Klimareporter°: Herr in der Beek, wie bewerten Sie als klimapolitischer Sprecher der FDP die Klima-Bilanz nach dreieinhalb Jahren Ampel-Regierung?
Olaf in der Beek: Wenn man berücksichtigt, was wir vorgefunden haben, nämlich den guten Willen und sonst nichts, ist die Bilanz nicht schlecht.
Für einen wirksamen Klimaschutz in einer gleichzeitig wettbewerbsfähigen Wirtschaft braucht es politische Rahmenbedingungen, aber keine Regularien – das ist unsere Überzeugung als Freie Demokraten. Da sind wir einen guten Meter weitergekommen.
Trotz all der Ampel-Streitereien hat die Zusammenarbeit bei der Klimapolitik also gut funktioniert?
Ich finde, ja. Wirklich spürbar werden die Effekte von vielen der politischen Maßnahmen erst in den kommenden Jahren.
Das Gleiche gilt für den europäischen Emissionshandel. Der weitet sich ab 2027 auch auf den Verkehr und den Gebäudesektor aus. Die Industrie hat schon vergangenes Jahr ihr eigenes Reduktionsziel übertroffen.
Wir sind da auf dem richtigen Pfad. Der Emissionshandel ist das Mittel für effektiven Klimaschutz. Wir müssen dieses Instrument in den nächsten Jahren ausweiten und weg von diesem Klein-Klein der Regulierungen.
Die Industrie hat ihr Ziel zwar erreicht, gleichzeitig sind ihre Emissionen gegenüber 2023 trotz sinkender Produktion um drei Millionen Tonnen angestiegen. Noch weniger erfolgreich war der Verkehrssektor: Drei Jahre lang hat der – mittlerweile ehemalige – FDP-Politiker Volker Wissing das Verkehrsministerium geführt, drei Jahre lang verfehlte der Sektor sein Klimaziel. Kann die FDP keinen Klimaschutz?
Der Verkehr ist ein sehr schwerfälliger Sektor. Die Früchte unserer Arbeit werden sich erst in den nächsten Jahren auf die Klimabilanz niederschlagen – etwa Rekordinvestitionen in die Bahn. Auch der Emissionshandel startet hier erst 2027.
Und ich will nochmal betonen, wir mussten vor drei Jahren von null starten. Das war eine infrastrukturelle Katastrophe, die wir bei der Regierungsübernahme vorgefunden haben.
Was in den nächsten Jahren passiert, hängt auch von den Bundestagswahlen ab. Die FDP will laut Wahlprogramm das "faktische Verbrennerverbot" aufheben. Nach EU-Recht sind Verbrennungsmotoren auch nach 2035 noch erlaubt, wenn sie CO2-frei laufen. Was genau wollen Sie also aufheben?
Uns geht es um Technologieoffenheit. Auf den deutschen Straßen fahren immer noch rund 44 Millionen Verbrenner-Pkw. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.
Eine Politik, die die Weiterentwicklung der Verbrenner-Technologie hemmt, ist falsch. Statt staatlich einzugreifen, sollten wir das der Wirtschaft und dem Wettbewerb überlassen.
Der Emissionshandel wird zeigen, welche Technologie sich durchsetzt. Die Wirtschaft ist viel weiter damit, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit zusammenzudenken.
Zahlreiche Analysen zeigen, dass Elektromobilität fünfmal so effizient ist wie E‑Fuels. Voraussichtlich werden E‑Fuels auch noch Mitte des Jahrhunderts für die meisten Menschen unbezahlbar sein. Wäre es da nicht Aufgabe der Politik, sich hinter die volkswirtschaftlich sinnvollere Technologie zu stellen?
Gegenfrage: Warum überlässt man das nicht der Wirtschaft? Wenn sich ein Wirtschaftsmodell nicht rechnet, wird dort auch nicht investiert. Ich verstehe immer nicht, weshalb der Staat so etwas besser wissen sollte als die Wirtschaft.
Die Aufgabe der Politik ist es, Wettbewerbsgleichheit zwischen den einzelnen Wirtschaftsteilnehmern herzustellen, und dann lassen Sie uns doch abwarten, wie das Rennen ausgeht.
Der Verkehrssektor ist außerdem größer als der Individualverkehr. In Luft- und Schifffahrt kommen wir um E‑Fuels nicht herum. Das sagt die ganze Branche.
In FDP-Wahlprogramm werden E‑Fuels konkret als Lösung für den Individualverkehr benannt. Wenn Elektromobilität dort die effizientere, klimafreundlichere und volkswirtschaftlich günstigere Option ist, warum sollte diese Technologie dann nicht gefördert werden?
Wenn der Staat mit Subventionen anfängt, endet das nicht gut für die Verbraucher. Im Moment profitieren von den Subventionen eher die Konzerne als die Bürgerinnen und Bürger.
Es liegt eher nicht am Preis, dass Bürger weniger Elektroautos als Verbrenner kaufen. Es liegt an der Bequemlichkeit und dem Komfort.
Menschen wollen sich frei bewegen können. So weit sind wir bei den E‑Autos aber noch nicht und daran ändert auch eine Förderung nichts.
Dafür braucht es die notwendige Infrastruktur, von Ladesäulen bis zum Stromnetz. Und darum kümmert sich der Staat gerade.
Wenn diese Infrastruktur steht, dann braucht es keine Förderungen mehr, dann entscheidet der Markt. Die zentrale Herausforderung für alle Länder der Welt ist es, einen Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie zu finden.
E‑Fuels für den Luftverkehr kommen in Ihrem Programm nur in dem Zusammenhang vor, dass Sie eine Quote für nachhaltige Flugkraftstoffe ablehnen. Gleichzeitig will die FDP Fliegen billiger machen. Können Sie mir das klimapolitisch einordnen?
Mit der Abschaffung der Luftverkehrssteuer und der Senkung der Luftsicherheitsgebühren sollen deutsche Airlines und Flughäfen wieder wettbewerbsfähig werden. Dem Klima ist nicht geholfen, wenn ein Flugzeug statt in München in der Schweiz zwischenlandet und tankt.
Genauso wenig ist dem Klima geholfen, wenn deutsche Reisende über die Grenze fahren, um dann von Paris oder Amsterdam zu fliegen. Das passiert aber, weil die Gäste so preissensibel sind. Das schlägt sich dann auch auf die internationale Anbindung der deutschen Flughäfen nieder.
Wir dürfen die Wirtschaftsleistung bei aller Klimapolitik nicht vergessen. Ohne ein nachhaltiges und gesundes Wirtschaftswachstum können wir uns Klimaschutz nicht leisten, und zudem laufen wir dann Gefahr, die Akzeptanz in der Gesellschaft zu verlieren.
Die Quote für E‑Fuels im Luftverkehr lehnen wir derzeit ab, weil die erforderlichen Kraftstoffmengen am Markt noch gar nicht verfügbar sind und eine Nichteinhaltung der Quote mit einer Strafzahlung für die Fluggesellschaften versehen ist. Das macht ja erst dann Sinn, wenn die Fluggesellschaften auch eine Möglichkeit haben, solche Quoten zu erfüllen.
"Eine warme Wohnung mit moderner, klimafreundlicher Heizung ist möglich", steht in Ihrem Programm. Was versteht die FDP unter klimafreundlicher Heizung?
Das kann eine Wärmepumpe betrieben mit Solarenergie sein. Aber da gibt es auch ganz viele andere Technologien.
Ich komme aus dem Ruhrgebiet, dort ist die Geothermie eine Option. Die kommunale Wärmeplanung ist am Ende den Stadtwerken und Energieversorgern vorbehalten.
Ein gutes Gesetz braucht nur einen Satz: "Unsere Heizsysteme sollen bis zum Zeitpunkt X klimaneutral sein." Wie das erreicht wird, ist dann irrelevant. Auch hier sollen die Kräfte des Wettbewerbs wirken. Und das tun sie in ganz vielen Regionen unserer Republik auch verdammt gut.
Olaf in der Beek
ist klimapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Bevor in der Beek 2017 in den Bundestag einzog, arbeitete er als Unternehmer in der Medienbranche. Zur Bundestagswahl 2025 tritt er nicht erneut an.
Warum sollten wir in Berlin das mit dem Stift vordiktieren? Das wissen die Menschen vor Ort viel besser.
Was heißt das für eine Familie, die sich heute eine neue Gasheizung einbaut, bei der H2-ready draufsteht? Grüner Wasserstoff wird voraussichtlich auch Mitte des Jahrhunderts noch viel zu knapp und teuer für Gebäudeheizungen sein. Was macht diese Familie dann, wenn Erdgas nicht mehr erlaubt ist?
Das ist eine falsch verstandene Technologieoffenheit. Ich gehe davon aus, dass sich diese Familie bei ihrem Energieversorger erkundigt. Der weiß am besten, was in den kommenden Jahren in ihrem Fall möglich sein wird, sinnvoll ist und was die kommunale Wärmeplanung vorsieht.
Da trauen wir den Bürgern zu wenig zu. Die machen sich in der Regel viele Gedanken und rennen nicht einfach zum nächsten Heizungsbauer und lassen sich eine Gasheizung einbauen.
Aber wir werden damit leben müssen, dass bestimmte Gasnetze weiterbetrieben werden müssen. Die Frage ist, welches Gas dort reinkommt. Damit müssen sich die Energieversorger beschäftigen.
Natürlich haben wir als Staat eine Fürsorgepflicht, aber um über die örtlichen Gegebenheiten aufzuklären, gibt es Stadtwerke und regionale Versorger. Dafür braucht es keine Politiker, die das auf dem Reißbrett planwirtschaftlich festlegen.
Wäre es nicht Teil dieser staatlichen Fürsorgepflicht, die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die sinnvollsten Technologien politisch zu vermitteln und damit den Bürgern Planungssicherheit zu geben?
H2-ready-Gasverbrenner sind im Endeffekt einfach moderne Gasheizungen, in denen die Dichte angepasst werden kann. Ob es sich lohnt, diese Heizungen irgendwann auf Wasserstoff, grünes Methan oder Biogas umzustellen, das möchte ich nicht entscheiden.
Das sollte der örtliche Energieversorger entscheiden.
Kontrovers diskutiert wurde die Forderung des FDP-Wahlprogramms, das Klimaneutralitätsziel von 2045 auf 2050 zu verschieben. Warum dieser klimapolitische Schritt zurück?
Das ist kein Schritt zurück. Wir müssen die wirtschaftliche Realität anerkennen. Wir haben eine schrumpfende Wirtschaft, und um uns Klimaschutz leisten zu können und die Bürgerinnen und Bürger auf diesem Weg nicht zu verlieren, müssen wir eine starke und wettbewerbsfähige Nation sein.
Nun gibt es die politische Entscheidung einer alten Kanzlerin, ein deutsches Klima-Sonderziel fünf Jahre früher als das Ziel der Europäischen Union anzusetzen. Das ist nicht wissenschaftlich begründet, sondern eine rein politische Entscheidung von Angela Merkel.
Es gibt keinen Vorteil, wenn Deutschland fünf Jahre früher klimaneutral wird als der Rest der EU. Aufgrund des Emissionshandels gibt es einen Wasserbetteffekt: Die Emissionen, die Deutschland nicht ausstößt, stößt das europäische Ausland aus.
Dadurch werden dem Ausland Wettbewerbsvorteile entstehen, wobei wir es uns selbst schwerer machen. Für mich ist das kein Rückschritt und keine Pause, sondern nur die Möglichkeit, meine Emissionen auch bis 2050 zu strecken, während die EU ihr Ziel 2050 weiterhin erreicht.
Wir schaden also der deutschen Wirtschaft und dem Klima nützt es unterm Strich nichts.
Ähnlich argumentieren Sie auch in Ihrem Wahlprogramm. So soll der energieintensiven Industrie mehr Zeit verschafft werden, heißt es dort weiter.
Im europäischen Emissionshandel, der für Energiewirtschaft und Industrie gilt, sollen bereits 2039 keine neuen CO2-Zertifikate mehr ausgegeben werden. Das heißt: Unabhängig davon, ob in Deutschland Klimaneutralität 2045 oder 2050 erreicht werden soll, hat die Industrie nach EU-Recht schon ab 2040 oder kurz danach keine Zertifikate mehr übrig.
Die Industrieemissionen betragen nur zehn Prozent unserer Gesamtwirtschaft. Sie müssen auf den Mittelstand, auf die Familienbetriebe schauen. Für die ist das eine große Entlastung.
Den Fokus legt Ihr Wahlprogramm auf die energieintensive Industrie. Abgesehen davon sollen auch für Verkehr und Gebäude, die unter den neuen Emissionshandel ab 2027 fallen, ab 2043 keine neuen Zertifikate mehr ausgestellt werden.
Wir alle haben keine Glaskugel und wissen nicht, wie sich der Preis für Emissionszertifikate entwickeln wird. Wer weiß, wie lange zum Beispiel aufgesparte Zertifikate noch im Umlauf sein werden.
Aber ich sage nochmal, mir als klimapolitischem Sprecher der FDP-Fraktion geht es darum, auf die Gesamtwirtschaft zu gucken und nicht nur auf die Industrie.
Fachleute gehen davon aus, dass höchstens noch ein bis zwei Jahre nach dem Ende neuer Zertifikate noch welche im Umlauf sein werden. Dann wäre Ihr 2050-Vorschlag nur für die Landwirtschaft eine tatsächliche Entlastung, weil sie nicht unter den Emissionshandel fällt.
Die Landwirtschaft macht zwar zehn bis 20 Prozent der Gesamtemissionen aus, es gibt dort aber keinen Wasserbetteffekt: Wenn Deutschlands Agrarsektor fünf Jahre länger Treibhausgase ausstößt, dann stoßen deshalb andere Länder nicht weniger aus. Unterm Strich landen mit Ihrem Vorschlag also mehr Treibhausgase in der Atmosphäre ...
Das muss nicht zwangsläufig so sein. Es gibt schließlich technische Möglichkeiten, um diese Emissionen abzufangen – namentlich CCS und CCU. Deutschland muss anfangen, diesen Weg zu gehen.
Diesen Technologien darf sich Deutschland nicht versperren. Das sind sonst nur zusätzliche Stolpersteine für die Wirtschaft und auch die Landwirtschaft. Auch hier ist das EU-Ausland in vielen Fällen schon weiter als wir.
CCS in der Landwirtschaft? Selbst wenn es die Möglichkeit etwa für Negativemissionen in der Landwirtschaft gäbe, ist doch nicht davon auszugehen, dass Betriebe fünf Jahre lang freiwillig Geld für CO2-Kompensation ausgeben.
Nochmal: 2050 soll Europa und damit auch Deutschland klimaneutral sein. Das gilt auch für die Landwirtschaft. Und nur, weil die Landwirtschaft dann fünf Jahre mehr Zeit bekommen würde, wird sie ihre Bemühungen ja nicht über den Haufen werfen.
Angenommen, es wären tatsächlich noch bis 2050 Zertifikate im Umlauf. Deutschland ist die größte Volkswirtschaft der EU: Wäre es nicht gerecht, wenn Deutschland Anstrengungen unternimmt, schneller Klimaneutralität zu erreichen als ärmere Länder der EU, beispielsweise Bulgarien oder Griechenland, und damit weniger von den Zertifikaten für sich beansprucht?
Es mag sein, dass manche osteuropäische Länder Probleme haben, dieses Ziel zu erreichen. Das muss dann in der EU diskutiert werden. Das hat allerdings nichts mit Deutschland zu tun.
Ich muss das nochmal betonen: Das 2045-Ziel ist uns nicht von der EU auferlegt worden, sondern eine alte Kanzlerin fand das schick.
Wenn Deutschland mehr Zertifikate verbraucht und es eine endliche Menge an Zertifikaten gibt, bleibt weniger für andere Länder – so weit stimmen Sie aber zu?
Wenn wir dadurch starke volkswirtschaftliche Schäden in Deutschland anrichten, bringt das gar nichts. Realistisch ist: Europa geht gemeinsam Schritt für Schritt, und dann erreichen wir auch alle die Klimaziele.
Wir können es uns gerade wirtschaftlich nicht leisten, voranzugehen, um es damit hypothetisch anderen Ländern zu erleichtern.
"Wir müssen mehr Musk und Milei wagen", hat Ihr Parteichef Christian Lindner gesagt. Haben Sie sich als klimapolitischer Sprecher darüber geärgert? Der argentinische Präsident Javier Milei leugnet ja den menschengemachten Klimawandel und Tesla-Chef Elon Musk fällt immer wieder mit obskuren Aussagen dazu auf.
Ich habe das Zitat von vornherein richtig verstanden, und deshalb habe ich mich darüber nicht geärgert. Mit mehr Musk war gemeint, dass der Staat effizienter arbeiten soll, und mit mehr Milei, dass wir uns wieder auf marktwirtschaftliche Tugenden besinnen sollten.
Ob ich mit den Personen dann an anderer Stelle nicht übereinstimme, spielt für mich keine Rolle. Ich war über die mediale Aufregung überrascht. Ich hätte den Journalisten zugetraut, das richtig einzuordnen.
Macht Ihnen die Klimakrise Angst?
Die Klimakrise macht mir keine Angst. Ich glaube, dass die Welt in der Lage ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber wir müssen mutiger werden und auch neue Ideen und Ansätze ausprobieren.
Was mir Angst macht, ist, dass die Antwort auf den Klimawandel für manche Degrowth und Deindustrialisierung ist.
Ich habe Angst, dass wir Menschen mehr auflasten, als wir müssten und sollten, und das nur aus ideologischen Gründen. Ich bin ein optimistischer Mensch und davon überzeugt: Die Menschheit ist in der Lage und hat den Mut, diese Welt auf die richtige Bahn zu lenken.