Olivenbäumchen in Reih und Glied bis zum Horizont.
Oliven-Monokultur in Südeuropa: In keiner Weise auf den Klimawandel vorbereitet. (Bild: KRA)

Europa hat im vergangenen Jahr eine beispiellose Serie von Waldbränden und Überschwemmungen erlebt. Besonders betroffen war die Mittelmeerregion.

Deutschland verzeichnete in den Jahren 2018 bis 2020 eine historische Trockenheit und Mitte 2021 Rekordniederschläge in der Region um die Flüsse Ahr und Erft, die Überschwemmungen mit über 180 Toten und rund 40 Milliarden Euro Schäden auslösten.

Laut einem neuen Bericht der Europäischen Umweltagentur EEA muss Europa in Zukunft häufiger mit solchen Ereignissen rechnen. Nötig seien daher "sofortige, entschlossene Maßnahmen", um die Folgen extremer Wetterereignisse beherrschbar zu halten. Die bisher ergriffenen Anpassungsmaßnahmen reichten nicht aus.

Die in Kopenhagen ansässige Umweltagentur hat am Montag die erste "Europäische Klimarisiko-Bewertung" veröffentlicht, die unter anderem auf Daten des Weltklimarates IPCC, des von der EU betriebenen Copernicus-Dienstes zur Überwachung des Klimawandels sowie nationalen Risikobewertungen basiert.

Die Warnungen darin sind eindrücklich. "Die Klimarisiken gefährden die Energie- und Ernährungssicherheit, die Ökosysteme, die Infrastruktur, die Wasserressourcen, die Finanzstabilität und die Gesundheit der Menschen in Europa", schreibt die Agentur. Viele dieser Risiken hätten bereits kritische Niveaus erreicht und drohten katastrophale Ausmaße anzunehmen.

Laut der Agentur ist Europa der Kontinent, der sich weltweit am schnellsten erwärmt. Extreme Hitzewellen, Dürren, Waldbrände und Überschwemmungen, so wie in den vergangenen Jahren erlebt, würden sich hier selbst in den optimistischen Szenarien der globalen Erwärmung verschlimmern "und die Lebensbedingungen auf dem gesamten Kontinent beeinträchtigen".

Schrittweise Anpassung reicht nicht mehr aus

Die Analyse zeigt, dass einige Regionen in Europa "Hotspots" gleich für mehrere Klimarisiken sind. Danach ist Südeuropa besonders gefährdet durch Waldbrände sowie die Auswirkungen von Hitze und Wasserknappheit auf die Agrarproduktion, die Arbeit im Freien und die menschliche Gesundheit.

Tief gelegene Küstenregionen wiederum seien durch Überschwemmungen, Erosion und das Eindringen von Salzwasser ins Grundwasser bedroht, darunter viele Großstädte.

Die jetzt vorgelegte Risikobewertung soll den EU-Ländern helfen, politische Prioritäten für die Anpassung an den Klimawandel und für klimasensible Branchen wie den Gesundheits-, Energie- und Verkehrssektor zu bestimmen.

Daraus gehe hervor, dass die bisher entwickelten Strategien und Anpassungsmaßnahmen nicht mit den "sich rasant verschärfenden Risiken Schritt halten", heißt es bei der EEA. In vielen Fällen werde eine schrittweise Anpassung nicht ausreichen. Da viele Maßnahmen zur Verbesserung der Klimaresilienz viel Zeit zur Umsetzung bräuchten, könne auch bei bisher noch nicht kritischen Risiken ein sofortiges Handeln erforderlich sein.

Die Exekutivdirektorin der Agentur, Leena Ylä-Mononen, sagte: "Um die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaften sicherzustellen, müssen die europäischen und nationalen politischen Verantwortlichen jetzt handeln, damit die Klimarisiken sowohl durch rasche Emissionssenkungen als auch durch entschlossene Anpassungsstrategien und -maßnahmen verringert werden."

Risikofelder von Ökosystemen bis Finanzen

In der EEA-Bewertung werden fünf Felder identifiziert, in denen die Klimarisiken groß sind: Ökosysteme, Nahrungsmittel, Gesundheit, Infrastruktur sowie Wirtschaft und Finanzen.

  • Ökosysteme: Nahezu alle Risiken im Bereich Ökosysteme erfordern dringende oder intensivere Maßnahmen, wobei die Risiken für die Meeres- und Küstenökosysteme als besonders schwerwiegend eingestuft werden. Es existiert ein hohes Potenzial für Kaskadeneffekte auf andere Bereiche wie Ernährung, Gesundheit, Infrastruktur und Wirtschaft.
  • Ernährung: Die Risiken, die durch Hitze und Dürre für den Nutzpflanzenanbau entstehen, sind in Südeuropa bereits auf einem kritisch hohen Niveau, doch auch die Länder Mitteleuropas sind gefährdet. Insbesondere anhaltende und weiträumige Dürren stellen eine erhebliche Bedrohung für die Erträge, die Ernährungssicherheit und die Trinkwasserversorgung dar. Eine Ernährungsumstellung von tierischen Eiweißen hin zu nachhaltig angebauten pflanzlichen Eiweißen würde den Wasserverbrauch in der Landwirtschaft und die Abhängigkeit von importierten Futtermitteln verringern.
  • Gesundheit: Hitze ist das größte und dringendste Klimarisiko für die menschliche Gesundheit. Bestimmte Bevölkerungsgruppen sind besonders gefährdet, etwa Menschen, die im Freien arbeiten, Ältere und Menschen, die in schlecht isolierten Wohnungen oder in städtischen Gebieten mit starkem Wärmeinsel-Effekt leben. Viele Stellschrauben zur Minderung der Klimarisiken, die die Gesundheit bedrohen, liegen außerhalb der traditionellen Bereiche für gesundheitspolitische Maßnahmen, wie in Stadtplanung, Baunormen und Arbeitsrecht.
  • Infrastruktur: Häufigere extreme Wetterereignisse erhöhen die Risiken für bebaute Gebiete und die kritischen Dienstleistungen in Bereichen wie Energie, Wasser und Verkehr in Europa. Während die Hochwasserrisiken an den europäischen Küsten bislang relativ gut bewältigt wurden, können steigende Meeresspiegel und Veränderungen der Sturmmuster verheerende Auswirkungen auf Menschen, Infrastruktur und Wirtschaftstätigkeiten haben. Auch Wohngebäude müssen an die zunehmende Hitze angepasst werden.
  • Wirtschaft und Finanzen: Das europäische Wirtschafts- und Finanzsystem ist mit zahlreichen Klimarisiken konfrontiert. Klimaextreme können so zur Erhöhung von Versicherungsprämien führen, Vermögenswerte und Hypotheken gefährden und höhere Ausgaben und Kreditkosten für den Staat nach sich ziehen. Durch verschärfte Klimaauswirkungen können auch private Versicherungslücken größer und einkommensschwache Haushalte anfälliger werden.

Mehr als die Hälfte der in dem Bericht genannten 36 Hauptrisiken erfordern laut der Agentur eine sofortige Intensivierung der Maßnahmen, wobei acht Risiken besonders dringlich sind: Nötig sei es, Ökosysteme zu erhalten, Menschen sowie Infrastruktur vor Hitze, Waldbränden und Überschwemmungen zu schützen und die Finanzierung europäischer Solidaritätsmechanismen zu sichern, beispielsweise des EU-Solidaritätsfonds, durch den von Natur- oder Gesundheitskatastrophen betroffene Länder unterstützt werden.

"Kein grünes Nischenthema"

Die EEA lobt die EU und ihre Mitgliedsstaaten dafür, dass sie in den letzten Jahren beträchtliche Fortschritte in Bezug auf das Verständnis der Klimarisiken gemacht hätten. In den Ländern würden auch zunehmend politische Strategien zur Anpassung an den Klimawandel entwickelt.

Die Agentur schränkt aber ein: Die Vorsorge sei unzureichend, da die Maßnahmen angesichts des rapiden Anstiegs der Risiken zu langsam greifen würden.

Die Grünen im EU-Parlament fordern als Reaktion auf den Bericht ein Klimaanpassungsgesetz mit einem Investitionsfonds, um Äcker, Gebäude, Brücken und Ökosysteme besser zu schützen. Alte und kranke Menschen, Bauern in Südeuropa und Menschen in Küstenstädten seien bereits in Gefahr, warnte der Abgeordnete Michael Bloss. "Dass Konservative die Klimakrise als grünes Nischenthema betrachten, ist in hohem Maße unverantwortlich."

In Deutschland hat die Bundesregierung bereits 2008 eine Anpassungsstrategie beschlossen, die 16 Handlungsfelder umfasst, darunter Energiewirtschaft und Verkehr, Land- und Forstwirtschaft, Wasserhaushalt, menschliche Gesundheit und Tourismus. Auch die Bundesländer haben entsprechende Konzepte entwickelt.

 

Die jüngste Bewertung des Umweltbundesamtes und des Bundesumweltministeriums vom November 2023 zeigte immerhin, dass im Bereich Hitzeschutz "erste Maßnahmen zur Anpassung an die neuen Klimabedingungen Wirkung zeigen". Insgesamt jedoch müssten "die Bemühungen zur Anpassung an die Folgen der Klimakrise intensiviert werden".

Der Monitoringbericht zeigte, dass Deutschland zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit gehört und dass sich wegen der klimabedingten andauernden Trockenheit der Zustand der Wälder deutlich verschlechtert hat.