Viele Jahre lang hießen sie "Guerilla-Solaranlagen": kleine Photovoltaik-Module, die man am Balkon installieren und einfach per Netzstecker anschließen konnte, um Strom für den Eigenverbrauch zu produzieren. Allerdings war ihre Verwendung nicht offiziell geregelt und bewegte sich daher rechtlich im Graubereich.
Seit 2019 ist das anders – und der Verkauf boomt. Nach einer aktuellen Schätzung versorgen sich bereits rund 100.000 Haushalte in Deutschland mit Solarstrom aus den Kleinanlagen.
Die Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) hat den Markt für die "Stecker-Solaranlagen" jüngst analysiert. Bei der Bundesnetzagentur seien zwar erst rund 10.000 dieser Anlagen offiziell registriert, tatsächlich sei aber eine Stückzahl von 100.000 realistisch.
"Der Markt für Stecker-Solar-Geräte entwickelt sich, in kleinem Maßstab, aber rasant", schreibt HTW-Experte Joseph Bergner im Fachorgan PV Magazine. Geschätzt wird das Potenzial auf fünf Millionen Geräte.
"Wir erleben aktuell einen echten Boom", kommentiert auch Christian Ofenheusle, Betreiber der Online-Plattform Machdeinenstrom.de, die an dem Projekt beteiligt war. Seit 2018 verdopple sich die Anzahl der hierzulande betriebenen Kleinanlagen jedes Jahr. Ebenso steige die Vielfalt der am Markt verfügbaren Modelle.
Die schnelle Verbreitung erklärt sich für Ofenheusle vor allem dadurch, dass die Balkonanlagen anders als größeren Anlagen auch für Miet- und Eigentumswohnungen geeignet seien. Die Plattform hat über 400 Modelle unter die Lupe genommen und in einem "Mini-Solar-Ranking" miteinander verglichen.
Die Anlagen kosten je nach Größe zwischen 300 und 1.000 Euro. Hinzu kommen Ausgaben für die Befestigung am Balkongeländer oder eine Aufständerung, um einen besseren Winkel zur Sonne zu erreichen. Außerdem wird häufig verlangt, dass ein Installateur eine spezielle Steckdose ("Wieland-Steckdose") im Haus-Stromnetz anbringt, in die das Kabel der Anlage eingesteckt wird.
Überschussstrom fließt ins Netz ab
Der erzeugte Strom wird, sofern benötigt, im eigenen Haushalt verbraucht, etwa für Kühlschrank, Spülmaschine, Computer. Überschussstrom fließt ins allgemeine Stromnetz, wird aber nicht vergütet.
Da der Solarstrom vom Balkon mit fünf bis acht Cent pro Kilowattstunde billiger als Strom aus dem Netz (rund 30 Cent) ist, finanzieren die Kleinanlagen sich nach den Angaben verschiedener Anbieter binnen vier bis acht Jahren selbst. Die Anlagen liefern allerdings nur einen Teil des in den Haushalten verbrauchen Stroms, der Rest kommt wie vorher vom Versorger.
Auch die Installation der klassischen Solaranlagen auf Eigenheim-Dächern erlebt seit dem vergangenen Jahr einen Boom. 2020 gingen mit 184.000 Stück doppelt so viele Dachanlagen ans Netz wie im Vorjahr, so der Bundesverband Solarwirtschaft.
Gründe seien gesunkene Preise für die Module, ein gestiegenes Umweltbewusstsein sowie die steigende Zahl von Elektroautofahrern, die ihr Auto mit eigenem Strom laden wollten.
Eine aktuelle Umfrage des Stromkonzerns Eon zu den wichtigsten Beweggründen für Hausbesitzer, eine Photovoltaik-Anlage installiert zu haben oder zu planen, ergab, dass die Senkung der eigenen Stromkosten (66 Prozent) und der Beitrag zum Klima- und Umweltschutz (56 Prozent) im Vordergrund stehen.