Aschgraue, verbrannte Hausreste und Autos an einer Straße nach dem mega-Waldbrand im Dezember 2017 in Kalifornien.
Zerstörte Siedlung nach dem größten Waldbrand in der Geschichte Kaliforniens, dem "Thomas Fire"  vor vier Jahren. (Foto: Joseph Sohm/​Shutterstock)

"Waldbrände in Colorado: Hunderte Häuser zerstört" (FAZ), "Tauende Permafrostböden gefährden Erdgasversorgung" (Spiegel), "Mehrere Tote nach heftigen Überschwemmungen in Südafrika" (Reuters) – drei Schlagzeilen über die Folgen des Klimawandels, die allein in den ersten Januarwochen durch die Medien gingen. 2022 knüpfte damit nahtlos an die Hiobsbotschaften an, die auch schon in den Vorjahren mit zunehmender Frequenz und Eindringlichkeit auf die Menschen eingeprasselt sind. Ob Gletscherschmelze, Korallensterben, verdorrende Steppen, sturmverwüstete Wälder oder von Fluten überspülte Wohnsiedlungen – die Bilder und Berichte von einer zunehmend klimagestressten Welt werden immer verstörender.

"Inzwischen ist offensichtlich, dass wir uns bereits mitten in einer globalen Krise befinden", sagt Andreas Meißner. Der Münchner Psychiater und Psychotherapeut befasst sich seit Langem mit den Wechselwirkungen zwischen Klimageschehen und menschlicher Seelenlage. Seiner Erfahrung nach nehmen die unterschwellige Bedrohung auch Menschen wahr, die noch nicht direkt von den Auswirkungen der globalen Erwärmung betroffen sind. Internationale Erhebungen zum Umweltbewusstsein bestätigen das. "In der Bevölkerung macht sich ein diffuses Unbehagen breit", hat Meißner festgestellt.

Doch wie mit diesem Gefühl umgehen? Lange Zeit gab es auf diese Frage im Wesentlichen zwei Arten von Antworten: Die eine bestand darin aufzurütteln, nach der Devise: "Es ist fünf vor zwölf, wir müssen etwas tun!" Die andere verlegte sich aufs Beschwichtigen: "Bitte keine Schwarzmalerei, wird schon nicht so schlimm werden." Zu den beiden eingeübten Reaktionsmustern ist neuerdings jedoch noch ein weiteres hinzugekommen: die Resignation.

Zu den prominentesten Vertretern dieser Denkrichtung gehört der amerikanische Autor Jonathan Franzen, weltbekannt durch Bestseller wie den mehrfach ausgezeichneten Roman "Die Korrekturen". "Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen? Gestehen wir uns ein, dass wir die Klimakrise nicht verhindern können", so der Titel eines Essays, den Franzen 2019 im US-Magazin New Yorker veröffentlichte und der inzwischen in Buchform auch auf Deutsch erschienen ist.

Die Notwendigkeit, den weltweiten CO2-Ausstoß zu begrenzen, sei seit dreißig Jahren bekannt, dennoch habe sich die internationale Staatengemeinschaft dem Ziel letztlich keinen Schritt angenähert, argumentiert Franzen in seinem Text. Das Ruder nun plötzlich herumzureißen und "drakonische Naturschutzmaßnahmen" zu ergreifen, sei eine "Herkulesaufgabe".

Und die traut der Schriftsteller der Weltgemeinschaft nicht zu. Der Mensch neige nun mal zu Bequemlichkeit, Eigennutz und Besitzstandswahrung, schreibt Franzen. Und "ich glaube nicht, dass sich die menschliche Natur in absehbarer Zeit grundsätzlich ändern wird".

"Noch 20 Jahre bis zum Ende"

Für seine Thesen musste Franzen viel Kritik einstecken, vor allem vonseiten der Klimaforschung. Der bekennende Umweltfreund und Hobbyornithologe ist jedoch keinesfalls der radikalste Fürsprecher einer Neubewertung der Klimakrise. Noch wesentlich zugespitzter sieht der britische Nachhaltigkeitsexperte Jem Bendell die Lage. Während eines Freisemesters verfasste der Professor von der Londoner University of Cumbria 2018 einen "Wegweiser, um uns durch die Klimakatastrophe zu führen".

In dem 27-seitigen Konzeptpapier zur "Tiefenanpassung" ("Deep Adaptation") geht Bendell davon aus, dass der klimagetriggerte Zusammenbruch unserer Gesellschaft nicht nur unvermeidlich ist, sondern unmittelbar bevorsteht, mit großer Wahrscheinlichkeit schon in den nächsten zwanzig Jahren. Das "disruptive und unkontrollierbare Ausmaß des Klimawandels" könne "unsere Verhaltensnormen – was wir unsere Zivilisation nennen – unter Druck bringen", warnt er.

Was dann auf die Menschheit zukommt, steht für ihn fest: "Hunger, Zerstörung, Migration, Krankheit und Krieg", schlimmstenfalls sogar die "vollkommene Auslöschung". Es sei an der Zeit, so Bendell, aus diesem kaum mehr abwendbaren Zukunftsverlauf "Konsequenzen zu ziehen".

Obwohl der Sozialwissenschaftler den Aufsatz nur auf seiner Homepage und nicht in einem anerkannten Forschungsjournal publiziert hat – das angefragte Magazin verlangte von Bendell grundlegende Nachbesserungen, die er nicht vornehmen wollte –, fand das Papier erstaunlich große Verbreitung. Mittlerweile verzeichnet die Internetseite mehr als eine Million Klicks.

Vielen Mitgliedern der Klimaaktivistengruppe Extinction Rebellion gilt Bendell als visionärer Vordenker, sein Deep-Adaptation-Konzept ist zu einer regelrechten Bewegung geworden mit tausenden Anhängern in aller Welt, die sich in einer Vielzahl von Online-Foren und Selbsthilfegruppen über die richtige Vorbereitung auf das nahende Ende austauschen; in mehreren Städten wurden zu diesem Zweck obendrein "Death Cafes" eröffnet.

Den kurz bevorstehenden umweltbedingten Untergang zu beschwören ist zwar keine ganz neue Idee. Die Wissenschaft hat dafür sogar ein eigenes Fachwort gefunden: Kollapsologie. Der Begriff stammt aus Frankreich und bezieht sich ursprünglich auf Theorien, wonach der Niedergang moderner Industriegesellschaften nach ihrer Blütezeit nicht linear, sondern stark beschleunigt vonstattengehen kann – ähnlich wie es der US-Anthropologe Jared Diamond in seinem Buch "Kollaps" auch für den Zusammenbruch früherer Hochkulturen wie der Maya rekonstruiert hat.

Bislang war der Glaube an die Unvermeidbarkeit eines sozialen Kollapses jedoch lediglich ein Randphänomen, weitgehend beschränkt auf Außenseiterkreise wie die Prepperszene, deren Mitglieder sich seit Jahren mit dem Bunkern aller möglichen lebensnotwendigen Vorräte für die Apokalypse rüsten.

Mit fortschreitender Erderwärmung ändert sich das aber offenbar. Bei einer Internetumfrage des Analyseportals Yougov mit 32.000 Teilnehmern aus 28 Ländern gaben im Herbst 2019 immerhin 14 Prozent der Deutschen an, es sei zu spät, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels noch zu verhindern. Fast ebenso pessimistisch äußerten sich Norweger, Dänen, Briten und Italiener, die Franzosen waren mit 20 Prozent Skeptikern noch negativer eingestellt. Franzen und Bendell scheinen demnach mit ihren Thesen einen Nerv getroffen zu haben.

Faktenlage: Das Schicksal der Welt ist offen

Wissenschaftlich erwiesen ist das propagierte Desaster allerdings nicht. In ihrer Begründung für die hohe Risikowahrscheinlichkeit berufen sich die Verfechter der Untergangshypothese meist auf die Existenz gefährlicher Kipppunkte im Klimasystem. Gemeint sind damit Schwellenwerte für bestimmte Veränderungen unseres Planeten, nach deren Überschreiten es kein Zurück mehr in den Ausgangszustand gibt.

Jem Bendell nennt in seinem Aufsatz etwa die mögliche Freisetzung großer Mengen des besonders klimaaktiven Treibhausgases Methan aus den auftauenden Permafrostböden und den wärmer werdenden Ozeanen als einen Kipppunkt, der zu einem rasanten Temperaturanstieg "von mehr als fünf Grad innerhalb weniger Jahre" führen könne.

Tatsächlich vermuten Paläontologen, dass das größte Massensterben der Erdgeschichte vor rund 250 Millionen Jahren – damals verschwanden 90 Prozent aller irdischen Arten – auf den Austritt von Methan aus Permafrostböden zurückzuführen ist. Die Klimaforschung sieht jedoch bisher keine schlüssigen Anzeichen für die baldige Wiederholung einer derartigen Katastrophe.

Es gibt "keine Hinweise darauf, dass die prognostizierte Erwärmung zu einem solchen Ereignis führen könnte", schreibt beispielsweise der Direktor des Earth System Science Center an der Pennsylvania State University, Michael Mann, in seinem jüngst erschienen Buch "Propagandaschlacht ums Klima". Für den Atmosphärenwissenschaftler sind die drastischen Untergangserzählungen von Jem Bendell und seinen Kollegen keine wissenschaftlich ernstzunehmende Literatur, sondern "Klimaendzeitpornografie", die sich vor allem "sehr gut verkauft".

"Aus keinem Bericht des Weltklimarats lässt sich ableiten, dass wir die Erderwärmung nicht mehr deutlich unter zwei Grad halten können", wendet auch Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ein. Zweifellos zeige der Klimawandel bereits erschreckende Wirkung, die globale Temperatur habe sich um 1,2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter erhöht, der Meeresspiegel steige derzeit um durchschnittlich vier Zentimeter pro Dekade. Und dieser Trend werde sich mit Sicherheit noch Jahrzehnte fortsetzen, erläutert der Professor für Ozeanphysik.

Es deute zudem einiges darauf hin, dass das Erdgefüge manche Kipppunkte schon passiert habe, so sei vermutlich der westantarktische Meereisschild inzwischen unumkehrbar destabilisiert. "Aber das heißt nicht, dass deshalb das ganze System außer Kontrolle gerät und unsere Welt demnächst komplett aus den Fugen bricht", betont Rahmstorf.

Der Wandel sei eine schleichende Entwicklung, die sich in verschiedenen Erdregionen recht unterschiedlich vollziehe. Das "Weltuntergangsgehabe" geht daher aus Rahmstorfs Sicht "völlig am Problem vorbei". Es schüre Lethargie und sei "keine erwachsene und verantwortungsvolle Haltung" gegenüber der aufziehenden Krise.

Was also wäre eine bessere Herangehensweise? Gibt es Wege, die aufkeimende Verzweiflung in konstruktivere Bahnen zu lenken und so zumindest ein Stück Hoffnung zu bewahren – auch wenn die Zeichen vielleicht schlecht stehen?

"Eine Chance zu fragen, wie wir leben wollen"

"Wichtig ist zunächst, sich dem Problem zu öffnen, es nicht einfach zu verleugnen oder zu verdrängen", sagt Andreas Meißner. Der Psychiater hat ein Buch darüber geschrieben, wie Menschen "in der Ökokrise Orientierung" finden können. Das Rezept sei ähnlich wie bei einem psychischen Trauerprozess um einen Verstorbenen. Erst müsse man sich dem Schmerz stellen. Verzweiflung, Angst und Wut seien dann eine durchaus normale Reaktion, aus der schließlich eine Art Akzeptanz der Situation erwachsen könne, die Kraft verleiht, das Beste aus den Umständen zu machen.

Im Falle des Klimaproblems bedeutet das etwa, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern die Initiative zu ergreifen und zum Beispiel seine Alltagsabläufe umweltgerechter zu gestalten: das Auto öfter mal stehen zu lassen, weniger Fleisch zu essen oder aufs Fliegen zu verzichten. "Das ist wesentlich gewinnbringender für das eigene psychische Wohlbefinden und für das Weltklima, als ständig über den Doomsday nachzugrübeln", sagt Meißner.

Zumal die Fixierung auf den Weltuntergang auch als Ausflucht dienen kann. Zum einen, um sich weniger mit den privaten Lebensschwierigkeiten beschäftigen zu müssen. Zum anderen, um angesichts der eher verwirrenden Vielfalt an Klimadaten-Analysen, Computerszenarien und CO2-Statistiken eine gewisse Sicherheit zurückzuerlangen.

"Der Klimawandel ist ein extrem komplexes Problem, dessen Ausgang niemand kennt", sagt Myriam Bechtoldt, Psychologieprofessorin an der privaten Wirtschaftsuniversität EBS in Oestrich-Winkel bei Mainz. Da sei es psychologisch nachvollziehbar, sich an einen Kollaps als vermeintlich feststehende Tatsache zu klammern. "Wenn man die Zukunft so genau vorhersagt, hat man zumindest den Eindruck, vorbereitet zu sein, und das gibt einem ein Gefühl von Kontrolle zurück", erläutert die Wissenschaftlerin. Das sei allerdings eine sehr "fatalistische" Strategie.

Für zielführender hält Bechtoldt einen lösungsorientierten Kontrollansatz. Der Fakt, dass die beginnende Erdüberhitzung – anders als etwa ein Asteroideneinschlag – menschengemacht ist, hat für sie auch etwas "Hoffnungstiftendes": "Wenn wir die Ursache des Umbruchs sind, folgt daraus im Umkehrschluss, dass es in unserer Hand liegt, den Prozess aufzuhalten und die Welt zum Besseren zu verändern."

In der Bedrohung liegt somit womöglich auch eine Chance. In Anbetracht der existenziellen Gefahr könnte die Menschheit innehalten und sich überlegen, was ihr letztlich wirklich wichtig ist. Wie viel Energie und Ressourcen sind für ein auskömmliches Leben nötig? Welche Innovationen wollen wir? Was brauchen wir unbedingt zum Glücklichsein? Und was kann weg?

"Die Klimakrise ist ein guter Anlass, grundlegend neu zu definieren, in welcher Welt wir künftig eigentlich gerne leben würden", sagt Bechtoldt. Das Schreckensszenario könnte so zu einer mächtigen Gestaltungstriebfeder werden. Ein Gedanke, den auch Jem Bendell den Lesern seines Deep-Adaptation-Aufsatzes als kleinen Hoffnungsschimmer mit auf den Weg gibt.

"Menschen sind nicht nur faul und egoistisch"

Klar ist schließlich, dass eine Kehrtwende hin zu konsequenterem Klimaschutz nicht nur Verzicht und Einschränkung bedeutet, sondern zahlreiche Verbesserungen der Lebensqualität mit sich bringen kann. "Wenn der Verkehr in den Städten abnimmt, wenn es mehr grüne Naherholungsflächen gibt, wenn die Luft sauberer wird und die Wasserqualität steigt, dann spüren wir das alle als etwas Gutes", sagt Laura Nagel vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung IASS Potsdam.

Statt stets nur über kommende Verschlechterungen zu sprechen, sollte man diesen Aspekt ihrer Meinung nach deutlicher in den Vordergrund rücken. Im Rahmen des Projekts Cobenefits" befasst sich die Kommunikationsexpertin mit den Vorteilen, die mit der weltweiten Energiewende einhergehen.

Ihren Untersuchungen zufolge lassen sich viele Klimaschutzmaßnahmen mit Werten verbinden, die den Menschen am Herzen liegen. Den nachdrücklichen Hinweis des US-Autors Jonathan Franzen auf die Unzulänglichkeiten des menschlichen Charakters hält sie für zu einseitig. "Unsere Spezies ist nicht nur faul, gierig und egoistisch. Gerechtigkeit, Solidarität, Erhalt der Natur oder das Wohlergehen anderer sind für uns mindestens ebenso entscheidende Handlungsmotive", sagt Nagel. Und Klimaschutz stehe für diese Werte.

"Der Mensch will nicht bloß materiell Erfolg haben, er möchte sich auch persönlich weiterentwickeln, etwas Sinnvolles tun", glaubt auch Myriam Bechtoldt. Als Suche nach "Selbsttranszendenz" bezeichnen Psychologen dieses Bestreben. In vielen Religionen gelte Hoffnung daher als eine Tugend, so Bechtoldt: "Selbst wenn morgen die Welt untergeht, pflanze ich heute noch ein Apfelbäumchen, einfach weil ich glaube, dass es richtig ist."

Nach Ansicht der Psychologieprofessorin ist eine solche Haltung nicht nur heilsam für die eigene Seele, sie hat auch einen merklichen Effekt. Natürlich sei eine einzelne Person nicht imstande, den Planeten zu retten. "Aber jeder, der denkt, er allein könne gar nichts ausrichten, erinnere sich daran, wie nachhaltig uns eine einzige kleine Mücke, die nachts in unserem Zimmer herumsurrt, um den Schlaf bringen kann", sagt Bechtoldt.

Für noch wirkungsvoller, als Einzelinitiative zu zeigen, hält sie es allerdings, sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen, um gemeinsam strukturelle Verbesserungen in Wirtschaft und Politik durchzusetzen, zum Beispiel strengere CO2-Abgasnormen oder höhere Recyclingquoten. "Zu wissen, andere teilen meine Ängste, aber auch meine Ziele, gibt mir Rückhalt", sagt Bechtoldt.

Die Spezialistin für Arbeitspsychologie engagiert sich deshalb seit einiger Zeit ehrenamtlich bei den Psychologists for Future, einem europaweiten Netzwerk von Psychologinnen und Psychotherapeuten, das sich in Solidarität mit der Jugendbewegung Fridays for Future gegründet hat und mit seinem Fachwissen zur Bewältigung der Klimakrise beitragen möchte, ähnlich wie etwa auch die Scientists oder die Architects for Future.

"Es ist ermutigend, wie intensiv die For-Future-Gruppen in Öffentlichkeit und Medien wahrgenommen werden, und wie aufmerksam die Politik unsere Forderungen registriert", sagt Bechtoldt. Eine so breite "Selbstwirksamkeit" zu erleben helfe, die Frustphasen besser zu überstehen, die der quälend langsame Fortschritt beim Kampf gegen den Klimawandel auch bei ihr zeitweilig auslöse.

Funktionierende Demokratien als bester Schutz

Wobei unter Experten Einigkeit herrscht, dass dieser Kampf neben der Abwehr einer weiteren ungebremsten Erwärmung auch Anpassungsstrategien umfassen muss. Entscheidend sind dabei nicht nur technische Tricks, um etwa Obstplantagen für längere Dürreperioden zu wappnen oder die Küsten gegen das wachsende Flutrisiko zu sichern. Mindestens ebenso dringend gilt es, gesellschaftliche Strukturen katastrophenresistenter zu machen.

Bei seiner Forschung zu den Kollapsursachen vergangener Kulturen hat der Anthropologe Jared Diamond festgestellt, dass die Widerstandskraft gegen den Zusammenbruch zumeist so lange hinreichend hoch war, wie Zusammenhalt und Ordnung einer Gesellschaft stabil blieben.

"Unsere beste Verteidigung" gegen dystopische Zustände mit gewaltigen klimaforcierten Flüchtlingsströmen und heftigen Ressourcenkriegen bestehe in "der Bewahrung funktionierender Demokratien, Rechtssysteme und Gemeinschaften", schreibt denn auch Jonathan Franzen in seinem Essay. "Wir müssen auf allen Ebenen – technisch, politisch und psychologisch – Resilienzen entwickeln", fasst Andreas Meißner die Krisenagenda zusammen.

Das werde sicher nicht leicht und berge immer auch die Möglichkeit des Scheiterns. Doch die Aufgabe hat nach Einschätzung des Münchner Psychiaters mehr Schattierungen als nur Schwarz-Weiß: Es geht nicht um Erhalt des Status quo oder vollständige Auslöschung der Menschheit, sondern um Schadensbegrenzung. Jedes Zehntelgrad Erderwärmung, das sich verhindern lässt, zählt dabei.

Er sei überzeugt, dass es auch in hundert oder zweihundert Jahren noch Menschen auf der Erde geben werde. Und wenn man diesen Kinder- und Enkelgenerationen eine lebenswerte Zukunft bewahren wolle, dürfe man sich jetzt nicht "irgendwo mit Wasservorräten und Lebensmitteln vergraben und auf den Kollaps warten", resümiert Meißner. "Das Schlechteste, was wir machen können, ist, den Planeten schon als tot zu beweinen, solange noch so viel zu retten ist."

Interview mit Klimaforscher Stefan Rahmstorf: "Man muss den Menschen die Wahrheit erzählen"

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