Die Waldfläche Kanadas – knapp zehnmal größer als die Gesamtfläche Deutschlands – gilt als großer CO2-Speicher. Mehr als 200 Milliarden Tonnen Kohlendioxid sollen in der Pflanzenmasse des nordamerikanischen Landes gespeichert sein.
Ob diese Menge in den letzten Jahren größer geworden ist, wird jetzt vermehrt in Zweifel gezogen.
Schuld daran sind laut einem Bericht des kanadischen Ministeriums für natürliche Ressourcen steigende CO2-Emissionen aus den Wäldern, die vor allem zur Holzgewinnung bewirtschaftet werden.
Diese nehmen zwei Drittel der gesamten Waldfläche Kanadas ein und stießen 2016 rund 78 Millionen Tonnen CO2 mehr aus, als sie absorbierten. 2015 betrug die Negativbilanz sogar 237 Millionen Tonnen.
Als Hauptursache gelten – neben dem Befall durch Insekten – große Waldbrände. Allein in der Provinz British Columbia verbrannten laut einem Bericht des kanadischen Sierra Club 2017 und 2018 mehr als 1,2 Millionen Hektar Wald. Das sorgte der Umweltorganisation zufolge allein 2017 für den Ausstoß von 190 Millionen Tonnen CO2.
Forstwissenschaftler sehen darüber hinaus Anzeichen für zunehmende Waldschäden durch den Klimawandel, wodurch die Speicherfähigkeit sinken könnte.
Seit dem Jahr 2001, so weisen es die langfristigen Statistiken aus, ist die Emissionsbilanz aus den bewirtschafteten Wäldern negativ. Rechnet man die CO2-Effekte aus den unbewirtschafteten Teilen hinzu, kommt seit 2001 laut einer Analyse der öffentlichen Rundfunkgesellschaft CBC eine durchschnittliche CO2-Senkung von 21 Millionen Tonnen heraus.
Rechnet man weitere Landnutzungseffekte etwa durch Moore und Grasland hinzu, kommen bis zu 26 Millionen Tonnen Einsparung zusammen. Das entspricht ungefähr drei bis vier Prozent der jährlichen Emissionen Kanadas von rund 700 Millionen Tonnen.
Berechnungsgrundsätze sollen geändert werden
Bisher hat Kanada diese Landnutzungseffekte nicht in seiner Klimabilanz berücksichtigt. Auf das nationale Klimaziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 30 Prozent oder um jährlich rund 230 Millionen Tonnen zu senken, werden sie nicht angerechnet. Laut CBC besteht zu dem Klimaziel derzeit noch eine Reduktionslücke von 63 bis 126 Millionen Tonnen.
Offenbar wegen der drohenden Verfehlung des CO2-Ziels will die kanadische Regierung nun aber die Landnutzungseffekte in die nationale Klimabilanz ein- und zugleich Emissionsquellen wie Waldbrände herausrechnen, kritisieren kanadische Klimaschützer laut CBC.
In die Statistik sollen nur noch die Emissionen Eingang finden, auf die der Mensch Einfluss habe, zitiert die ARD-Tagesschau dazu Tony Lemprìere, bei der kanadischen Forstbehörde zuständig für Klimapolitik. Es gehe um das, was man kontrollieren könne, Emissionen durch Holzernte zum Beispiel – Waldbrände gehörten nicht dazu.
Die Wald- und Klimaexpertin Kelsey Perlman von der Umweltorganisation Fern hält dieses Ansinnen für "besorgniserregend". Die Debatte darüber, ob Emissionen von natürlichen Störungen wie Waldbränden gezählt werden sollten, erscheint ihr lächerlich. "Wir müssen mehr denn je wissen, wo und warum wir Wälder verlieren, statt die Bilanzen zu manipulieren, damit alles gut aussieht", betont sie.
Dass Kanada seine Klimaziele durch das Herausrechnen von Waldbränden oder Insektenbefall retten will, ergibt für Perlman keinen Sinn, da Naturkatastrophen wie Dürren, die wiederum Waldbrände verursachen können, durch den menschengemachten Klimawandel intensiver und häufiger würden.
"Es ist eine Ironie, mit den Regeln zu spielen, um Klimaziele zu erreichen, dabei jedoch völlig zu ignorieren, dass die zunehmenden Naturkatastrophen durch den Klimawandel Kanadas Wälder schweigend zerstören", warnt die Expertin.