Denise Ayebare beim Klimagipfel in Dubai. (Bild: David Zauner)

Klimareporter°: Frau Ayebare, als großen Erfolg für Klimagerechtigkeit feiern Politik und Medien die frühe Einigung über den Fonds für Klimaschäden auf der Klimakonferenz COP 28 in Dubai. Ist die Freude verfrüht?

Denise Ayebare: Das kann ein guter Anfang sein, aber bisher ist das alles nicht rechtsverbindlich.

Es wirkt wie ein Erfolg, dass einige Länder bereits Geld für den Fonds zugesagt haben. Aber bisher sind das eben alles nur Versprechen, die auch wieder zurückgenommen werden können. Ich hatte gehofft, dass dieser Weltklimagipfel kein Gipfel bloßer Versprechen wird, wie so viele vor ihm.

Klimaschäden sind schon heute Realität im globalen Süden. Deshalb braucht es dringend Lösungen. Menschen können sich nicht daran anpassen, zu verhungern, und kleine Inselstaaten können sich nicht an einen steigenden Meeresspiegel anpassen.

Der Fonds muss rechtlich bindend sein.

Deutschland hat 100 Millionen Dollar für den Fonds zugesagt, insgesamt gibt es Zusagen über 655 Millionen. Ist das nicht angesichts der Klimaschäden nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Natürlich. Die Schäden weltweit beziffern sich auf Billionen Dollar.

Wo bleiben also die ärmsten Länder? Man kann die Menschen in Tuvalu nicht damit hinhalten: "Wisst ihr was, das Geld wird in diesem oder jenem Jahr kommen." Diese Menschen sind tagtäglich mit der Krise konfrontiert, und das schon seit Jahren.

Es muss wesentlich mehr Geld in den Fonds fließen und Länder müssen unkompliziert darauf zugreifen können. Ein Land, das gerade von Hochwasser betroffen ist, kann nicht erst durch einen langsamen bürokratischen Prozess gehen.

Wie wirkt sich der Klimawandel in Ihrem Heimatland Uganda aus?

Denise Ayebare

ist Umwelt- und Klimagerechtigkeits-Aktivistin aus Uganda. Die preisgekrönte Rednerin war Vorsitzende des Jugendparlaments in dem ostafrikanischen Land. Sie ist heute in verschiedenen Bewegungen wie Fridays for Future, MAPA (Most affected people and areas) und NZASAP (Net Zero as soon as possible) aktiv.

Wir erleben mehr Extremwetter und allgemein steigende Temperaturen. Die Auswirkungen sind in den verschiedenen Teilen von Uganda ganz unterschiedlich.

Karamoja, eine Region im Norden Ugandas, hatte wie die angrenzenden Länder Somalia und Dschibuti mit extremen Dürren zu kämpfen. In Mbale in Ostuganda haben Fluten die Lebensgrundlage Tausender Menschen zerstört. Viele von ihnen haben alles verloren. Und in Westuganda, zum Beispiel in Kasese, kam es mehrfach zu großen Erdrutschen.

Der Klimawandel betrifft uns in unterschiedlicher Gestalt, aber jeder Mensch in Uganda ist von den Auswirkungen betroffen – ganz besonders Frauen und Kinder. Kindern wird zum Beispiel ihre Chance auf Bildung geraubt, wenn bei einem Hangrutsch die Straße zur Schule zerstört wird.

Uganda produziert 90 Prozent seiner Energie aus Wasserkraft. Mit dem Ölprojekt EACOP kommen nun durch internationale Konzerne und Banken doch die fossilen Energien ins Land. Wie wird das in Uganda aufgenommen?

EACOP wird angeführt von Total Energies. Der französische Mineralölkonzern baut die längste beheizte Öl-Pipeline der Welt – von Uganda nach Tansania, zum Indischen Ozean.

Seit 2016 wurden dafür zahlreiche Menschen vertrieben und weitere Hunderttausende werden folgen. Man würde annehmen, dass sie eine großzügige Entschädigung bekommen. Das ist leider nicht der Fall.

Stattdessen werden Menschenrechtsaktivist:innen eingeschüchtert und aufgrund willkürlicher Anklagen verhaftet. Total Energies weist jeden Vorwurf von sich und behauptet, dass Protest erlaubt und möglich sei. Das ist lächerlich.

Das Unternehmen arbeitet mit der Regierung Ugandas zusammen, die diese rechtswidrigen Verhaftungen durchführt, und ist deshalb mitverantwortlich.

Welche Entschädigung bekommen die Vertriebenen?

In Uganda leben viele Menschen auf dem Land, zu dem sie eine enge Bindung haben, und betreiben Landwirtschaft. Als Entschädigung bekommen die Vertriebenen höchstens eine kleine Wohnung in einer Stadt. Damit werden sie um ihr Land gebracht, ihrer Identität und Lebensgrundlage beraubt.

Sie sind dann gezwungen, jede Arbeit anzunehmen, um zu überleben und ihre Familien zu ernähren. Mit anderen Worten: Ihr ohnehin schon schweres Leben wird noch wesentlich schwerer.

Befürworter dieses und weiterer fossiler Projekte in Uganda, Senegal und anderen afrikanischen Ländern argumentieren, dass sie ökonomischen Fortschritt für das Land und auch die Bevölkerung bringen.

Die allermeisten Menschen werden diesen ökonomischen Fortschritt nicht zu spüren bekommen. In Uganda werden nur wenige davon profitieren.

Und 70 Prozent des gesamten Gewinns gehen sowieso an Total. Diese Konzerne stellen Profit über Menschenleben.

Welche Verantwortung tragen dabei Länder wie Deutschland?

Länder des globalen Nordens sagen dem afrikanischen Kontinent: "Ihr müsst auf Erneuerbare umsteigen." Gleichzeitig bauen dieselben Länder ihre fossile Infrastruktur aus.

Zum Beispiel Deutschland: Ihr lasst neue Kohleflächen abbaggern und investiert in fossile Projekte im Ausland. Es ist lächerlich, dass ein reiches Land wie Deutschland nicht mit gutem Beispiel vorangeht.

Senegal möchte mit deutscher Hilfe seine Erdgasfelder erschließen und zum LNG-Exporteur werden. (Bild: Sergej Besgodow/​Shutterstock)

Wenn Afrika folgen soll, müsst ihr vorangehen – mit mehr Investitionen in Erneuerbare und einer wirklichen Unterstützung afrikanischer Länder für eine gerechte Transformation.

Anstatt dem globalen Süden vorzuschreiben "Ihr dürft dieses und jenes nicht", muss der globale Norden gerade Länder, die von fossilen Energien abhängig sind, wie Venezuela oder Nigeria, dabei unterstützen, einen gerechten Wandel zu schaffen.

Es ist kein gerechter Wandel, wenn Tausende Menschen aus dem afrikanischen Kohlesektor ihren Job verlieren. Ihr könnt uns nicht sagen, dass Emissionssenkungen die absolute Priorität haben müssen, während Afrika nur vier Prozent zu den weltweiten Emissionen beigetragen hat.

Um Himmels willen, in Ländern wie Kongo oder der Zentralafrikanischen Republik gibt es fast nur Wälder. Welche Emissionen sollen da noch reduziert werden?

Im Vergleich zu vergangenen Klimakonferenzen gibt es hier in Dubai kaum Proteste, und wenn, dann nur auf dem offiziellen Gelände der Konferenz. Was bedeutet das für die verletzlichsten Gemeinschaften?

Diejenigen, die in den Verhandlungsräumen sitzen, sprechen nicht für alle. Deshalb sind Proteste so wichtig. Aktivist:innen erzählen dort ihre Geschichten und zeigen der Welt, wie drängend das Problem ist.

In den Verhandlungsräumen wirst du nie die indigenen Stimmen zum Beispiel aus Brasilien oder Mexiko hören. Aber wenn Aktivist:innen vor Ort sind, können Medien ihre Geschichten aufgreifen und in die Welt tragen.

Die Aktivist:innen sind die Stimme derer, die keine Stimme haben, und die Hoffnung der Gemeinschaften, die sie verlassen haben. Doch auf diesem Klimagipfel wurden sie ihrer Stimme beraubt.

 

Was sind Ihre Forderungen an Länder wie Deutschland?

Endlich mit dieser Doppelmoral aufzuhören. Ihr könnt nicht von uns einen Wandel fordern, den ihr selbst untergrabt.

Das Leid der Menschen in Afrika basiert auch auf neoliberalen und neokolonialen Mustern. Wir können über die Schnittblumen aus Kenia reden, die von Frauen unter schlechten Bedingungen produziert und dann als niederländische Blumen angeboten werden.

COP 28 in Dubai

Bei der 28. UN-Klimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten geht es um ein verbindliches Ausstiegsdatum aus den fossilen Energien. Klimareporter° ist mit einem Team vor Ort und berichtet mehrmals täglich.

Oder über die Frauen in Tunesien, die unter schweren Bedingungen Oliven anbauen, die dann als feines Olivenöl aus Italien verkauft werden. Nur zwei Beispiele für die Doppelmoral, die aufhören muss.

So viele Länder in Afrika leiden schon so lange unter Krieg, und all das wird befeuert durch Neokolonialismus. Damit muss der globale Norden aufhören.

Afrikanische Länder brauchen Selbstbestimmung. Afrikanische Probleme erfordern afrikanische Lösungen.