Der Glaube an Beton und Verkehr bestimmt noch immer die Stadtplanung – zum Nachteil von Natur und Gesundheit. (Bild: Janar Siniväli/​Shutterstock)

Eine intakte Umwelt ist die Voraussetzung für ein gesundes Leben – das sei die im Grunde einfache Kernbotschaft ihres heutigen Gutachtens, sagte Claudia Hornberg, Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU), am Montag bei der Präsentation. Aus der banal klingenden Botschaft resultierten für den Umweltrat aber klare Handlungsnotwendigkeiten, vor allem wegen der Überschreitung der planetaren Grenzen bei Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Schadstoffbelastung.

Das Gutachten, das am Montag an die Bundesregierung übergeben wurde, macht erneut auf die hohe Zahl umweltbedingter Krankheits- und Todesfälle aufmerksam. Europaweit geht es dabei laut einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO um rund 15 Prozent der insgesamt rund 5,3 Millionen Todesfälle jährlich, also um knapp 800.000.

Gefährdet werde die Gesundheit dabei durch Luftschadstoffe, Lärm, Chemikalien und die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen. Hinzu kommen neue Belastungen, etwa durch die Klimaveränderungen und den Verlust von Biodiversität.

Eine besonders große Bedeutung für die Gesundheit haben laut SRU weiterhin die Luftschadstoffe, insbesondere Feinstaub, darunter auch Ultrafeinstäube, sowie Stickoxide. Obwohl die EU-Grenzwerte in Deutschland inzwischen weitestgehend eingehalten werden, verursachten Feinstaubbelastungen in der Außenluft die höchsten umweltbezogenen Krankheitslasten, so der Rat.

Mehr Fuß- und Radverkehr – weniger Feinstaub

Feinstaub trägt zu Atemwegserkrankungen bei und kann auch andere Organe und Organsysteme wie das Herz-Kreislauf-System beeinträchtigen. Hauptverursacher sind der Verkehr sowie Verbrennungsprozesse in Industrie und Haushalten.

Da die höchsten Belastungen an verkehrsnahen Stellen, meist in Städten, gemessen werden, hält der SRU Maßnahmen speziell im Verkehrssektor für notwendig. "Insbesondere sollten Fuß- und Radverkehr sowie der ÖPNV gestärkt und der motorisierte Verkehr in der Stadt reduziert sowie entschleunigt werden", heißt es im Gutachten.

 

Darüber hinaus empfehle es sich, die europäischen Feinstaubgrenzwerte stärker an die aktuellen WHO-Empfehlungen anzupassen. Der EU-Grenzwert beträgt derzeit 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft für Partikel bis 2,5 Mikrometer, der WHO-Richtwert liegt bei fünf Mikrogramm.

Lobend erwähnt der Umweltrat, dass die Schadstoffbelastung generell seit Jahren abnimmt, besonders bei Stoffen, die bereits seit Längerem reguliert sind, wie Schwermetalle und Polychlorierte Biphenyle (PCB).

Die Einschränkung: "Allerdings werden immer wieder neue Schadstoffe freigesetzt." Und es verdichteten sich die Erkenntnisse, dass viele davon auch aufgrund ihrer schlechten Abbaubarkeit und der Fähigkeit, sich in der Umwelt anzureichern, ein Gesundheitsproblem darstellen können.

Wachsendes Problemfeld Ewigkeitschemikalien

Als Beispiel nennt der SRU die sogenannten Ewigkeitschemikalien, wie die Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) genannt wird. Dabei handelt es sich um mehrere tausend Substanzen, die in Produkten eingesetzt werden, um sie wasser-, schmutz- oder fettabweisend zu machen, darunter wasserdichte Outdoor-Kleidung, Fastfood-Verpackungen, beschichtete Pfannen, Kosmetik oder Flammschutzmittel.

Bei den PFAS spricht sich SRU-Mitglied Wolfgang Köck dafür aus, diese Stoffe stärker nach Gruppen zu beurteilen und für jeden Stoff auch genau herauszufinden, ob sein Einsatz wirklich notwendig ist.

Als zwei weitere wichtige krankmachende Faktoren mit großem Einfluss benennt der Umweltrat den Lärm sowie die mit dem Klimawandel verbundene Zunahme von Extremwetterereignissen wie etwa Hitzewellen.

Die Sachverständigen betonen hier den Gerechtigkeitsaspekt. Oftmals seien gerade die Menschen in sozial benachteiligten Stadtquartieren mehrfachen Umweltbelastungen ausgesetzt, dabei gehe es vor allem um Lärm und Luftschadstoffe, die vom Straßenverkehr stammen.

Negativ wirke hier zudem, dass es in diesen Vierteln auch zu wenig Grünflächen und Gewässer gibt. "Da Menschen ihre Umwelt aber nur begrenzt selbst gesundheitsförderlich gestalten können, ist es Aufgabe der Politik, gesunde und gerechte Umweltbedingungen für alle Menschen zu schaffen", heißt es im Gutachten dazu.

Sozial benachteiligte Quartiere gezielt entlasten

Handlungsbedarf gibt es laut SRU gerade bei der Stadtgestaltung: "Wir benötigen mehr Natur in den Städten, auch um die Wirkungen des Klimawandels abzufedern", rät Wolfgang Köck. Die Kommunen sollten sozial benachteiligte Quartiere gezielt entlasten, hierfür brauche es auch finanzielle Unterstützung durch Bund und Länder.

Köck spricht sich dafür aus, Stadtkörper so zu gestalten, dass sie Hitze besser aufnehmen und abmildern können. Dazu gehöre auch eine Grünraumverordnung, an der sich die Stadtpolitik orientieren könne.

"Wir brauchen nicht nur Bebauungspläne, um Beton hochzuziehen, sondern auch, um Grünräume in den Städten zu vernetzen und hier eine Trendumkehr einzuleiten", betont der Umweltrechtler.

Er weist darauf hin, dass für 70 bis 80 Prozent der Baumaßnahmen in den Städten keine Bebauungsplanungen vorgeschrieben seien. Bei diesem "Anspruch auf Bauen" könne es nicht bleiben. Ebenso dürfe die Eingriffsregelung beim Bauen im Innenstadtbereich, also die vorgeschriebene Schaffung natürlicher Ausgleichsflächen, nicht abgeschafft werden. Köck: "Wir müssen auch hier die Natur in die Stadt bringen."

In seinem Gutachten spricht sich der SRU dafür aus, eine neue Gemeinschaftsaufgabe "Klimaschutz und Klimaanpassung" zu schaffen, damit der Bund die Kommunen bei diesen Aufgaben finanziell unterstützen kann. Das müsse im Grundgesetz verankert werden, fordert Köck.

Das derzeit in der Ressortabstimmung befindliche Klimaanpassungsgesetz sieht eine solche Gemeinschaftsaufgabe nicht vor. In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich die Ampel-Parteien lediglich darauf geeinigt, eine "Verankerung" der gemeinsamen Finanzierung von Bund und Ländern zur Klimavorsorge und Klimaanpassung "anzustreben".