Ursula von der Leyen redet im EU-Parlament.
Ursula von der Leyen bei ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union: Um Klimaschutz ging es nur am Rande – und dabei vor allem um die Pflichten der anderen Industriestaaten. (Foto: Philippe Buissin/​Europäisches Parlament)

Eigentlich hat die EU in nächster Zeit Großes vor. Sie will zahlreiche Rechtsvorschriften zu Klima, Energie und Verkehr verschärfen. Die geplanten Reformen sind Teil des EU-Klimaplans "Fit for 55".

Der Plan enthält Maßnahmen, mit denen die EU ihr Ziel erreichen will, den Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Auch eine Reihe neuer Vorschläge – wie etwa die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs – sind Teil des Pakets.

Den Abgeordneten des Europäischen Parlaments sowie den Mitarbeiter:innen der EU-Kommission und des Ministerrats stehen also arbeitsreiche Wochen bevor. Doch so weitreichend die Reformen auch sein mögen, so wenig Raum erhielten sie in der Rede zur Lage der Europäischen Union, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute im EU-Parlament hielt.

Zunächst stellte von der Leyen klar: "Der Klimawandel ist menschengemacht. Aber gerade, weil er menschengemacht ist, können wir auch dagegen vorgehen." Die EU sei die erste große Volkswirtschaft, die ihre Klimaziele mit umfassenden Rechtsvorschriften unterlege.

Für Jutta Paulus, EU-Abgeordnete der Grünen, war es eine enttäuschende Rede. "Von der Leyen hat eigene Erfolge größer dargestellt, als sie tatsächlich sind. Auch der 'Green Deal' ist alles andere als sicher", sagte Paulus über den Ende 2019 vorgestellten europäischen Masterplan zum nachhaltigen Umbau.

Vor allem in der christdemokratischen Fraktion, zu der auch die deutschen Unionsparteien gehören, hat Paulus Vorbehalte gegenüber dem Fit-for-55-Paket ausgemacht. "Und was von dem Deal übrig bleibt, wenn der Rat die Vorschläge der Kommission auseinandernimmt, ist fraglich", sagte Paulus mit Blick auf den Ministerrat, in dem die Regierungen der 27 EU-Staaten vertreten sind.

Grüne kritisieren fortgesetzte fossile Subventionen

Am gestrigen Dienstag waren die Vorschläge der Kommission Thema im EU-Parlament. In den kommenden Wochen sollen die zuständigen Parlamentsausschüsse darüber beraten.

Schon jetzt gibt es Kritik an den Plänen, die die Kommission im Juli vorgelegt hatte. Danach sollen beispielsweise fossile Subventionen noch auf Jahre weiterlaufen. Für Kerosin soll es etwa noch bis 2032 Steuervergünstigungen geben.

Aus Sicht der Grünen ist das viel zu spät. Sie wollen die Subventionen spätestens Ende 2025 auslaufen lassen. In einem Brief an die EU-Kommission fordern sie, das Tempo zu erhöhen, etwa beim Ende für die kostenlosen Zertifikate im europäischen Emissionshandel und beim Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor.

Auch bei etlichen Details soll die Kommission nach dem Willen der Grünen eine Schippe drauflegen. "Bei der Effizienzrichtlinie hat die Kommission zwar ein EU-weites Ziel, aber keine verbindlichen Ziele für die Nationalstaaten vorgesehen", nannte Paulus gegenüber Klimareporter° ein Beispiel. Dass die EU-Kommission von vornherein eine defensive Haltung einnehme, weil sie befürchte, Vorgaben nicht durchsetzen zu können, sei der Dringlichkeit der Klimakrise überhaupt nicht angemessen.

Auch von der Leyens Rede wird aus Sicht von Paulus der sich verschärfenden Krise nicht gerecht. "Fünf Minuten hat von der Leyen über die Klimakrise und den Green Deal geredet. Das ist schwach, weil sie zuvor eine Viertelstunde lang über die junge Generation und deren Zukunft geredet hat, aber die Ängste und Sorgen der Jugendlichen nicht ernst nimmt", sagte Paulus.

Laut einer internationalen Studie unter 10.000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die diese Woche veröffentlicht worden ist, haben fast zwei Drittel der jungen Leute wegen des Klimawandels Angst vor der Zukunft.

Etwas mehr für die Nord-Süd-Klimafinanzierung

In der Rede kündigte von der Leyen auch an, dass die EU ihre Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung um vier Milliarden Euro aufstocken will.

Das Geld geht an Entwicklungsländer, die damit Klimaschutz- und zum geringen Teil auch Anpassungsmaßnahmen bezahlen. Derzeit sind es nach EU-Angaben 25 Milliarden jährlich. Allerdings sollen die zusätzlichen vier Milliarden auf die kommenden Jahre bis 2027 aufgeteilt werden – damit bleibt die Aufstockung eher gering.

Eigentlich haben die Industriestaaten versprochen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung zu zahlen. Bisher bleiben die Zusagen aber darunter. Die Entwicklungsländer fordern deshalb eine Aufstockung von den Industriestaaten, die sich bisher aber nicht ausreichend bewegen.

Von der Leyens Ankündigung dürfte deshalb ein kleines Zugeständnis an die Entwicklungsländer vor der geplanten Klimakonferenz im Herbst in Glasgow sein. Wie viele Entwicklungsländer sieht auch von der Leyen vor allem die USA in der Pflicht. "Wir erwarten von den Vereinigten Staaten und unseren Partnern, dass auch sie ihre Zusagen erhöhen", sagte sie heute.

Auch bei den Klimazielen sollen die anderen Industriestaaten aus Sicht von der Leyens nachlegen. Die Verpflichtungen großer Volkswirtschaften für 2030 reichten nicht aus, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, kritisierte sie. Neben den USA forderte die Kommissionspräsidentin auch China auf, seine Ambitionen bei Klimaplänen und -maßnahmen weiter zu steigern.

Dass die Kommission selbst in der Kritik steht, weil sie ihre Hausaufgaben beim Klimaschutz nicht gemacht habe, verschwieg die Kommissionspräsidentin aber. Eine europäische Agrarpolitik, die "blind und taub" für die Herausforderungen bei sozialer Gerechtigkeit, Klima und Biodiversität sei, "ist das beste Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll", kritisierte der grüne EU-Parlamentarier Philippe Lamberts aus Belgien.

Der Abgeordnete sieht sogar die Glaubwürdigkeit des gesamten grünen Deals in Gefahr, wenn fossile Subventionen nicht früher abgeschafft und die erneuerbaren Energien nicht wesentlich stärker ausgebaut werden.

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