Sie sind so etwas wie die Pandabären der internationalen Klimadiplomatie: naturbasierte Lösungen. Auch auf der COP 28, der 28. UN-Klimakonferenz in Dubai, sind alle irgendwie fürs Bäumepflanzen, Mangrovenretten und Artenschützen. Diese Begeisterung für Natur hat sogar ihren Niederschlag im neusten Textentwurf für das "Dubai-Paket" gefunden, das hier verabschiedet werden soll.
Im Kapitel zur Verminderung der Treibhausgasemissionen wird das Biodiversitätsabkommen erwähnt, das letztes Jahr in Montreal verabschiedet wurde. Dieses sieht vor, dass 30 Prozent der Land- und Wasserfläche der Erde bis 2030 unter Schutz gestellt werden.
Das Potenzial der naturbasierten Lösungen ist tatsächlich relativ groß: Das UN-Umweltprogramm Unep schätzt, dass damit die CO2-Emissionen bis 2030 um fünf Milliarden und bis 2050 um zehn Milliarden Tonnen pro Jahr reduziert werden können. Zum Vergleich: Dieses Jahr liegen die globalen CO2-Emissionen bei 41 Milliarden Tonnen.
Umgekehrt warnen Wissenschaftler aber auch davor, sich allzu sehr auf diese Lösungen zu verlassen. "Es besteht ein hohes Maß an Unsicherheit darüber, wie natürliche Kohlenstoffsenken auf menschengemachte Umweltveränderungen einschließlich des Klimawandels reagieren werden. Natürliche Kohlenstoffsenken könnten in Zukunft weniger CO2 aufnehmen, als wir heute erwarten", lautet eine der kürzlich vorgestellten zehn wichtigsten neuen Erkenntnisse der Klimawissenschaft.
Finanzierung durch CO2-Kompensation ist diskreditiert
Naturbasierte Lösungen sind also nicht die allein seligmachende Antwort auf die Klimakrise. Trotz ihrer pandamäßigen Beliebtheit gibt es zudem starke wirtschaftliche Interessen, die der Ausschöpfung des Potenzials dieser Lösungen entgegenstehen.
Ein Unep-Bericht, der auf der Klimakonferenz in Dubai vorgestellt wurde, präsentiert ernüchternde Zahlen: Jedes Jahr werden 7.000 Milliarden US-Dollar in Aktivitäten investiert, die eine negative Wirkung auf die Natur haben. Dem stehen Investitionen von 200 Milliarden Dollar gegenüber, die eine positive Wirkung haben – 35-mal weniger.
Hinzu kommt, dass eine ursprünglich vielversprechende Methode zur Finanzierung wegzufallen droht: die Kompensation von Emissionen durch Zahlungen für vermiedene Entwaldung.
COP 28 in Dubai
Bei der 28. UN-Klimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten geht es um ein verbindliches Ausstiegsdatum aus den fossilen Energien. Klimareporter° ist mit einem Team vor Ort und berichtet mehrmals täglich.Die Idee dahinter ist simpel: Privatleute und Firmen kompensieren ihre (noch) unvermeidbaren Emissionen, indem sie für den Schutz von Wäldern bezahlen.
Doch diese Idee ist mittlerweile diskreditiert. Dieses Jahr gab es mehrere Skandale, die selbst renommierte Firmen betrafen. Zuletzt musste der Weltmarktführer für CO2-Kompensationen, die Schweizer Firma South Pole, zugeben, dass sein größtes Projekt nicht den Erwartungen entspricht.
Nicht zuletzt deshalb schlug der Präsident Brasiliens, Lula da Silva, auf der COP 28 in Dubai einen Fonds für Regenwälder vor. Dieser soll mit 250 Milliarden US-Dollar dotiert werden und jedes Jahr Zahlungen für bestehende Regenwälder tätigen.
Der Vorschlag wurde allerdings von keinem potenziellen Geberland aufgegriffen und dürfte daher auch nicht umgesetzt werden.
Immer mehr Agrarlobbyisten auf den Klimagipfeln
Dass der Schutz der Natur auf den Klimagipfeln an Bedeutung gewinnt, lässt sich allerdings an einer anderen Kennzahl ablesen: der Zahl der Lobbyisten. Desmog, eine aktivistische Publikation aus Kanada, hat nachgezählt: 340 Vertreter von Firmen, die ihr Geld mit industrieller Landwirtschaft verdienen, sind auf der COP 28 dabei – mehr als doppelt so viele wie letztes Jahr bei der COP 27.
Für Ben Lilliston vom US-Thinktank Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP) ist das zunehmende Interesse von Agrarkonzernen an den Klimaverhandlungen ein entlarvender Indikator: "Angesichts der zunehmenden Aufmerksamkeit für die Emissionen von Fleisch- und Molkereiunternehmen ist es nicht verwunderlich, dass sie ihre Anstrengungen verstärken, um jedes COP-Ergebnis abzuwenden, das ihre Tätigkeit beeinträchtigen könnte."
Wer will, kann die steigende Zahl der Agrarlobbyisten aber auch positiv sehen: Die Unternehmen merken, dass die Staaten naturbasierte Lösungen langsam ernst nehmen, und wollen mitreden. Wenn dieser Trend am Ende der Natur etwas bringt, müsste das ja nichts Schlechtes sein.