Ralf Schmidt-Pleschka
Ralf Schmidt-Pleschka. (Foto: privat)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Ralf Schmidt-Pleschka, Koordinator für Energie- und Klimapolitik beim Hamburger Ökostrom-Anbieter Lichtblick.

Klimareporter°: Herr Schmidt-Pleschka, sie sind für den Ökostrom-Anbieter Lichtblick neues Mitglied im Herausgeberrat von Klimareporter°. Was treibt Sie dabei um?

Ralf Schmidt-Pleschka: Kurz und knapp gesagt, treibt mich die Hoffnung, Klimaschutz und Energiewende in Deutschland weiter voranbringen zu können. Dafür engagiere ich mich seit gut 30 Jahren.

Damals arbeitete ich in der Klima-Enquetekommission des Bundestages und parallel in verschiedenen Umweltverbänden und -initiativen in Bonn. Über die "Verbraucher Initiative", einen ökologisch ausgerichteten Verbraucherverband, kam ich nach Berlin, wo ich bis zu meinem Start bei Lichtblick im April letzten Jahres in der Bundestagsfraktion der Grünen gearbeitet habe.

Auf dieser langen Strecke habe ich die Arbeit kompetenter und engagierter Journalistinnen und Journalisten schätzen gelernt, wie sie ja auch und gerade bei Klimareporter° praktiziert wird. Umso mehr freue ich mich auf diese neue Aufgabe.

Wo steht Deutschland bei der Energiewende? Was muss geschehen, damit wir die Pariser Klimaziele noch erreichen?

Fast zwei Jahrzehnte lang haben wir in Deutschland in erfreulicher Geschwindigkeit und auch mit viel Geld die erneuerbaren Energien ausgebaut. Damit haben wir maßgeblich dazu beigetragen, dass Strom aus Sonne und Wind heute sehr günstig zu haben ist und weltweit boomt.

Und gerade jetzt, da die Früchte geerntet werden können, irrt die Bundesregierung umher und arbeitet sich an Problemen von gestern ab, anstatt Lösungen für morgen zu entwickeln. Mit dem Kohleausstiegsgesetz, das für mich eher ein Kohleabsicherungsgesetz ist, hat sie das Paris-Ziel wissentlich aufgegeben.

Ändern wird sich die energiepolitische Irrfahrt nur, wenn Fridays for Future und andere weiter Druck machen. Aber auch verantwortungsvolle Unternehmen müssen sich klar und deutlich äußern – sehr laut und unüberhörbar für jene, die im nächsten Jahr die Regierungsgeschäfte übernehmen möchten.

Ihr Unternehmen ist jetzt der fünftgrößte Stromversorger in Deutschland. Es hat einen neuen Eigentümer, ein Konsortium um den japanischen Mitsubishi-Konzern, neue Angebote und eine neue Führungsetage – manche der alten Pioniere gehen. Weht ein neuer Wind bei Lichtblick?

Ein frischer Wind wehte ja immer schon bei Lichtblick. Jedenfalls sind wir nicht gerade dafür bekannt, uns auf Erreichtem auszuruhen. In den letzten Monaten hat sich mit dem Wechsel des Besitzers und einigen Neubesetzungen in der Geschäftsführung in der Tat aber besonders viel ereignet.

Mit Eneco, das sich in den Niederlanden als Ökostromunternehmen einen guten Namen gemacht hat, arbeiten wir ja bereits länger zusammen und erschließen dadurch neue Marktchancen für Ökostrom.

Das Konsortium um die Mitsubishi Corporation, das Ende letzten Jahres Eneco und Lichtblick übernommen hat, unterstützt diese nachhaltige Ausrichtung voll und ganz. Mitsubishi war bereits Partner von Eneco, etwa bei der Realisierung dreier Offshore-Parks in der Nordsee oder des größten Batteriespeichers Europas bei Jardelund in Schleswig-Holstein.

Mit dieser Power im Rücken kann auch Lichtblick das Ökostromgeschäft neu und größer aufstellen. Gerade erst haben wir zum Beispiel das Heizstrom-Geschäft von Eon übernommen und stellen es komplett auf Ökostrom um. Damit erhalten jetzt 1,7 Millionen Menschen Ökostrom und Öko-Wärme von Lichtblick.

Die Umweltorganisation Robin Wood führt eine Liste der "echten" Ökostromer, und Lichtblick steht nicht mehr drauf. Werden Sie weniger öko?

Nein, wir bieten unseren Kunden nach wie vor ausschließlich 100 Prozent Ökostrom an. Auch Eneco erzeugt und verkauft ganz überwiegend Ökostrom, beliefert aber Geschäftskunden teils noch mit Strom aus einem Gaskraftwerk beziehungsweise von der Börse. Damit ist leider auch uns der Zugang zur Robin-Wood-Liste versperrt. Wir arbeiten aber daran, diese Hürde aus dem Weg zu räumen.

Wie steht es um Ihren Einfluss in der Berliner Politik? Werden Sie jetzt so oft wie Eon und RWE ins Wirtschaftsministerium eingeladen oder müssen Sie sich immer noch mit einem Fachgespräch bei den Grünen begnügen?

(Lacht) Einen roten Teppich hat uns das Wirtschaftsministerium bislang noch nicht ausgerollt. Aber im Ernst: Unsere Erwartungen an eine ambitionierte Energiewendepolitik treffen in der Bundesregierung aktuell auf ziemlich taube Ohren. Wir sind es aber gewohnt, uns über gute Ideen und Engagement Gehör zu verschaffen – bei Fachgesprächen ebenso wie in Regierungskreisen.

So ist zum Beispiel der Betrieb öffentlicher Ladesäulen bislang von regionalen Monopolisten geprägt. Wir kämpfen seit Jahren dafür, das zu ändern, sodass Kundinnen und Kunden an jeder öffentlichen Ladesäule Ökostrom ihrer Wahl für das eigene Elektroauto beziehen können. Bis vor Kurzem standen wir mit unserer Forderung weitgehend allein auf weiter Flur.

Jetzt aber haben sowohl die Bundesnetzagentur als auch das Bundeskartellamt in Aussicht gestellt, den Markt für den Wettbewerb an der Ladesäule zu öffnen. Das könnte endlich auch zum Türöffner für mehr Ökostrom im Verkehr werden.

Lichtblick hat schon viele innovative Geschäftsideen ausprobiert. Etwa die "Schwarmenergie", die dezentrale Stromproduzenten zusammenschaltet – und für ihre Zeit zu früh kam. Oder das Unternehmen hat sich in der E-Mobilität engagiert, als es praktisch noch keine E-Autos auf den Straßen gab. Was probieren Sie gegenwärtig aus?

Nicht nur Lichtblick, sondern letztlich die ganze Gesellschaft steht vor der Aufgabe, die Energieversorgung in Deutschland komplett auf erneuerbare Energien umzustellen – und das unserer Überzeugung nach bereits bis zum Jahr 2035. Das ist eine große Herausforderung. Aber wir haben die Technik und wir haben die Bereitschaft der allermeisten Menschen, auf saubere Energien umzusteigen.

Ralf Schmidt-Pleschka

ist Koordinator für Energie- und Klimapolitik beim Hamburger Ökostromanbieter Lichtblick und neues Mitglied im Herausgeberrat von Klimareporter°. Er übernimmt die Aufgabe vom langjährigen Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking, der das Unternehmen verlässt.

Schmidt-Pleschka ist seit rund drei Jahrzehnten im Bereich Energie und Umwelt tätig, unter anderem als Mitarbeiter der Bundestags-Enquete "Schutz der Erdatmosphäre", Fachbereichsleiter bei der Verbraucher Initiative und Referent für Energiepolitik der Grünen-Bundestagsfraktion. Die Position bei Lichtblick hat er seit 2019 inne.

Wir müssen es jetzt schaffen, erneuerbare Energien zum Normalfall zu machen. Ökostrom muss allen einfach, kostengünstig und jederzeit verlässlich zur Verfügung stehen, egal ob er vom eigenen Dach kommt oder über einen Ökostromversorger bezogen wird.

Dazu braucht es einen regelrechten Innovationssturm quer durch alle Energiebereiche. Denn absehbar werden wir Ökostrom zunehmend auch für unsere Fahrzeuge und Heizungen verwenden. Genaueres kann ich jetzt noch nicht verraten, aber künftig werden ganzheitliche Angebote, die die persönliche Energiewende für Verbraucherinnen und Verbraucher leicht machen, für uns zunehmend bedeutsam werden.

Mit der Übernahme des Heizstrom-Geschäfts von Eon sind wir ein führender Anbieter für Öko-Wärme geworden. Unser Anspruch ist es, in den nächsten Jahren ein Angebot zu entwickeln, dass es jedem einzelnen und auch Unternehmen ermöglicht, den eigenen Klima-Fußbadruck immer weiter zu verringern.

Eine große Mehrheit der Verbraucher wünscht sich Solarstrom, am liebsten dezentral gewonnen, vom eigenen Dach. Für Mieter ist das auch möglich, tatsächlich gibt es aber kaum Mieterstrom-Anlagen. Was muss da passieren?

Mieterstrom ist ein abschreckendes Beispiel dafür, wie die Politik die persönliche Energiewende besonders kompliziert macht. Das System muss schnell vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Sicher braucht es eine bessere Förderung, aber das ist bei Weitem nicht alles. Mieterstrom sollte auch über den Markt angereizt werden, etwa indem Energieunternehmen einsteigen können. Dann würden auch viel mehr Vermietende mitmachen.

Bisher laufen Wohnungseigentümer Gefahr, sich steuerlich schlechterzustellen und sich zusätzliche Pflichten aufzubürden, wenn sie sich für Mieterstrom entscheiden. Dieser unnötige Ballast muss ebenso weg wie die Beschränkung auf einzelne Wohnhäuser. Dann kann Mieterstrom auch für ganze Wohnquartiere und für Supermärkte, Handwerksbetriebe und Büros interessant werden.

Grüne, Thinktanks und die Deutsche Energie-Agentur Dena pushen derzeit den Vorschlag, die EEG-Umlage abzuschaffen und die Förderung aus dem Bundeshaushalt zu bezahlen. Was halten Sie von der Idee, die Ökostromförderung letztlich von den politischen Mehrheiten im Haushaltsausschuss abhängig zu machen?

Das Szenario könnte man noch weiterdrehen und fragen, ob man das EEG wirklich wieder in die Hand der EU-Wettbewerbshüter legen möchte. Denn die werden jede kleinste Novelle auf die Goldwaage der Beihilfeprüfung legen, wenn der Ökostromausbau aus Steuermitteln finanziert wird. All das zeigt, dass dieser Weg keineswegs leicht ist.

Aber die Zeit ist definitiv reif dafür. So richtig es seinerzeit war, die EEG-Kosten auf die Strompreise umzulegen, so sehr zeigen sich jetzt die Nachteile. Das EEG besteht zum Großteil aus Ausnahmetatbeständen für die Großindustrie und Sonderregelungen für all jene, die durch Eigenstrom die Umlagen ganz oder teilweise sparen können. Das macht das System überkompliziert. Im Ergebnis entstehen dadurch solch verrückte Regelungen wie etwa beim Mieterstrom. So kommen wir nicht weiter.

Außerdem ist Ökostrom zu teuer, um billige fossile Brenn- und Treibstoffe im Verkehrs- und Wärmebereich zu verdrängen. Ohne EEG-Umlage würde er um fast sieben Cent die Kilowattstunde günstiger. Wir finden den Vorschlag der Dena daher hochinteressant und sind davon überzeugt, dass es juristisch einwandfreie und politisch durchsetzbare Lösungen geben wird. Ein gutes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl ist der richtige Zeitpunkt, darüber eine konstruktive Diskussion zu führen.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Mich hat die Dreistigkeit überrascht, mit der das Wirtschaftsministerium die Vorlage der EEG-Novelle einfach mal so über die Sommerpause verschoben hat. Bereits im nächsten Jahr fallen Windräder und Photovoltaikanlagen mit einer Nennleistung von knapp 4.000 Megawatt aus der EEG-Förderung. Bislang wird der Weiterbetrieb durch die geltenden Bestimmungen weitgehend verunmöglicht, so dass der Abbau dieser Post-EEG-Anlagen droht.

Doch das Ministerium lässt wieder alle zappeln, wie schon beim Solardeckel. Diese Missachtung der Energiewende-Pioniere macht mich auch nach 30 Jahren politischer Arbeit immer noch sprach- und fassungslos.

Fragen: Joachim Wille

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