu 150 Kilowatt Leistung. Zu der Zeit galten als Untergrenze für die verpflichtende Direktvermarktung noch 100 Kilowatt. Wären bei dem ohnehin knapp kalkulierten Projekt noch Gebühren für die Direktvermarktung draufgekommen, wäre die wirtschaftliche Unsicherheit laut Wittig zu groß geworden. In dem Fall habe man sich dann entschlossen, bei der Anlage unter der 100-Kilowatt-Grenze zu bleiben.

Damit sei das Dach hinter dem möglichen Strom-Potenzial zurückgeblieben, bilanzierte die Vorständin. Das sei fatal, weil für ein hundertprozentig erneuerbares Stromsystem alle geeigneten Flächen am Boden und auf Dächern benötigt würden.

Man könne nicht Dächer als ohnehin versiegelte Flächen für Photovoltaik anpreisen, den dortigen Ausbau dann aber rechtlich verunmöglichen, kritisierte Wittig. Dachflächen müssten auch künftig "niedrigschwellig" nutzbar sein, verlangte sie.

 

Noch wichtiger für die Akzeptanz der Energiewende vor Ort ist für Wittig die Möglichkeit, dass die Einwohner den von einer Bürgerenergieanlage erzeugten Strom auch selbst beziehen können. Das Stromteilen vor Ort sei maßgeblich für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren, gerade in einer Region, in der die Menschen der Energiewende eher skeptisch gegenüberstünden, betonte die Genossenschaftsvorständin.

Doch über so ein echtes Energy Sharing wird derzeit noch weit weniger geredet als über die Gefahr, mit willkürlichen Vermarktungsgrenzen Solardächer künftig leer zu lassen.