Ralf Schmidt-Pleschka
Ralf Schmidt-Pleschka. (Foto: privat)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Ralf Schmidt-Pleschka, Koordinator für Energie- und Klimapolitik beim Hamburger Ökostrom-Anbieter Lichtblick.

Klimareporter°: Herr Schmidt-Pleschka, nach der aktuellen Kabinettsplanung will Bundeswirtschaftsminister Altmaier am 23. September die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) beschließen lassen. Angenommen, Sie wären der Minister: Was würde dann in der Novelle stehen?

Ralf Schmidt-Pleschka: Ich, Wirtschaftsminister? Ach, du meine Güte! – Vor Schreck würde ich da wohl erstmal die EEG-Umlage abschaffen. Das EEG würde dann auf ein paar Paragrafen zusammenschrumpfen, die im Kern die Vergütung und den Einspeisevorrang für Ökostrom regeln, bei Großanlagen auch die Ausschreibungsmodalitäten.

Außerdem würde ich dafür sorgen, dass auch EEG-Anlagen Zertifikate, sogenannte Herkunftsnachweise, erhalten können. Damit könnte der EEG-Strom direkt an Ökostromkunden geliefert werden und würde nicht länger im Graustromsee an der Börse landen.

Die Energiewende wäre dann nicht mehr nur auf der Stromrechnung erlebbar, sondern käme über die Steckdose direkt in die Haushalte. Ökostrom wäre das neue Normal. – Ups! Entschuldigung, ich bin wohl gerade ein wenig ins Träumen geraten ...

Aber auch ganz nüchtern betrachtet liegt die Latte hoch: Die EEG-Novelle muss allen Post-EEG-Anlagen eine Zukunft sichern, den jährlichen Photovoltaik-Ausbau auf 10.000 Megawatt steigern, kleinere Solarstromanlagen bis 30 Kilowatt von der EEG-Umlage befreien und endlich Dynamik beim Mieterstrom entfachen. Und nicht zuletzt müssen Gemeinden und die dort wohnenden Menschen von neuen Windenergieanlagen profitieren.

Darunter darf die Koalition diesmal nicht landen, sonst rücken auch die 2030er Ziele in unerreichbare Ferne.

In Berlin gründete sich eine nach eigener Darstellung radikale Klimaschutzpartei. Verschiedentlich gibt es weitere Initiativen, die Klimabewegung so oder anders zu institutionalisieren. Was halten Sie davon?

Ich finde es super, dass der gesellschaftliche Druck für mehr und konsequenteren Klimaschutz weiterhin hoch ist. Angesichts der Corona-Krise ist das bemerkenswert.

Versuche, aus einer Bewegung eine neue Partei zu formieren, hat es in der Vergangenheit schon öfter gegeben. Mit Ausnahme der Grünen hat das allerdings nicht so recht funktioniert – und da war es nicht nur eine Bewegung, sondern mit der Anti-Atom-, der Umwelt-, der Frauen-, der Eine-Welt- und der Friedensbewegung waren es gleich mehrere, die sich in einer Partei verbündeten.

Ich bin gespannt, wie es mit der neuen Partei laufen wird. Für eine Prognose ist es aber noch zu früh.

Um Europa mit erneuerbarem Strom zu beliefern, braucht es laut einer Studie nur ein Prozent der Fläche. Vor allem Offshore-Wind, Solarparks und Solaranlagen auf Dächern sollen dafür kombiniert werden. Ist es sinnvoll, weniger auf Windkraft an Land zu setzen, weil sich Teile der Bevölkerung dagegen sperren?

Die gute Botschaft ist hier, dass die Energiewende zu schaffen ist, ohne flächendeckend Wind- und Solarparks aufstellen zu müssen. Ob wir letztendlich ein oder zwei Prozent der Landesfläche dafür in Anspruch nehmen müssen, halte ich für zweitrangig. Entscheidend ist, dass wir noch mehr Menschen vom Sinn der Energiewende überzeugen.

Da wäre es zum einen sehr hilfreich, wenn die Kommunen und die Menschen vor Ort etwas Zählbares von Wind- und Photovoltaik-Anlagen haben.

Wir brauchen aber auch eine ausgewogene Planung und frühzeitige Bürgerbeteiligung, um die Kritikpunkte aufzugreifen und vor Ort Lösungen zu finden. Denn eines ist klar: Um vollständig auf Erneuerbare umzusteigen, werden alle Technologien benötigt.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Sehr viele Überraschungen gab es diese Woche nicht. Der neue SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz war es jedenfalls nicht, höchstens der Zeitpunkt der Verkündung.

Böse überrascht hat mich aber die Meldung, dass laut einer Studie der Ohio State University der Grönländische Eisschild nicht mehr zu retten ist. Der Schneefall kann das Wegtauen des Eises nicht mehr ausgleichen, und das wird absehbar so bleiben. Die Klimakrise schreitet schneller voran, als wir es uns vorstellen wollen.

Fragen: Jörg Staude, Sandra Kirchner

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