Leerer Gang zwischen vollen Regalreihen in einem Supermarkt.
Es muss sich überall was tun. Auch bei unserer Ernährung. (Foto: Enguete/​Happy Meal/​Flickr)

Fleisch – morgens, mittags und abends. Das besorgt nicht nur Ärzt:innen, sondern lässt auch Klimaforscher:innen die Stirn runzeln. Auf keinem Lebensmittel ist "klimaschädlich" so fett eingraviert wie auf Fleisch.

Das gilt ganz besonders für Rindfleisch und das Fleisch anderer Wiederkäuer. Der Fußabdruck der Steaks und Schnitzel dieser Welt macht etwa ein Drittel der gesamten Treibhausgasemissionen der Lebensmittelproduktion aus.

In vielen Köpfen ist das noch nicht angekommen. Wer an den Klimawandel denkt, hat qualmende Kraftwerke und Autos vor dem inneren Auge. Daran ist durchaus nichts auszusetzen, außer dass es eben nur ein Teil der Wahrheit ist. Der weltweite Nahrungsmittelverbrauch allein könnte bis Ende dieses Jahrhunderts bei gleichbleibenden Ernährungsmustern zu einer zusätzlichen Erwärmung von beinahe einem Grad Celsius führen.

Das belegt eine kürzlich im Fachjournal Nature Climate Change erschienene Studie. Seit der Industrialisierung hat sich die Erde um 1,1 Grad erwärmt. Das Forschungsteam um Catherine Ivanovich von der Columbia University zeigt mit diesen Ergebnissen, dass unser Lebensmittelverbrauch ausreicht, um die Temperaturziele des Pariser Klimaabkommens zu verfehlen.

Etwa 15 Prozent der bisherigen Erderwärmung gehen auf die Kappe der Landwirtschaft. Und das, obwohl nur drei Prozent der CO2-Emissionen auf den Sektor zurückzuführen sind. Schuld sind zwei andere Treibhausgase: Methan (CH4) und Lachgas (N2O).

Etwa die Hälfte der weltweiten Methan-Emissionen und sogar zwei Drittel der Lachgas-Emissionen gehen auf die Lebensmittelproduktion zurück. Beide Gase treten in wesentlich geringeren Konzentrationen in der Atmosphäre auf als CO2, sind aber ungleich klimaschädlicher.

250-mal so schädlich wie CO2

Methan kann 100-mal mehr Wärmestrahlung zurückhalten als dieselbe Menge CO2, hat allerdings nur eine durchschnittliche Verweildauer in der Atmosphäre von zehn Jahren. Lachgas mit einer Lebensdauer von 100 Jahren ist sogar 250-mal so potent wie CO2.

Die Klimawirkung der Landwirtschaft basiert also vor allem auf diesen beiden Treibhausgasen, wobei Methan durch deutlich höhere Emissionen die Nase vorn hat.

Und das bringt uns wieder zum Fleisch. Die Tierhaltung ist eine der größten Methanquellen weltweit. Mehr als die Hälfte der prognostizierten Erderwärmung durch Lebensmittel geht auf den Konsum von Fleisch- und Milchprodukten zurück.

Aber auch beim Reisanbau entstehen große Mengen Methan.

Für knapp 100 Lebensmittel recherchierte das Forschungsteam den Treibhausgas-Fußabdruck, aufgeteilt in CO2, Methan und Lachgas. Die Aufspaltung in einzelne Gase ermöglichte es dem Team, ein Klimamodell mit diesen Daten zu füttern.

Ein Säulendiagramm, dass den relativen Anteil verschiedener Lebensmittelkategorien an der Erderwärmung durch die Nahrungskonsum für 2030, 2050 und 2100 darstellt. Fleisch von Wiederkäuern steht an erster Stelle. Dann kommt Reis, dann Milchprodukte, Fleisc
Anteil verschiedener Lebensmittelgruppen an der Erderwärmung durch den Nahrungsmittelkonsum der Zukunft. (Grafik: Ivanovich et al./​Nature Climate Change)

Frühere Studien fassten die verschiedenen Treibhausgase häufig in CO2-Äquivalenten zusammen. Damit könne das Erwärmungspotenzial über einen Zeitverlauf allerdings nicht realistisch abgebildet werden, argumentieren die Autor:innen um Ivanovich. "Klimamodellierung ist die beste Methode, um die Auswirkungen der Treibhausgasemissionen auf die Temperatur im Laufe der Zeit zu bewerten."

Unter der Annahme, dass weltweite Ernährungs- und Produktionsweisen unverändert bleiben – einige Studien gehen von einem drastischen Anstieg des Fleischkonsums aus –, prognostizierten die Wissenschaftler:innen die Klimawirkung bis zum Ende des Jahrhunderts. Dazu betrachteten sie unterschiedliche Szenarien des Bevölkerungswachstums.

Selbst wenn die Weltbevölkerung konstant auf dem Stand von 2020 bleiben würde – eine unrealistische Annahme – würde der Nahrungsverbrauch zu einer Erwärmung um 0,7 Grad führen. Und damit geringstenfalls das 1,5-Grad-Ziel sprengen.

Gesunde Ernährung für ein gesundes Klima

Wie so oft beim Klimawandel muss sich die Menschheit auch hier nicht hilflos ihrem Schicksal ergeben. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, mit denen über die Hälfte der Erwärmung vermieden werden könnte: Änderung der Produktionsverfahren, Verringerung der Lebensmittelabfälle, Wechsel zu einer gesünderen Ernährung.

Überraschend wenig Unterschied lässt sich durch die Vermeidung von Abfällen erreichen. Dabei betrachtet die Studie nur Abfälle, die im Einzelhandel und den Haushalten anfallen. Schon bevor die Lebensmittel im Laden landen, gehen allerdings nochmal etwa genauso viele Nahrungsmittel bei der Ernte oder Produktion verloren.

Dazu gebe es nur ungenaue Daten, erklärt Leitautorin Ivanovich auf Nachfrage von Klimareporter°. Aber: "Weitere Studien zu Lebensmittelabfällen weltweit werden Modelle wie unsere in Zukunft verbessern."

Das Liniendiagramm zeigt, wie sehr durch verschiedene Mitigationsstrategien, die Klimawirkung der zukünfitgen Ernährung gesenkt werden können. Alle Mitigationsstrategien zusammen, senken die Erwärmung, um 0,5 Grad bis 2100.
Effekt verschiedener Klimaschutzstrategien im Ernährungsbereich auf die Erwärmungswirkung. (Foto: Ivanovich et al./​Nature Climate Change)

Sehr effizient hingegen ist die Umstellung auf gesunde Ernährung. Dabei beziehen sich die Forscher:innen auf eine Anleitung der Havard Medical School.

Rotes Fleisch sollte demnach nur einmal die Woche und Geflügel, Fisch und Ei höchstens zweimal am Tag verzehrt werden. Schon dadurch ließe sich die globale Erwärmung um rund 0,2 Grad senken.

Eine konsequent vegetarische oder vegane Ernährung ist selbstverständlich noch klimafreundlicher.

Noch mehr ist durch die Optimierung landwirtschaftlicher Verfahren zu holen. Dabei liegt der Fokus darauf, den Methanausstoß der Tierhaltung über veränderte Fütterung zu drücken. Auch bei Reisanbau und Düngemitteln gibt es großes Potenzial für Emissionssenkungen.

Und schließlich strahlt auch ein dekarbonisiertes Energiesystem positiv auf die Nahrungsproduktion aus. Alles zusammen summiert sich auf ein Vermeidungspotenzial von 0,5 Grad.

Regional, saisonal und ohne Methan

Das Verzwickte beim Klimaschutz ist: Es reicht nicht, eine Hürde, eine globale Herausforderung zu meistern, sondern alles muss jetzt gleichzeitig passieren. Ein Nacheinander können wir uns nicht mehr leisten.

Das muss in der Politik erst noch ankommen. Nur ein Drittel aller "national festgelegten Beiträge" – der Klimapläne der Staaten zur Erfüllung des Paris-Abkommens – beinhaltet Strategien zur Emissionsreduktion in der Tierhaltung und nur ein Fünftel beim Reisanbau. Das muss sich in den nächsten Jahren ändern.

Ivanovich betont: "Eingriffe auf Nachfrage- und Angebotsseite sind notwendig, um die künftige Erwärmung zu bekämpfen, und haben das Potenzial, die Emissionen deutlich zu senken."

Wer selbst auf eine klimafreundliche Ernährung achten will, sollte regional und saisonal einkaufen. Außerdem lohnt es sich, auf besonders Methan-intensive Lebensmittel zu verzichten. Dazu zählen Reis, Milchprodukte und wieder und immer wieder Fleisch.

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