Das Europagebäude in Brüssel
Wieder einmal hat sich der EU-Ministerrat, die Stimme der 27 Mitgliedsstaaten, weitgehend durchgesetzt. (Foto: Philippe Samyn and Partners/​Wikimedia Commons)

Nach 15 Stunden Verhandlungen haben sich am heutigen Mittwochmorgen das Europäische Parlament und die EU-Staaten auf ein neues Klimaziel geeinigt. Danach sollen die CO2-Emissionen bis 2030 nicht wie bisher um 40, sondern um 55 Prozent sinken, verglichen mit 1990.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Einigung. "Unser politisches Versprechen, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden, ist nun auch eine rechtliche Verpflichtung", sagte von der Leyen. Das Klimagesetz bringe die EU auf einen grünen Weg und sei ein verbindliches Versprechen für kommende Generationen.

Das Parlament hatte sich für eine 60-prozentige Absenkung ausgesprochen, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Besonders hart wurde offenbar um die Frage gerungen, wie stark CO2-Senken wie Wälder, Moore oder Böden auf das Minderungsziel angerechnet werden. Als Kompromiss erreichte das Parlament nur, dass maximal 225 Millionen Tonnen CO2 in die Erfüllung des Klimaziels einfließen dürfen. Die EU strebt unabhängig davon an, durch natürliche Senken 300 Millionen Tonnen CO2 zu binden.

Klimawissenschaftler:innen plädieren angesichts fortschreitender Entwaldung und unklarer CO2-Effekte von Aufforstungen mehr und mehr dafür, Wälder bei den Klimazielen überhaupt nicht mehr als Senken zu berücksichtigen.

Die beschlossene Obergrenze bei den Senken ändert nach Angaben von Umweltverbänden auch nichts daran, dass die tatsächlichen Emissionsminderungen, sofern das noch zu verabschiedende EU-Klimagesetz dann wirklich eingehalten wird, bis 2030 nur knapp 53 Prozent erreichen werden.

Das neue EU-Klimaziel für 2030 wird damit nach Einschätzung von Umweltverbänden und Wissenschaftler:innen den Anforderungen des Pariser Klimaabkommens nicht gerecht. Dafür wäre ein Ziel von mindestens 65 Prozent notwendig gewesen, das außerdem auf Rechentricks und Hintertüren verzichtet, hieß es beim NGO-Bündnis Climate Action Network (CAN).

Dann gäbe es eine Zwei-Drittel-Chance, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Mit dem jetzt beschlossen Rahmen reiche es mit viel Glück und unter guten Umständen gerade mal für das  Zwei-Grad-Ziel. 

"Historische Chance verpasst"

"Die europäischen Entscheidungsträger haben eine historische Chance verpasst, angemessen auf die Klimakrise zu reagieren", sagte Wendel Trio von CAN Europe. Das Klimagesetz trage nicht dazu bei, dass die EU die angestrebte Führungsrolle bei den globalen Bemühungen zur Bekämpfung der Klimakrise ausfüllen könne.

Nach Angaben der EU konnte sie ihre Emissionen bis 2019 um 24 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Um das neue Klimaziel bis 2030 zu erreichen, müssten die EU-Staaten ihre Ambitionen also deutlich steigern – und das in gerade mal einer Dekade.

Neben dem Klimaziel für 2030 wurden weitere Punkte in dem Klimagesetz verankert. Kleinere Zugeständnisse erreichten die EU-Abgeordneten mit der Einrichtung eines 15-köpfigen unabhängigen Beratungsgremiums, des Europäischen Wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel.

Zudem soll ein Treibhausgas-Budget der EU für den Zeitraum von 2030 bis 2050 aufgestellt werden, das in die Festlegung eines Klimaziels für 2040 einfließen soll. Die EU will außerdem anstreben, nach 2050 negative Emissionen zu erreichen.

Michael Bloss, Verhandlungsführer der Grünen im EU-Parlament für das Klimagesetz, kritisierte das Ergebnis scharf. Mit der Einigung erweise sich der Green Deal der EU "als PR-Projekt mit blumigen Worten und wenig konkreten Maßnahmen".

"Wie bei der Landwirtschaftsreform reiht sich das Klimagesetz in eine Reihe von schwachen Kompromissen beim Klima ein", sagte Bloss. "Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens Green Deal wird somit auf Sand gebaut und droht zu versinken. Leiden wird unsere Wirtschaft, die dringend auf einen klaren Kurs ohne Rechentricks oder versteckte Hürden gewartet hat."

Zudem wollte das Parlament das Ende von Subventionen für fossile Brennstoffe bis 2025 in dem Gesetz festschreiben, konnte sich aber damit ebenfalls nicht durchsetzen. Die Kommission will die Frage der Subventionen im Rahmen der Governance-Verordnung für die Energieunion weiter behandeln.

Bevor das Gesetz in Kraft tritt, müssen das EU-Parlament und die nationalen Regierungen dem Kompromiss noch zustimmen.

Der Beitrag wurde mehrmals aktualisiert, zuletzt um 14 Uhr.

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