Es ist dringlicher denn je, die Klimakrise zu bewältigen – angesichts weltweit rekordverdächtiger Temperaturen, verheerender Waldbrände etwa in Griechenland oder der Flutkatastrophe in Libyen.

Die erste Woche des 28. Weltklimagipfels (COP 28) ist mittlerweile vorüber. Jetzt rücken die Knackpunkte der Verhandlungen mehr und mehr in den Vordergrund – ein massiver weltweiter Ausbau der Erneuerbaren bei gleichzeitigem raschem Ausstieg aus den fossilen Energien und der Diskussion über mögliche Schlupflöcher – Stichwort CCS.

Wenn auch die Frage des Ausstiegs aus den fossilen Energien die COP 28 dominiert: Stärker als bisher müssen die beiden großen Krisen – Klima und Biodiversität – zusammen gedacht werden. Das ist in den letzten Jahren in Deutschland, aber auch international zu kurz gekommen.

Das im Dezember 2022 abgeschlossene Kunming-Montreal-Biodiversitätsabkommen kann auch mehr Schwung in die Klimaverhandlungen bringen.

Ohne Naturschutz kein wirksamer Klimaschutz

Die Wissenschaft ist sich sicher: Ohne Naturschutz gibt es auch keinen wirksamen Klimaschutz. Intakte Ökosysteme stellen ein Drittel des globalen Potenzials zur CO2-Bindung bereit.

Bild: privat

Carla Freund

ist Umwelt­wissen­schaft­lerin und seit 2018 in Brüssel zu umwelt- und europa­politischen Themen wie Gewässer­schutz und Energie­politik tätig, zunächst für den WWF und heute für den Natur­schutz­bund Deutsch­land (Nabu).

Um die globale Erwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ist es daher wichtig, den Verlust von Biodiversität und Ökosystemen zu stoppen und umzukehren – und das bei gleichzeitiger Reduktion von Treibhausgasemissionen.

Die Natur stärkt auch die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaften gegenüber den immer gravierenderen Umweltschäden, die durch den Klimawandel verursacht werden. Derzeit werden die Naturräume jedoch mit alarmierender Geschwindigkeit zerstört und es wird zu wenig getan, um diesen Trend umzukehren.

In Deutschland zum Beispiel erreichen nur acht Prozent der Flüsse und 27 Prozent der Seen den vom EU-Recht geforderten guten ökologischen Zustand (Stand 2019). Dies birgt die Gefahr, dass die globale Erwärmung weiter beschleunigt wird und unsere Anpassungsfähigkeit reduziert wird.

Klimagipfel mit großer Bedeutung für die Biodiversität

Die Rolle der Natur ist entscheidend. Es reicht bei Weitem nicht aus, das Ausmaß der derzeit aus fossilen Brennstoffen freigesetzten Treibhausgase in terrestrischen oder marinen Ökosystemen zu kompensieren. Integrierte Bemühungen zur Bewältigung der Biodiversitäts- und Klimakrise müssen parallel zu einem raschen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen erfolgen.

In diesem Zusammenhang hat die COP 28 auch eine besondere Bedeutung wegen der globalen Bestandsaufnahme, dem "Global Stocktake". Diese alle fünf Jahre stattfindende Bilanz der CO2-Minderung bewertet den weltweiten Fortschritt bei der Erfüllung des Pariser Klimaabkommens. Entscheidend ist dabei – wie bei jeder COP in der Vergangenheit – die Rolle der Konferenzpräsidentschaft.

Porträtaufnahme von Brick Medak.
Bild: Rowan Williams

Brick Medak

leitet das Team für Energie- und Klima­politik beim Nabu. Vorher war der Politik- und Rechts­wissen­schaft­ler bei anderen Umwelt­organisationen wie E3G, WWF und German­watch sowie bei einem Öko­energie­unter­nehmen tätig und arbeitete auch einige Jahre im Bundestag.

Die diesjährige Konferenz wird im Namen der Asien-Pazifik-Gruppe von den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgerichtet, einem öl- und gasproduzierenden Land mit einer der höchsten Pro-Kopf-Emissionen der Welt. In diesem Jahr sind auch wesentlich mehr Öl- und Gas-Lobbyisten auf dem Klimagipfel vertreten als je zuvor.

Wenn es jedoch nicht gelingt, die Treibhausgasemissionen rasch und deutlich zu senken, werden Dürren, Brände und andere Wetterereignisse die Fähigkeit natürlicher Ökosysteme zur Aufnahme und Speicherung von CO2 immer weiter einschränken. Einige Ökosysteme haben bereits ihre Schwellenwerte überschritten, um auf Klimaauswirkungen zu reagieren und sich anzupassen.

Paris- und Kunming-Montreal-Abkommen besser verzahnen

Im Rahmen ihrer Anstrengungen sollten die Staaten naturbasierte Lösungen und ökosystembasierte Ansätze nutzen, die positive Auswirkungen auf Biodiversität und Klima fördern.

Bisher laufen die Prozesse zum Pariser Klimaabkommen und Kunming-Montreal-Abkommen zu sehr nebeneinander. Sie müssen in Zukunft besser abgestimmt und miteinander koordiniert werden. Auf der COP 28 soll es erste Schritte in diese Richtung geben.

Nur wenn hier eine bessere Verzahnung gelingt, kann man sagen, dass die Zwillingskrise von Klima und Biodiversität tatsächlich gemeinsam angepackt wird. Dazu gehört auch, die Menschenrechte und die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften zu achten und zu erfüllen.

Die Staaten müssen auch sicherstellen, dass robuste Finanzierungs- und Überwachungsmechanismen vorhanden sind, einschließlich der Abschaffung schädlicher Subventionen, um wirksame integrierte Natur-Klima-Maßnahmen zu ermöglichen.

Die Staaten können dazu Maßnahmen zur Erhaltung und Wiederherstellung der Natur in ihre nationalen Klimapläne (NDC) und Anpassungspläne (NAP) aufnehmen und dafür sorgen, dass sie mit ihren an das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework angepassten nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionsplänen (NBSAP) in Einklang stehen.

Biodiversität und Klima lassen sich dann stärken, wenn die Staaten Anstrengungen zum Erreichen der Framework-Ziele in die Erfüllung ihrer nationalen Klimapläne integrieren – wie etwa "die Leistung von Ökosystemen bewahren" und "die biologische Vielfalt wertschätzen".

So sollten die Staaten zum Beispiel dringend eine umfassende, die Biodiversität einschließende räumliche Planung und ein ebensolches Land- und Meeresmanagement durchführen, um den Verlust von Gebieten mit hoher Biodiversitätsbedeutung zu verhindern. Wichtige Standorte für die Natur müssen geschützt und wiederhergestellt werden.

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