Luftverschmutzung
Weniger Luftverschmutzung heißt mehr Klimaschutz: Die EU will handeln, Deutschland steht wie gewohnt auf der Bremse. (Foto: Ben Kerckx/​Pixabay)

Elektroauto oder Verbrenner? Die Frage haben die Grünen zuletzt geschickt umschifft. Ab 2035 sollen nur noch emissionsfreie Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen verkehren – nein, das fordern die Grünen im Entwurf ihres Wahlprogramms nicht, sondern: Ab 2035 sollen nur noch emissionsfreie Fahrzeuge neu zugelassen werden.

Etwas mutiger als die Grünen gehen sieben Umweltverbände an die Sache heran. Sie verlangen in einem letzte Woche veröffentlichten Appell von den drei deutschen Autoherstellern VW, Daimler und BMW, spätestens 2030 in Europa keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zu verkaufen.

Die Autobauer sollten ihre Produktion stattdessen auf "effiziente und verbrauchsarme Elektrofahrzeuge ausrichten", heißt es in dem Verbändeappell, den unter anderem BUND, Nabu, Greenpeace, Germanwatch und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) unterschrieben haben.

Der DUH scheint dabei auch 2030 nicht mutig genug zu sein. Die Umwelthilfe fordert in einer Art Zusatzvotum das Verbrenner-Aus schon für 2025. Ab dem Jahr dürfe es in Deutschland keine neuen Verbrenner mehr geben – zum Schutz des Klimas und der Arbeitsplätze in diesem wichtigen Sektor, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. "Dieses klare Bekenntnis zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ab 2025 erwarten wir insbesondere auch von Bündnis 90/​Die Grünen."

Ohne ein ausdrückliches Verbrenner-Verbot – egal mit welchem Datum – wird es nicht gehen, meint auch Andreas Knie, Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). "In der Autoindustrie passiert nichts ohne gesetzlichen Rahmen. Bleifreies Benzin, Sicherheitsgurt, Katalysator sind nur wenige Beispiele, die niemals ohne staatliche Verordnung eingeführt worden wären", listet der Sozialwissenschaftler auf.

Schärfere EU-Abgaswerte ab 2025

Zwar spreche alle Welt vom Ende des Verbrenners, so Knie, die deutschen Hersteller unternähmen aber noch immer alles, um entsprechende europäische Regelungen zu torpedieren. So arbeite der Verband der Automobilindustrie (VDA) "zurzeit gemeinsam mit dem Kanzleramt an einer Verzögerung der Euro-7-Abgasnorm, die tatsächlich das Aus für kohlenstoffbasierte Verbrennungsmotoren bedeuten würde".

Die EU-Kommission will Ende dieses Jahres schärfere Abgasgrenzwerte beschließen, die 2025 in Kraft treten sollen. Dann soll zum Beispiel der Ausstoß von Stickoxiden im Stadtverkehr endlich auf verträgliche Werte sinken.

Zurzeit liegt der Grenzwert für Diesel-Pkw bei 80 Milligramm NOx pro Kilometer, für Benziner bei 60 Milligramm. Vorschläge sollen dabei vorsehen, dass neue Autos künftig nur 30 oder sogar nur noch zehn Milligramm Stickoxide pro Kilometer ausstoßen dürfen.

Nach dem gestrigen, laut öffentlicher Darstellung weitgehend ergebnislosen Autogipfel im Kanzleramt warnte VDA-Präsidentin Hildegard Müller erneut vor einem Verbot des Verbrennungsmotors – auch mittels neuer CO2-Grenzwerte. Wenn die EU-Kommission diese Werte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge verschärfen wolle, müsse sie zugleich einen detaillierten Ausbauplan für eine E-Ladeinfrastruktur in ganz Europa vorlegen, verlangte Müller.

Zuvor hatte sich bereits Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gegen eine kurzfristige Verschärfung der EU-Abgasvorschriften im Rahmen der Euro-7-Norm ausgesprochen. Sein Ministerium werde sich bei der Euro-7-Debatte "sehr ablehnend positionieren", kündigte Scheuer in der Zeitung Welt am Sonntag an.

Die EU solle sich auf die bestehenden Abgasvorschriften konzentrieren und keine Debatte über noch strengere Vorgaben führen. Die Grenzwerte müssten "technisch erfüllbar bleiben", wird der Minister wiedergegeben.

"Wir haben vor allem zu viele Autos" 

Mobilitätsexperte Knie wehrt sich allerdings dagegen, die Debatte auf die Frage "Verbrenner ja oder nein" zu verkürzen. "Das Problem ist tatsächlich ein anderes: Wir haben einfach zu viele Autos", betont Knie. 2022 würden in Deutschland 50 Millionen Pkw für 80 Millionen Einwohner bereitstehen.

"Wir brauchen andere Antriebe mit nachhaltigen Energien und vor allen Dingen: eine Deckelung der Fahrzeugmengen", sagt Knie. So schlage das Umweltbundesamt eine Ausstattung von 150 Fahrzeugen für 1.000 Einwohner vor – weit weniger als heute. "Wir nähern uns gerade der 700er Grenze."

Kurswechsel: So gelingt die Verkehrswende

Der Verkehr erreicht seine Klimaziele nicht – in fast 30 Jahren sind die CO2-Emissionen des Sektors um kaum ein Prozent gesunken. Die Verkehrswende braucht es aber auch, damit Städte mehr Lebensqualität gewinnen und die Belastungen durch Lärm und Schadstoffe sinken. Klimareporter° stärkt deshalb – in Kooperation mit dem Verkehrswendebüro des Wissenschaftszentrums Berlin – den Fokus auf Verkehrsthemen und berichtet in einer Serie über Hemmnisse bei der Verkehrswende und über Lösungen für eine nachhaltige, zukunftsfähige Mobilität.

Die schiere Menge der Fahrzeuge, die auf Deutschlands Straßen unterwegs sind, stellt tatsächlich eine Hürde dar. VDA-Präsidentin Müller behauptete kürzlich sogar, dass bei dem von den Grünen geforderten Verbrenner-Stopp ab 2025 rund 30 Millionen konventionelle Benziner und Diesel verschrottet werden müssten.

Das stimmt natürlich nicht, weil die Grünen das Verbot eben nur für neu zugelassene Fahrzeuge aussprechen wollen. Dennoch bleibt das klimapolitische Problem, dass 2035 dann noch Millionen meist gar nicht so alter Fahrzeuge als CO2-Schleudern unterwegs sein werden. Um das zu verhindern, sollen diese Fahrzeuge nach dem Willen der Auto- und der Mineralölbranche dann Biokraftstoffe oder E-Fuels tanken – oder vielleicht sogar eine Mischung von beidem.

Andreas Knie sieht auch das mit Skepsis. Bei Biokraftstoffen fehle es an Anbauflächen und bei den strombasierten synthetischen Kraftstoffen an regenerativen Energien in dem für die Flotte nötigen Umfang. "Die Bundesregierung hat den Zubau an Windkraftanlagen gestoppt und den Ausbau von Photovoltaik durch unglaubliche bürokratische Hürden eingedämmt", erinnert Knie.

"Insofern wird es aus allen Perspektiven betrachtet sehr eng", fasst der Experte zusammen. Auf dem Weg zum klimafreundlichen Autoverkehr müsse man sich deshalb auf eine "sehr lange Zeit des Übergangs" einstellen.

Redaktioneller Hinweis: Andreas Knie ist Mitglied des Herausgeberrats von Klimareporter°.

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