Garzweiler
Statt Kohlekraftwerke schneller abzuschalten, werden sie wieder hochgefahren – Deutschland macht es vor. (Foto: Bert Kaufmann/​Flickr)

Das ist eine der schlechtesten Klimanachrichten der letzten Zeit. Laut dem heute veröffentlichen Bericht zum Global Carbon Budget 2022 wird dieses Jahr einen neuen Höchststand bei den CO2-Emissionen aus der Kohleverbrennung bringen.

Der Kohletrend ist selbst für Mitautorin Judith Hauck vom Alfred-Wegener-Institut eine Überraschung. "Lange Zeit war man davon ausgegangen, dass wir den 'Peak Kohle' schon überschritten hätten", erklärte Hauck bei der Vorstellung der Zahlen. Der Bericht wurde von mehr als 100 Forschern aus 18 Ländern erarbeitet.

Insgesamt werden die fossilen CO2-Emissionen in diesem Jahr weltweit bei etwa 36,6 Milliarden Tonnen liegen. Zusammen mit den 3,9 Milliarden Tonnen Treibhausgasen aus der Landnutzung – unter anderem aus trockengelegten Mooren – erreichen die Gesamtemissionen rund 40,6 Milliarden Tonnen. Budgetiert werden hier wirklich nur die "reinen" CO2-Emissionen und keine anderen Treibhausgase.

Haupttreiber ist – neben der Kohle – auch eine steigende Ölverbrennung. Diese wiederum hat ihren Grund im Wiedererstarken des Flugverkehrs nach dem Ende der Pandemie.

Bleibt es bei den errechneten Mengen bis Jahresende, steigen die globalen CO2-Emissionen 2022 um etwa ein Prozent gegenüber dem Vorjahr, aber auch gegenüber 2019, dem Jahr vor der Pandemie.

Das Jahr 2002 steht damit für die zweithöchsten Treibhausgasemissionen in der Geschichte der Menschheit, wie Mitautorin Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) erklärte.

Wie in der Klimapolitik inzwischen üblich, gibt es neben der schlechten auch eine verkappt gute Nachricht. Das Emissionsplus von "nur" einem Prozent bedeutet auch, dass sich gegenüber der 2000er Dekade der Anstieg der Emissionen verlangsamte. In dem Zeitraum hatten der jährliche Anstieg bei drei Prozent gelegen.

In der folgenden Dekade von 2010 bis 2020 waren es allerdings nur noch 0,5 Prozent gewesen. Gemessen daran bedeutet das eine Prozent jetzt wiederum einen deutlichen Anstieg.

"Wir stecken immer noch im fossilen Zeitalter fest"

Der Bericht zum Global Carbon Budget erfasst auch den Verbleib der anthropogenen Emissionen. Zum Glück für die Menschheit nehmen die beiden natürlichen Senken Ozeane und Wälder weiterhin große Mengen CO2 auf.

Für 2022 schätzt das Forschungsteam die CO2-Aufnahme der Meere auf 10,5 Milliarden Tonnen, die auf dem Land auf 12,4 Milliarden Tonnen. Diese natürlichen Senken nehmen damit weiterhin 26 beziehungsweise 29 Prozent des menschengemachten CO2 auf. Die verbleibende knappe Hälfte lässt die atmosphärische CO2-Konzentration weiter steigen – und heizt den Planeten auf.

Um das 1,5-Grad-Limit aus dem Pariser Klimavertrag wenigstens mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit einzuhalten, darf nach den Angaben der Forscher die Menschheit nur noch insgesamt 380 Milliarden Tonnen CO2 emittieren.

Soll dieses Budget nicht in den nächsten neun Jahren aufgebracht sein, müssten die Emissionen jetzt in jedem Jahr um etwa 1,4 Milliarden Tonnen sinken. "Das ist so viel, wie wir im ersten Jahr des Covid-Lockdowns an Einsparung hatten", beschreibt Pongratz die immense Aufgabe.

Zudem darf sich die Menschheit künftig nicht weiter darauf verlassen, dass die Senken fast die Hälfte des anthropogenen CO2 vorerst wegpuffern. Denn der Klimawandel beeinträchtigt auch bereits die Senkenwirkung, erläuterte Pongratz. So ist die diesbezügliche Leistung der Ozeane schon um vier Prozent zurückgegangen, die der Landsenken – der Wälder vor allem – sogar um 17 Prozent.

Für Jan Minx vom Mercator-Klimaforschungsinstitut MCC in Berlin sind die neuen Zahlen schockierend. "Wir stecken noch immer im fossilen Zeitalter fest", stellt er fest.

Besonders besorgt sei er wegen der Kohle. In allen Klimaberechnungen, die das 1,5-Grad-Ziel modellieren, sei bis 2030 der weitgehende Kohleausstieg als starkes Signal eingebaut, betont Minx. "Das ist das Einfache, aber auch beim Einfachen ist jetzt die Nachricht, dass wir das Zeitalter der Kohle noch nicht verlassen haben."

Anzeige