"Fridays for Future"-Demonstration am 1. März in Hamburg. (Foto: Malte Hübner/​Wikimedia Commons)

Klimareporter°: Frau Praetorius, morgen wird die Erklärung der "Scientists for Future", die die Schülerstreiks von "Fridays for Future" unterstützt, in Berlin offiziell vorgestellt. Sie haben die Erklärung mitunterzeichnet. Warum?

Barbara Praetorius: Ich habe unterschrieben, weil ich es für ein berechtigtes Anliegen halte, dass die Jugend sich für ihre eigene Zukunft engagiert. Sie sind die eigentlich Betroffenen vom Klimawandel und von nicht vollzogenem Klimaschutz. Die jungen Leute wissen, worum es geht: Ihre eigene Zukunft ist in Gefahr, wenn der Planet sich ungehindert erhitzt.

Warum sollen gerade Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Schülerinnen und Schülern zur Seite stehen?

Zurzeit hat man mal wieder den Eindruck, dass die Schüler in ihrem Anliegen diskreditiert werden, und das mit Begründungen, die an die wissenschaftlichen Grundlagen gehen.

Die Wissenschaftler sagen an dieser Stelle ganz klar: Es gibt grundlegend und weltweit einen Konsens darüber, dass es einen durch Menschen verursachten Klimawandel gibt. Wir wissen auch, wie wir dazu beitragen können, dass der Klimawandel nicht extrem ausfällt.

Wir halten es für ein wichtiges Anliegen, den Schülern den Rücken zu stärken und zu sagen: Ihr fordert zu Recht, dass die Gesellschaft sich schnellstmöglich an den Kriterien der Nachhaltigkeit ausrichten soll.

Es werden also nicht nur die jungen Leute, sondern auch wissenschaftliche Erkenntnisse diskreditiert?

Es gibt viele Stimmen, die sagen, dass der Klimawandel vielleicht doch nicht menschengemacht ist. Es gibt vor allem aber auch diejenigen, die sagen, Deutschland hat nur einen so kleinen Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen, dass es überhaupt keinen Sinn macht, sich hierzulande dafür einzusetzen.

Das sagen wir Wissenschaftler ganz klar: Deutschland muss da auch voranschreiten und ein Signal an die Welt senden, dass Klimaschutz notwendig und machbar und vereinbar ist mit einem starken Industriestandort.

"Fridays for Future" kritisiert die Ergebnisse der sogenannten Kohlekommission, deren Ko-Vorsitzende Sie waren. Die Kritik lautet vor allem, dass ein Kohleausstieg bis 2038 zu spät ist. Haben die Schüler recht?

Barbara Praetorius
Foto: Detlef Eden

Zur Person

Barbara Praetorius ist Professorin für Nachhaltigkeit, Umwelt- und Energieökonomie- und -politik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Zuvor war sie bis März 2017 stellvertretende Direktorin bei der Denkfabrik Agora Energiewende. Sie war eine der vier Vorsitzenden der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung ("Kohlekommission").

Auch ich halte das Enddatum 2038 für nicht befriedigend. Aber die Kommission hat ja auch gesagt, dass wir uns spätestens im Jahr 2032 genau anschauen müssen, ob es nicht doch möglich ist, schon bis 2035 aus der Kohle auszusteigen.

"Fridays for Future" hat sein Anliegen ja auch bei der letzten Sitzung in der Kommission nochmal zum Ausdruck gebracht. Ich habe auch da schon gesagt, dass es jetzt darauf ankommt, einen starken Einstieg in den Kohleausstieg hinzubekommen. Ich finde nach wie vor, dass das gelungen ist, bin aber auch der Überzeugung, dass wir auf das Jahr 2035 für den Kohleausstieg zielen müssen, um einen ausreichend frühzeitigen Klimaschutzeffekt zu bekommen.

Nun hat die Kohlekommission ihre Ergebnisse gerade vorgelegt, sie sollen nun in Gesetze gefasst werden. Kann die Fridays-for-Future-Bewegung jetzt politisch überhaupt noch etwas erreichen?

Es ist wichtig, dass diejenigen, die in erster Linie vom Klimawandel betroffen sind, auf sich aufmerksam machen. Das, und die Breite der Bewegung sind beeindruckend – es ist eine weltweite Bewegung geworden.

Das ist ein wichtiges Signal an die heutigen Macher, Politiker, zu sagen: Ihr habt euch die Zukunft von uns geliehen. Ihr müsst jetzt Verantwortung übernehmen, damit wir in Zukunft noch ein gutes Leben haben können. Ich glaube, das wird jetzt langsam auch gehört.

Die Schüler haben da also auch als junge Wähler oder zukünftige Wähler etwas zu sagen?

Ja. Das sind auch die Wähler von heute und morgen. Die Politik tut gut daran, die berechtigten Anliegen dieser nachwachsenden Wählergeneration ernst zu nehmen. Auch immer vor dem Hintergrund, dass das Ganze vor allem ein Chancenprogramm ist. Das wird viel zu wenig gesehen. Die Energiewende ist ein Modernisierungsprogramm auch für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft. Es gibt schon heute mehr Jobs in den erneuerbaren Energien als in der Kohleverstromung.

Das sind Perspektiven, die sich der Jugend bieten, deshalb muss man diese Chancen wieder mehr in den Vordergrund stellen. Es ist vollkommen sinnvoll für die jungen Menschen, sich für etwas einzusetzen, was zukunftsfähig ist, und nicht für etwas, was in der Vergangenheit liegt.

Es gibt viel Kritik an der Fridays-for-Future-Bewegung. Von der Diskussion um die Schulpflicht über die Kritik an Flugreisen der Aktivistin Luisa Neubauer bis zur jüngsten Aussage vom FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, Klimaschutz sei eine "Sache für Profis". Wie sehen Sie diese Vorwürfe?

Ich finde diese Versuche, die Bewegung zu diskreditieren, absurd. Es geht um nichts weniger als die Zukunft dieser jungen Menschen. Es geht darum, dass die Politik endlich Rahmenbedingungen schafft und Signale setzt, damit diese Zukunft auch für sie noch lebenswert ist.

Natürlich können die jungen Leute noch keine Wissenschaftler sein, das werden sie erst werden. "Scientists for Future" unterstützt diese Jugendbewegung, um zu zeigen, sie haben recht. Die Profis sagen auch, dass wir dringend wirklichen Klimaschutz betreiben müssen.

Ergänzung am 12. März: 12.000 Wissenschaftler stellen sich hinter "Fridays for Future"

Anzeige