Dass Starkregenereignisse mit fortschreitendem Klimawandel häufiger werden, ist nicht unwahrscheinlich, aber die Modelle sind noch nicht genau genug. (Bild: Jan Mallander/​Pixabay)

Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sieht sein Land angesichts der jüngsten Naturkatastrophen "in Zeiten des Friedens im Krieg". Der Klimawandel und seine Auswirkungen seien klar erkennbar, sagte er am Wochenende in Thessaloniki. Binnen zweier Wochen habe das Land die schlimmsten Waldbrände und die schlimmsten Überschwemmungen seiner Geschichte erlebt.

Unterstützt wird diese Sicht durch eine neue Studie eines internationalen Klimaforschungs-Teams zu den heftigen Regenfällen, die Anfang September am östlichen Mittelmeer, in Libyen und Spanien Verwüstungen anrichteten.

Betont wird darin aber auch, dass die Bebauung potenzieller Überschwemmungsgebiete, die schlechte Instandhaltung von Dämmen und andere lokale Faktoren das extreme Wetter erst zu einer humanitären Katastrophe werden ließen.

Die heute vorgestellte Studie der World Weather Attribution Group (WWA) wurde von 13 Expert:innen durchgeführt, die unter anderem an Universitäten und Forschungszentren in Griechenland, den Niederlanden, Großbritannien und den USA arbeiten.

Um zu quantifizieren, ob und, wenn ja, wie stark der Klimawandel auf die Wetterextreme Einfluss hatte, analysierte das Team Klimadaten und Computersimulationen, um das heutige Klima, das sich seit Ende des 19. Jahrhunderts weltweit im Schnitt um etwa 1,2 Grad Celsius erwärmt hat, mit dem Klima vor dem Temperaturanstieg zu vergleichen.

Unmittelbare Ursache für die massiven Überschwemmungen waren Anfang September zwei Tiefdruckgebiete, die sich westlich und östlich eines ortsfesten, sehr dauerhaften Hochs über Europa gebildet hatten.

Etwa zehn Tage lang regnete es in Strömen. Betroffen waren vor allem Spanien, Griechenland, Bulgarien und die Türkei sowie Libyen. Die Opferzahlen und Schäden waren und sind immens.

Flut wie in Libyen dürfte auch künftig eher selten auftreten

Die größte Katastrophe ereignete sich in Libyen, wo die Fluten den Zusammenbruch von zwei Dämmen verursachten. Allein in der Großstadt Darna sind bisher fast 4.000 Todesopfer zu beklagen. Weitere 170 Menschen starben durch die Fluten in anderen Teilen Libyens. Es werden aber noch über 10.000 Menschen vermisst.

Auch die ökonomischen Schäden in der Region sind groß. Der Wiederaufbau wird teuer, Verluste entstehen auch in der Landwirtschaft. In Griechenland ertranken in den betroffenen Regionen rund 110.000 Tiere. Nach Schätzungen wurde ein Viertel der jährlichen Agrarproduktion vernichtet.

Das Forschungsteam analysierte drei Regionen: Nordost-Libyen, wo die stärksten Niederschläge fielen, die Region Griechenland, Bulgarien und Türkei, wo es die maximale Niederschlagsmenge an vier aufeinanderfolgenden Tagen gab, sowie Spanien, wo der meiste Regen innerhalb weniger Stunden fiel.

Für Libyen ergaben die Untersuchungen, dass die Klimaveränderungen die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses um bis zu 50-fach erhöht hat, mit dem Zusatzeffekt von bis zu 50 Prozent mehr Regen in diesem Zeitraum.

Allerdings gilt: Das Ereignis ist auch im heutigen Klima äußerst ungewöhnlich, es dürfte nur etwa einmal in 300 bis 600 Jahren auftreten.

Modelle bilden Regen in kleinen Regionen nicht gut ab

Für die betroffenen Teile von Griechenland, Bulgarien und der Türkei ergab die Analyse hingegen, dass ein solches Ereignis nunmehr relativ häufig – etwa alle zehn Jahre – zu erwarten ist. Das Auftreten von Starkregen mit bis zu 40 Prozent mehr Niederschlag ist in dieser Region bis zu zehnmal wahrscheinlicher geworden.

Für eine Mega-Flut, wie sie die Region Thessalien in Zentral-Griechenland heimsuchte, ist die Wahrscheinlichkeit allerdings weiter gering. So ein Ereignis drohe nur einmal in 80 bis 100 Jahren.

Für Spanien, wo der meiste Regen in nur wenigen Stunden fiel, konnte das Forschungsteam keine vollständige Analyse durchführen. Grund: Die verfügbaren Klimamodelle bilden starke Regenfälle auf Zeitskalen von weniger als einem Tag nur unzureichend ab. Die Forscher:innen schätzen jedoch, dass Regenfälle wie vor zwei Wochen einmal alle 40 Jahre zu erwarten sind.

Das Team betont allerdings, es habe keine generelle Schätzung des Einflusses des Klimawandels vorgenommen, sondern jeweils die Obergrenze des Effekts angegeben. Der Grund: Die verfügbaren Klimamodelle stellten die Niederschläge in den betroffenen, relativ kleinen Regionen nicht ausreichend gut dar.

Mit anderen Worten: Der Einfluss der Klimaveränderungen kann auch geringer sein als errechnet. Trotzdem halten die Forscher:innen es für angezeigt, die Ergebnisse zu veröffentlichen.

"Nach einem Sommer mit verheerenden Hitzewellen und Waldbränden, die eindeutig auf den Klimawandel zurückzuführen sind, erwies sich die Quantifizierung des Beitrags der globalen Erwärmung zu diesen Überschwemmungen als schwieriger", erläutert WWA-Forscherin Friederike Otto vom Imperial College London die Problematik.

Mittelmeer ist "Hotspot" des Klimawandels

Laut der Studie konnten keine Faktoren gefunden werden, die starke Regenfälle unwahrscheinlicher machen und den Einfluss des Klimawandels ausgleichen könnten. Der Mittelmeerraum sei eindeutig ein "Hotspot der durch den Klimawandel verursachten Gefahren", so Otto.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass die in einigen Regionen beobachteten sehr starken Auswirkungen des Starkregens durch Fehler in der Siedlungspolitik und Missmanagement der Behörden mitverursacht wurden. So lägen in dem betroffenen Gebiet in Mittelgriechenland die meisten Städte und Gemeinden sowie ein großer Teil der Infrastruktur in bekannten überschwemmungsgefährdeten Gebieten.

In Libyen wiederum habe eine Kombination mehrerer Faktoren zu der Katastrophe beigetragen, darunter ein lang anhaltender bewaffneter Konflikt, politische Instabilität, mögliche Konstruktionsfehler der Dämme und deren schlechte Wartung.

Griechenlands Premier Mitsotakis kündigte unterdessen in Thessaloniki an, neben dem Wiederaufbau der zerstörten Gebiete werde der Kampf gegen den Klimawandel eine Hauptpriorität sein. Er kündigte eine Aufstockung des Sonderfonds für die Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels um 300 Millionen Euro an, womit sich dessen Umfang verdoppelt.

Das zusätzliche Geld soll unter anderem aus einer Anhebung der Übernachtungsgebühren für Touristen kommen – "vor allem in sehr teuren Hotels", wie Mitsotakis sagte. Griechenland verzeichnete übrigens trotz Rekordhitze und Waldbränden in diesem Jahr bisher einen Besucherrekord.

Redaktioneller Hinweis: Friederike Otto gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.

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