Windräder in einer Agrarlandschaft, im Vordergrund eine Hand mit einem Stecker, wie auf der Suche nach einer Steckdose.
Woher kommt der Strom? Wichtig ist vor allem, wohin das Geld fließt, sagt Robin Wood. (Foto: EU)

Mehr als 20 Jahre ist es her, seit der deutsche Strommarkt für den Wettbewerb geöffnet wurde. Seitdem werden Stromkunden regelmäßig überzeugt, doch einmal den Anbieter zu wechseln – sei es, um Geld zu sparen, sei es, um Ökostrom statt Atom- und Kohlestrom zu beziehen.

Um sich über das Produkt "Ökostrom" zu informieren, gibt es eigentlich die Stromkennzeichnung. Die ist aber "kaum bekannt" und wird "nicht verstanden", beklagt das Umweltbundesamt (UBA) in einer letztes Jahr veröffentlichten Marktanalyse zum Ökostrom. Nicht einmal jedem fünften befragten Stromverbraucher sei die Kennzeichnung des von ihm bezogenen Stroms bekannt und nur sechs Prozent hätten die Kennzeichnung herangezogen, um Stromanbieter zu vergleichen.

Noch verwirrender als die Kennzeichnung ist die Flut von Stromlabels, gerade im rasch wachsenden Markt für Ökostrom. 2017 zählte das Umweltbundesamt insgesamt 18 Ökostrom-Labels. Von 921 in der UBA-Analyse erfassten Stromanbietern boten fast 500 mindestens ein Stromprodukt mit einem Ökostromlabel an. Alles in allem zählte das UBA sogar 812 Öko-Stromprodukte, weil einige Anbieter sich für mehrere Labels zertifizieren ließen.

"Wer glaubt, mit dem Bezug von sogenannten grünen Stromangeboten in jedem Fall die Energiewende zu unterstützen, irrt", betont Ronja Heise, Energiereferentin bei Robin Wood. "Viele Angebote stammen von Unternehmen, die selber Kohle- und Atomkraftwerke betreiben oder deren Strom verkaufen." Um so wichtiger sei es, genau hinzusehen, von wem der Ökostrom bezogen wird.

Die Umweltorganisation legte dazu am Freitag einen besonders strengen Ökostromreport vor. In einer monatelangen, von der Open Knowledge Foundation unterstützten Recherche, schaute sich Robin Wood nach vier Kriterien (siehe Kasten) an, ob sich hinter den Labeln wirklich grüner Strom verbirgt. 

Die vier Kriterien von Robin Wood für Ökostrom

100 Prozent Ökostrom: Der Anbieter verkauft ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Der Strom wird über direkte Lieferverträge mit Erzeugerkraftwerken oder über Zwischenhändler mit direkten Lieferverträgen bezogen.

Unabhängigkeit: Es gibt keine direkte eigentumsrechtliche Verflechtung des Anbieters mit einem Konzern, der Atom- oder Kohlekraftwerke betreibt oder mit Strom aus diesen Quellen handelt.

Zusätzlichkeit: Der Anbieter fördert die Energiewende durch den Bezug von Strom aus Neuanlagen oder durch feste Investitionsprogramme. Mindestens 33 Prozent der genutzten installierten Leistung stammen aus Anlagen, die nicht älter als zehn Jahre sind, oder die Energiewende wird mit einem festen Förderbetrag von mindestens 0,5 Cent je Kilowattstunde (im Durchschnitt der Tarife) gefördert. Eine Empfehlung kann ausgesprochen werden, wenn Anbieter nachweislich innerhalb der letzten fünf Jahre im Schnitt 0,5 Cent je Kilowattstunde in den Ausbau der Energiewende investiert haben.

Kein Geld für Kohle und Atom: Der Anbieter bezieht Strom von Erzeugungsanlagen, die allenfalls geringfügige Verflechtungen mit Kohle- oder Atomkonzernen aufweisen. Neuinvestitionen des Anlageneigentümers oder -betreibers in Kohle- und Atomkraftwerke sind nicht zulässig. Als geringfügig verflochten wird eine Beteiligung eines Kohle- oder Atomkonzerns an einem Eigentümer oder Betreiber eines einzelnen Kraftwerks definiert, von dem der Anbieter maximal 25 Prozent seines Stroms bezieht.

Als Kohle- und Atomkonzerne werden in dem Robin-Wood-Bericht Unternehmen bezeichnet, deren Stromeigenleistung zu mehr als 30 Prozent aus Kohle- oder Atomkraftwerken stammt oder die mehrheitlich zu Unternehmen gehören, auf die dies zutrifft.

Am Ende blieben für die Umweltorganisation nur acht ausschließlich bundesweit tätige Ökostromanbieter mit empfehlenswertem Strom übrig: Bürgerwerke, Elektrizitätswerke Schönau (EWS), Greenpeace Energy, Grün Power, Mann Strom, Naturstrom, Ökostrom Plus und Polarstern.

Grünes Label, grauer Strom

Wie Robin Wood betont, geht der Report weiter als die bekanntesten Ökostrom-Label, bei denen wirtschaftliche Verflechtungen nur eine untergeordnete Rolle spielten. So trage ein Tarif von Naturenergie plus das "Grüner Strom Label", obwohl der Anbieter zu 100 Prozent dem Energiekonzern EnBW gehöre, der Kohle- und Atomkraftwerke betreibe.

Ähnlich verhalte es sich bei den Energiewerken Waldbröl, die das "OK-Power"-Label führen. Das Unternehmen gehöre aber zu 51 Prozent den Aachener Stadtwerken, die an Kohlekraftwerken beteiligt seien.

Inwieweit die Ökostrom-Anbieter ihre Energie aus eigenen Erneuerbaren-Anlagen beziehen oder nur einkaufen, wurde in der Analyse nicht bewertet. Der Schwerpunkt habe vor allem auf der Frage gelegen, "wohin das Geld der Stromkund:innen geht, von welchen Kraftwerksbetreibern der Strom eingekauft wird – und dass der Strom über Verträge mit Kraftwerken statt an der Börse bezogen wird", erläutert Ronja Heise auf Nachfrage.

Inwieweit ein Anbieter eigene Erneuerbaren-Anlagen baut und betreibt, ist oft ein wichtiges Entscheidungskriterium für einen Ökostromtarif, räumt auch die Expertin ein. In den Anbieterprofilen des "Ökostromreports" seien auch entsprechende Informationen zu finden. Im nächsten Report wolle Robin Wood den Wert der Eigenstromproduktion auch noch stärker hervorheben.

Naturstrom-Vorstand Oliver Hummel begrüßt das Ziel von Robin Wood, Licht in den sehr komplexen Strommarkt zu bringen und aufzuzeigen, welche Stromprodukte nachhaltig sind. "Die bisherigen Regelungen zur Stromkennzeichnung schaffen es leider nicht, wirklich Transparenz zu schaffen und den Verbrauchern einen Informationsmehrwert zu bieten", sagt Hummel, dessen Unternehmen zu den acht empfohlenen gehört.

 

Redaktioneller Hinweis: Naturstrom-Vorstand Tim Meyer ist Mitglied des Herausgeberrats von Klimareporter°

Lesen Sie dazu auch das Interview mit Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking: Datteln 4, Ökostromlabel und Frühlingsgefühle im Januar