Die Welt scheint gerade aus den Fugen zu geraten. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt, unterbrochen von einer kurzen Covid-Pause, unaufhaltsam auf immer neue Rekordwerte. Schon jetzt ist absehbar, dass 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden wird – und das erste Jahr, an dem die Weltgemeinschaft das 1,5-Grad-Ziel der internationalen Klimaverhandlungen verletzt.

Zugleich nehmen die negativen Effekte auf die weltweiten Ökosysteme dramatisch zu. Dazu gehört in diesem Jahr der sprunghafte Anstieg der Meerestemperaturen mit den nachfolgenden Wirbelstürmen bis an die Küsten Europas.

In seinem Anfang des Jahres veröffentlichten sechsten Sachstandsbericht drängt der Weltklimarat IPCC in warnenden Worten zu schnellem Handeln. Gleichzeitig zwingen die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie die damit verbundenen Migrationswellen vielen Regierungen andere Prioritäten auf.

Die kurzfristige Sicherung der Energieversorgung, hohe Investitionen in Militär und den Schutz der Grenzen beschränken den Handlungsspielraum der Länder des Nordens. Dies wiederum nehmen die Länder des Südens als Abschottung, als Verlust an Glaubwürdigkeit und Gefährdung der ihnen zusagten Finanzhilfen wahr.

Harmonisch und wirkungslos?

In dieser aufgeheizten Lage treffen sich Ende November 192 Länder der Welt für zwei Wochen zur 28. Weltklimakonferenz (COP 28) in Dubai. In einer großen Gemeinschaftsanstrengung sollen sie bilanzieren, wo sie bisher klimapolitisch gescheitert sind und wie sie gemeinsam zu Fortschritten kommen beim Erreichen der Klimaziele des Paris-Abkommens.

Im sogenannten "Global Stocktake" sollen, wie es offiziell heißt, "die Lücken in der Umsetzung des Pariser Übereinkommens identifiziert und geschlossen werden". Die globale Bestandsaufnahme zählt zu den Kernmechanismen für den Vollzug des Paris-Abkommens.

Erwarten könnte man nun hier einen äußerst kontroversen Prozess mit Anklagen und Fingerzeigen – manche sprechen von naming and shaming – der verschiedenen Ländergruppen, aber es deutet sich das Gegenteil an. Die entsprechenden Dokumente aus den Vorverhandlungen lesen sich harmonisch, sind frei von Schuldzuweisungen und stattdessen voller Lob für das mit dem Paris-Abkommen bereits Erreichte.

Zugleich wird – wie auch vom Weltklimarat vorgezeichnet – eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 43 Prozent bis 2030 gefordert. Diese Minderung ist ohne eine dramatische Abkehr von den herrschenden Praktiken in den Industrie- und Schwellenländern unmöglich – diese Einsicht findet sich aber nicht im Entwurfsdokument für den "Global Stocktake". Neue Anstrengungen, neue Instrumente oder auch nur Reformen der bestehenden Instrumente sucht man vergeblich.

Finanzfragen erscheinen lösbar

Auch beim kontroversen Thema Klimafinanzierung ist der Verhandlungsstand gut. Das Ziel von jährlich 100 Milliarden US-Dollar, um Klimaschutz und -anpassung in den Entwicklungsländern zu unterstützen, wurde zwar in den Corona-Jahren verfehlt, aber es wird nach übereinstimmenden Prognosen in diesem Jahr und den Folgejahren erfüllt. 

Foto: UFZ

Reimund Schwarze

ist Klima­ökonom am Helm­holtz-Zentrum für Umwelt­forschung UFZ in Leipzig und Professor an der Frank­furter Viadrina. Seit 20 Jahren unter­sucht er inter­nationale Klima­verhandlungen und entwickelt Modelle für bessere globale Klima­politik. In Dubai steht er auch als Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. für Medien zur Verfügung.

Damit ist der Druck aus dem Kessel, sodass in Dubai über langfristige Klimaziele nach 2025 sowie strukturelle Reformen des internationalen Finanzsystems gerungen werden kann, ohne dass es zu akuten Zerwürfnissen kommen muss.

Selbst für das Verhandlungsthema "Loss and Damage" – die Bewältigung der Verluste und Schäden durch den Klimawandel –, das beim letztjährigen Gipfel in Ägypten auf die Tagesordnung gekommen ist, fand sich nach fünf intensiven Vorverhandlungsrunden ein Kompromiss.

Diesen bezeichnete der langjährige deutsche Klimaverhandler Jochen Flasbarth, seit 2021 Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, als "Durchbruch, der schon in den nächsten Jahren eine effektive finanzielle Unterstützung besonders vom Klimawandel betroffener Länder ermöglicht".

Im Raum stehen allerdings noch die notorischen Befürchtungen der USA, für Verluste und Schäden in Haftung genommen zu werden. Diese konnten auch in den Vorverhandlungen nicht vollständig ausgeräumt werden.

Entscheidende Rolle für China

Können wir also mit einer Friede-Freude-Eierkuchen-COP in Dubai rechnen? Das wird schon deshalb nicht eintreten, weil die Konferenzpräsidentschaft bei einem Mann der Öl- und Gaslobby liegt, wie Kritiker es ihm vorwerfen.

COP-Präsident Sultan Ahmed Al Jaber ist im Hauptberuf geschäftsführender Direktor der Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc). Er hat sich bereits im Vorfeld des Gipfels klar von einem uneingeschränkten Ausstieg aus Erdöl und Erdgas abgegrenzt. Bei den Verhandlungen für ein mögliches "Dubai-Abkommen" sind Proteste und Gerangel innerhalb und außerhalb der Konferenzsäle mit Sicherheit zu erwarten.

Bei diesem und anderen strittigen Themen wird es entscheidend sein, welche Rolle China spielt. Das Land kann bei Klimaverhandlungen wahlweise als Verhandlungsgruppe mit den Entwicklungsländern (G77 + China) oder – wie nach Abstimmung im Vorfeld der Verhandlungen von Paris – mit den Industrieländern abstimmen, oder natürlich auch als Nation für sich. Deshalb ist China häufig das Zünglein an der Waage.

In dem jetzt noch vor der Konferenz stattfindenden Gipfeltreffen der EU und der USA mit China wird darüber entschieden, ob die Klimaverhandlungen von den akuten Weltkonfliktlagen entkoppelt werden können. Das dürfte schwierig werden.

Deutschland: Vorreiter, aber kein Vorbild

Eine prominente Rolle hat Deutschland zur COP 28 eingenommen. Auch wenn die Rundreise von Außenministerin Annalena Baerbock zu den pazifischen Inselstaaten zuletzt an der Einsatzfähigkeit der Flugbereitschaft scheiterte, gibt es mit ihr eine neue "Klimaaußenpolitik" mit Blick auf die ärmsten, von Klimawandel am stärksten betroffenen Länder.

Bei der Klimafinanzierung kann Deutschland sogar eine Vorreiterrolle für sich beanspruchen: mit Zusagen von über sechs Milliarden pro Jahr für den Klimafonds der UN. Rechnet man die Beiträge durch öffentliche Kredite, vergeben durch die KfW und ihre Tochter DEG, sowie die Mobilisierung von Kapitalmarktmitteln dazu, dann lag der deutsche Beitrag aus allen Quellen im Jahr 2022 bei 9,96 Milliarden Euro. Da es sich zum größten Teil um Mittel aus dem Haushalt des Entwicklungsministeriums handelt, sind diese Zusagen auch nicht vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung betroffen.

Völlig anders sieht es bei den deutschen Ambitionen bei der CO2-Reduktion aus. Hier ist die deutsche Bilanz ernüchternd. Die Anstrengungen seien zwar "fast ausreichend", wenn nur das Zwei-Grad-Ziel angestrebt wird, sie seien aber "unzureichend", wenn es um mehr als das geht, so das Urteil der Forschungsinitiative Climate Action Tracker über Deutschland.

Der Hinweis auf die EU als eigentlicher Klimaverhandler auf der Konferenz hilft hier wenig weiter. Denn die EU bleibt bei ihrem Verhandlungsmandat für Dubai bei den alten Reduktionszielen für 2030. Die in die Debatte gebrachte Möglichkeit, die bisher von der EU beschlossene CO2-Minderung von 55 Prozent bis 2030 könnte auf 57 Prozent gesteigert werden, erweist sich bei näherem Ansehen als Schönrechnen mit unsicheren Senkenleistungen der Natur, also als nicht gerade vorbildhafte Ambitionssteigerung.

Wenig vorbildlich ist auch, dass Deutschland sich bei den Initiativen der sogenannten "High Ambition Coalition" zurückhält. Ein schneller Ausstieg aus den fossilen Energien und der Verzicht auf die unterirdische CO2-Speicherung (CCS), die in dieser Initiative gefordert werden, geht den Ampel-Koalitionären in Deutschland offenbar zu weit.

Es wird interessant sein zu beobachten, auf welche Seite sich Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan vom Auswärtigen Amt in dieser Frage im Gerangel der COP 28 schlägt.

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