Das Gebäude des Bundesrates von schräg unten aufgenommen bei dunklem Himmel.
Die Länderkammer ist mit dem Entwurf des EEG 2021 überhaupt nicht zufrieden. (Foto: Thomas Ulrich/​Lobo Studio Hamburg/​Pixabay)

Was nahezu alle Experten seit Monaten sagen, haben jetzt auch die drei zuständigen Ausschüsse des Bundesrates – der für Wirtschaft sowie der Agrar- und Umweltausschuss – für die Länderkammer aufgeschrieben: Der Entwurf zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes stellt einiges klar und verbessert weniges.

In der Gesamtschau führe der von der Regierung beschlossene Entwurf des EEG 2021 "neue Hindernisse" für die Erneuerbaren ein, setze "unzureichende Impulse" für Innovationen und beschreibe nicht den für die Klimaziele nötigen Ausbaupfad. So deutlich ist das in der Klimareporter° vorliegenden und vom gestrigen Mittwoch datierten Bundesratsempfehlung zu lesen.

Der Länderkammer reichen auch die Ausbaupfade im EEG-Entwurf nicht aus, um 2030 den angestrebten 65-prozentigen Ökoanteil am Strommarkt zu erreichen. Grund sei – auch hier folgen die Länder der schon lange geäußerten Kritik – der von der Regierung für 2030 zu niedrig angesetzte Stromverbrauch von jährlich 580 Milliarden Kilowattstunden.

Dagegen rechnet der Bundesrat damit, dass der Strombedarf infolge von Sektorkopplung und Elektrifizierung industrieller Prozesse auf bis zu 750 Milliarden Kilowattstunden ansteigt. Deswegen sei es nötig, heißt es in der Vorlage weiter, den Ausbau der Windenergie an Land auf jährlich 5.000 Megawatt sowie von Photovoltaik auf jährlich 10.000 Megawatt zu steigern.

Ausgehend vom heutigen Niveau würden damit 2030 mehr als 80.000 Megawatt Onshore-Windkraft und mehr als 150.000 Megawatt Photovoltaik installiert sein. Das ist ein sehr deutliches Plus gegenüber den Ausbauplänen der Regierung. Diese sehen für 2030 maximal 71.000 beziehungsweise 100.000 Megawatt für die Wind- und die Solarstromanlagen vor.

Die Bundesratsausschüsse sehen zudem den 65-Prozent-Anteil für 2030 als eine "nicht zu unterschreitende Untergrenze" an – es darf also ruhig noch mehr werden.

Neu: Förderung für schwimmende und Agro-Photovoltaik

Dazu wird der EEG-Entwurf der Regierung nahezu völlig umgekrempelt. Um gerade Solarstrom voranzubringen, sollen künftig auch schwimmende Anlagen sowie Agro-Photovoltaik gefördert werden.

Solarstrom-Projekte auf geeigneten Gewässern könnten sich danach einer Vergütung von sieben Cent für die Kilowattstunde bis maximal 20 Megawatt erfreuen. Das sind rund 1,5 Cent mehr als der höchste Preis, bei dem Solarstrom-Projekte zuletzt noch durch die Ausschreibungen kamen. Damit wird dem erhöhten Aufwand für schwimmende Photovoltaik Rechnung getragen.

Für Agrophotovoltaik soll es nach dem Willen der Ländervertreter sogar einen Höchstpreis von acht Cent je Kilowattstunde und bis 2030 insgesamt Ausschreibungen für knapp 3.000 Megawatt geben. Der Bundesrat will damit auch dem Boom bei großen Freiflächenanlagen entgegenwirken, die, wie es in der Vorlage heißt, einen "starken Landschaftseingriff" darstellen und die Flächenkonkurrenz erhöhen. 

Auch für Solaranlagen, die ab Anfang 2021 aus dem EEG fallen, zeigt die Länderkammer – im Unterschied zur Bundesregierung – Herz. So warnt die Vorlage vor der aus dem EEG-Entwurf resultierenden Verpflichtung, dass Photovoltaikanlagen bereits ab einem Kilowatt Leistung früher oder später ein Smart Meter haben müssen. Das sei "unverhältnismäßig".

Der Bundesrat will die Grenze für die Smart-Meter-Pflicht erst bei sieben Kilowatt ziehen – und greift auch hier Empfehlungen einschlägiger Institute wie Agora Energiewende auf.

Altanlagen sollen Marktpreis vergütet bekommen

All die "ausgeförderten" Solaranlagen sollen ihren Strom weiter einspeisen dürfen und dafür bis Ende 2027 auf jeden Fall den Marktpreis vergütet bekommen. Für große Dachanlagen jenseits der 500 Kilowatt soll auch das Verbot fallen, den Strom selbst zu verbrauchen.

Aufheben will der Bundesrat auch die Begrenzung der maximalen Anlagengröße auf 100 solare Kilowatt bei Mehrfamilienhäusern, besonders bei Mietshäusern in Städten. Damit würden Mieterstromanlagen bisher "unnötig klein gehalten", kritisiert die Vorlage.

Künftig sollen solche Anlagen, fordert der Bundesrat weiter, für selbstgenutzten Strom auch keine EEG-Umlage mehr zahlen und den Strom zudem über Gebäudegrenzen hinaus in Quartiere liefern können.

Bei der Bürgerenergie macht sich der Bundesrat für die sogenannte De-minimis-Regelung stark. Diese europäische Vorschrift erlaubt es Bürgergesellschaften, Windparks mit bis zu sechs Anlagen und bis 18 Megawatt Leistung außerhalb der Ausschreibungen zu bauen. Dies in Deutschland gesetzlich umzusetzen ist eine ebenso Jahre alte Forderung aus den Reihen der Bürgerenergie.

Und so geht es munter weiter auf den 100 Seiten. Unmöglich, alle sinnvollen Reparaturvorschläge der Länderkammer aufzuführen. Sei es die Möglichkeit, EEG-Strom nicht mehr zwangsweise an der Strombörse verramschen zu müssen, sondern ihn als Grünstrom direkt an Industriekunden liefern zu können, sei es, dass Direktlieferungen von Ökostrom künftig dieselben Vorteile genießen sollen, als wenn Hausbesitzer ihren Strom vom Dach selbst nutzen.

"Atmender" Deckel wird deutlich entschärft

Darüber hinaus will der Bundesrat auch die derzeit nach seiner Auffassung "nicht kostendeckende" Vergütung für Anlagen anheben, die ihren erzeugten Strom vollständig einspeisen – von derzeit zwischen sechs und acht Cent für die Kilowattstunde um jeweils etwa zwei Cent, je nach Größe der Anlage.

Auch der sogenannte "atmende Deckel" soll entschärft und die im Voraus festgelegte Degression der Vergütung herabgesetzt werden – mit dem Ergebnis, dass die Einspeisevergütungen innerhalb eines Jahres nur noch um drei Prozent statt wie bisher um bis zu sechs Prozent sinken.

Die im EEG-Entwurf vorgesehene Kann-Bestimmung, nach der Windkraftbetreiber betroffene Gemeinden am Gewinn neuer Projekte beteiligen müssen, will der Bundesrat in eine Muss-Bestimmung umwandeln. Davon sollen dann auch alle Gemeinden profitieren, die sich "ganz oder teilweise" im Radius von drei Kilometern um den Standort der jeweiligen Windanlage befinden.

Klimaneutralität ohne Hintertüren erreichen

Biogasanlagen sollen, so der nächste Vorschlag, eine erhöhte EEG-Vergütung von 20,4 Cent pro Kilowattstunde erhalten können, wenn im Jahresschnitt mindestens 20 Prozent "ökologisch wertvolle Substrate" wie ein- und mehrjährige Blühpflanzen sowie Leguminosen oder Restbiomasse genutzt werden. Auch das eine Idee, die die Branche schon einige Zeit vor sich herträgt, die ihr aber bisher zu teuer ist.

Der Bundesrat will schließlich auch Hintertüren schließen, die sich die Bundesregierung offenhält, um 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Diese soll, verlangt die Länderkammer kategorisch, "auf Basis erneuerbarer Energien" erreicht werden und nicht mithilfe von Technologien zur Abscheidung und Einlagerung von Treibhausgasemissionen, wie sie unter dem Kürzel CCS bekannt sind.

Ein Einsatz von CCS-Technologien sowie auch die Nutzung von Erdgas oder dem aus Erdgas gewonnenen "blauen Wasserstoff" kann aus Sicht des Bundesrats nur einen "Zwischenschritt" auf dem Weg in ein treibhausgasneutrales Energiesystem darstellen.

Umweltorganisationen signalisieren Unterstützung für die Bundesratsvorschläge. "Der Bundestag muss der Stimme aus den Ländern folgen und den unzureichenden Entwurf von Bundeswirtschaftsminister Altmaier klimapolitisch ambitioniert nachbessern", forderte Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Die Regierung ignoriere den steigenden Strombedarf für Elektromobilität und Sektorkopplung, bemängelte Müller-Kraenner. Dafür sei ein Ausbau um jährlich mindestens 6.000 Megawatt Windkraft an Land und 10.000 Megawatt Photovoltaik nötig. Die EEG-Novelle wird am morgigen Freitag in erster Lesung im Bundestag behandelt. 

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