Beim Hochwasser gibt es immer weniger Zuschauerplätze. (Bild: Noverodus/​Pixabay)

Hochwasser-Ereignisse werden häufiger und vor allem auch heftiger. Das sagt die Klimaforschung seit Langem voraus. Die Niederschläge in Deutschland bleiben nach den Prognosen zwar in der Summe gleich, doch sie fallen weniger gleichmäßig – die Sommer werden trockener, die Winter nasser. Die aktuelle Hochwasser-Krise ist ein Beispiel dafür.

Zudem gilt generell, dass eine wärmere Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann, und die muss sie natürlich auch wieder abgeben. Sich besser auf Überflutungen einzustellen, ist also schon lange angezeigt.

Doch es geschieht bisher viel zu wenig. Die Lehre aus dem Hochwasser dieses Winters lautet also: Mehr Vorbeugung und besserer Schutz sind notwendig.

Die Klimaforschung und der Katastrophenschutz fordern schon lange, dass sich flutgefährdete Regionen besser an Hochwasser-Ereignisse anpassen. Wo Kommunen direkt an entsprechende Flüsse und Bäche heranreichen, brauche es mehr und höhere Deiche und die Anlage von Rückhaltebecken, vor allem auch an den Oberläufen.

Zudem müsse die Hochwasser-Vorsorge bei jeglicher Planung berücksichtigt werden. Das Stichwort heißt hier "Schwammstadt". Die Kommunen sollen versiegelte Flächen, wo immer es geht, zurückbauen und mehr Grünflächen anlegen, die Wasser besser aufnehmen und speichern und so die Abflussmengen verringern, die am Ende in den Vorflutern landen.

Kommunen fordern Fluthilfe-Fonds

Die aktuelle Hochwasserkrise macht das zum Allgemeingut. So hat der Städte- und Gemeindebund von Niedersachsen, dem Bundesland, das am stärksten von den Überschwemmungen ist, einen entsprechenden Forderungskatalog aufgestellt: Ertüchtigung und Neubau von Deichen und Rückhaltedämmen im Binnenland, Anschaffung mobiler Hochwasserschutzsysteme, mehr Rückhalteflächen.

Zudem spricht sich der Verband für die Einrichtung eines Fluthilfe-Fonds aus, um Gelder zur Beseitigung der Schäden in den Kommunen zu haben. Und er betont: Da dies nicht aus normalen Haushaltsmitteln zu leisten sei, müsse auch über die Schuldenbremse gesprochen werden.

Ein Aussetzen der Schuldenbremse wegen des Hochwassers haben auch Teile der SPD-Bundestagsfraktion bereits gefordert. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erteilte dem jedoch eine Absage. "Unsere Gesellschaft wird solidarisch sein", sagte er jetzt in einem Interview. "Wer aber ohne den Umfang des Schadens zu kennen, sofort nach neuen Schulden ruft, verkennt den Ernst der Lage."

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich in der Frage bei seinem jüngsten Besuch im Flutgebiet bei dem Thema zurückhaltend. Man werde am Ende "gucken müssen, wie groß die Schäden sind und was das bedeutet, und daraus dann unsere Schlüsse ziehen", sagte Scholz.

Landespolitiker für Elementarschadenversicherung 

Tatsächlich wird sich ganze Ausmaß der Schäden erst zeigen, wenn die Pegelstände der angeschwollenen Flüsse und Bäche wieder auf ein normales Maß gesunken sind. Zwar dürften die Kosten deutlich unter denen der bisher teuersten Hochwasserkatastrophe liegen, die Mitte 2021 Westdeutschland, unter anderem an Ahr und Erft, und mehrere Nachbarländer traf. Die Schäden beliefen sich damals auf rund 46 Milliarden Euro; es war die teuerste Naturkatastrophe in Europa seit Jahrzehnten.

Trotzdem macht auch die aktuelle Flut wieder deutlich, dass Hauseigentümer hierzulande im Schnitt viel zu wenig gegen Hochwasser und Starkregen abgesichert sind. Politiker wie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) fordern daher eine verpflichtende Elementarschadenversicherung, wie es sie etwa in Frankreich oder der Schweiz gibt.

Haseloff sagte, durch die Klimaveränderung würden solche Schadensereignisse sicherlich nicht weniger werden. "Deswegen bleibt die Pflichtversicherung bei Elementarschäden es ein sehr dringendes Thema." Auch sein niedersächsischer Kollege Stephan Weil (SPD) sagte, man müsse dies prüfen.

Keine neue Erkenntnis übrigens. Die Regierungschefs der Bundesländer hatten eine solche Pflichtversicherung vor allem nach der Ahrtal-Flut in der Vergangenheit auf den turnusmäßigen Ministerpräsidentenkonferenzen wiederholt gefordert, bislang ohne Erfolg beim Bund, der das einheitlich regeln müsste. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat sich bisher reserviert gegenüber einer Versicherungspflicht gezeigt.

"Versicherungsdichte" im Norden geringer als im Süden und Osten 

Tatsächlich spricht die Erfahrung für eine solche Pflicht. Trotz häufiger, zum Teil dramatischer Flutereignisse in den vergangenen Jahrzehnten hat bundesweit laut dem Versichererverband DBV nur rund die Hälfte der Hauseigentümer eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen, die auch die Folgen etwa von Hochwasser, Schneedruck oder Erdbeben abdeckt, genau 54 Prozent. Im jetzt besonders betroffenen Niedersachsen sind es sogar nur 32 Prozent.

Generell liegt die "Versicherungsdichte" in Norddeutschland niedriger als im Süden und im Osten. Fachleute vermuten, das liege vermutlich daran, dass die Schäden im Norden bisher im Schnitt geringer waren als im Rest der Republik. "Viele Immobilienbesitzer sind sich der Naturgefahren nicht bewusst, die ihre Häuser bedrohen", sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Mitspielen dürfte hier allerdings auch, dass die Elementarversicherungen im derzeitigen System ziemlich teuer sind – und Versicherer in Hochrisikogebieten teils gar keine Versicherungen mehr anbieten. Eine Pflichtversicherung könnte niedrigere Prämien bedeuten, da das Risiko auf mehr Schultern verteilt wird. Auch ist denkbar, dass der Staat wie in Frankreich als Rückversicherer auftritt und den Versicherungen so einen Teil des Risikos abnimmt.

 

Das Thema noch länger zu verdrängen, ist jedenfalls gefährlich. Die "Hochwasser-Demenz", von der Fachleute ironisch sprechen, sollte überwunden werden. Gemeint ist damit: Kurz nach Ereignissen wie im Ahrtal oder jetzt in Niedersachsen ist das Bewusstsein bei Hauseigentümern hoch, dass sie sich besser absichern müssten. Doch diese Erkenntnis geht schnell wieder vergessen, wenn das Thema aus den Schlagzeilen verschwunden ist.