Will Deutschland seine Klimaziele erreichen, muss der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich an Tempo zulegen. In den vergangenen Jahren erreichten die Erneuerbaren aber kaum noch nennenswerte Zuwächse. Eine erneute Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll das ändern.
Die erste Hürde hat die geplante EEG-Novelle am heutigen Mittwoch genommen. Das Bundeskabinett verabschiedete den von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vorgelegten Entwurf. Darin gibt es zwar deutliche Überarbeitungen gegenüber der Anfang des Monats vorgelegten Fassung, aber die gehen der Erneuerbaren-Branche nicht weit genug.
Ziel der Gesetzesnovelle sind konkrete Ausbaupfade für die erneuerbaren Energien, die bis 2030 einen Anteil von 65 Prozent erreichen sollen – so das Regierungsziel. Für Windkraft an Land soll nun eine jährliche Ausschreibungsmenge zwischen 2.900 und 5.800 Megawatt festgeschrieben werden, für Photovoltaik zwischen 1.900 und 2.000 und für Biomasse von 500 Megawatt.
"Wir formulieren in der Novelle erstmals gesetzlich das Ziel der Treibhausgasneutralität noch vor dem Jahr 2050 für den in Deutschland erzeugten und verbrauchten Strom", sagte Altmaier vor der Presse.
Trotz ihrer Zustimmung zum Kabinettsbeschluss sieht Bundesumweltministerin Svenja Schulze weiteren Handlungsbedarf. In einer Protokollerklärung stellte Schulze klar, dass mit der geplanten Anhebung der EU-Klimaziele auch die Ausbauziele für erneuerbare Energien in Deutschland nochmals deutlich anzuheben seien.
Steigender Ökostrombedarf nicht berücksichtigt?
Auch die Erneuerbaren-Branche spart nicht mit Kritik. Die Frist für die Verbändeanhörung sei mit 72 Stunden viel zu knapp gewesen, darüber hinaus seien die Forderungen der Branche weitgehend ignoriert worden. "Es braucht umfassende Nachbesserungen am Entwurf im weiteren parlamentarischen Verfahren", sagte die Chefin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), Simone Peter.
Das Ministerium gehe in seinem Entwurf von einem zu niedrigem Strombedarf für 2030 aus, kritisierte Peter. Nur 580 Milliarden Kilowattstunden werde Deutschland nach Rechnung der Bundesregierung im Jahr 2030 verbrauchen, 377 Milliarden davon sollten die Erneuerbaren liefern.
Wegen des steigenden Ökostrom-Bedarfs für die vorgesehenen Power-to-X-Anwendungen müsste das Ministerium aus Sicht von Peter aber einen deutlich höheren Strombedarf ansetzen – es drohe eine "Ökostromlücke" von 100 Milliarden Kilowattstunden. Auch die Deutsche Energie-Agentur (Dena) und der Thinktank Agora Energiewende waren in Studien auf vergleichbare Größenordnungen gekommen.
Aus Sicht des BEE müssen deshalb im Gesetzentwurf die Ausbaupfade und jährlichen Ausschreibungsmengen erhöht werden. Notwendig seien jährliche Ausschreibungsmengen von 4.700 Megawatt bei der Windenergie an Land, 2.000 bei Offshore-Wind, 10.000 bei Photovoltaik und 600 Megawatt bei der Bioenergie.
Wirtschaftsminister Altmaier will den Einwand nicht gelten lassen. Es gebe Bereiche, in denen der Strombedarf steigen werde, aber in der Öffentlichkeit werde vernachlässigt, dass beispielsweise der Eigenbedarf von Kohlekraftwerken sinke und dass künftig in großem Umfang Effizienzreserven aktiviert werden sollen.
Kritik an unzureichenden Regelungen für über 20-jährige Anlagen
Künftig sollen auch kleine Photovoltaikanlagen auf Dächern über Ausschreibungen gefördert werden – bislang gilt das nur für Solaranlagen mit einer Anschlussleistung von mehr als 750 Kilowatt. Nun soll ein eigenes Auktionssegment eingerichtet werden – Anlagen über 500 Kilowatt müssten künftig an Ausschreibungen teilnehmen.
"Für rund 30 Prozent des bisherigen Solardach-Marktes droht weiterhin die Pflicht zur Teilnahme an Ausschreibungen", kritisierte Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft. Daran änderten auch die Erhöhung der Ausschreibungsmengen – jeweils 250 Megawatt für 2021 und 2022 – und die kurzfristige Heraufsetzung der Kilowattgrenze auf 500 Kilowatt wenig.
Ohnehin sei unklar, ob die ausgeschriebenen Mengen für Solardächer überhaupt erreicht würden, so Körnig. In Frankreich hätten Solardach-Auktionen in den vergangenen Jahren regelmäßig zu einer Unterzeichnung und zu hohen Risikoaufschlägen geführt, sodass sich das Nachbarland mittlerweile von Ausschreibungen für Dachanlagen verabschiedet habe.
Hermann Albers vom Bundesverband Windenergie beklagt: "Es gibt keine Anschlussregelung für Bestandsanlagen." Nach dem Ende der 20-jährigen EEG-Förderung würden viele Windanlagen ab 2021 in den grauen Strommarkt gestoßen, wo die CO2-neutrale Stromerzeugung nicht berücksichtigt werde. In den kommenden Jahren drohten 16.000 Megawatt Windkraft wegzufallen, während das Ministerium keine klare Regelung für ein Repowering entwickelt habe.
Wer eine alte Photovoltaikanlage betreibt, steht vor demselben Problem. Um nach dem Auslaufen der EEG-Förderung den selbst erzeugten Strom nutzen zu können, sollen künftig 40 Prozent der EEG-Umlage fällig werden.
Die Erneuerbaren-Branche hofft nun auf substanzielle Verbesserungen durch das Parlament. In den kommenden Wochen befassen sich Bundestag und Bundesrat mit dem Gesetzentwurf. Bis Ende des Jahres soll die Novelle beschlossen werden.