In Kommunen mit lockerer Bebauung sind Wärmenetze oft nicht wirtschaftlich. (Bild: Oleg Fedotow/​Shutterstock)

Die Nachricht dürfte in der Gaswirtschaft die Runde machen. In Markt Hohenwart in Oberbayern wurden im letzten Winter zehn Haushalte und eine Schreinerei mit Wasserstoff zum Heizen versorgt – und zwar über das vorhandene Gasleitungsnetz. Dieses könne also auch mit 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden, schließen die beteiligten Versorger aus Bayern und Thüringen aus dem Testlauf.

Gerade die Betreiber der Gasverteilnetze sehen sich beim Wasserstoff einem immensen Kostenproblem gegenüber. Der angebliche "Brennstoff der Zukunft" hat nicht nur deutlich weniger Energiegehalt als fossiles Erdgas, er ist auch, sofern mit erneuerbaren Energien erzeugt, auf Jahre hin knapp und teuer. Kämen dann noch hohe Umrüstkosten fürs alte Netz hinzu, könnten die Betreiber ihre Gasleitungen gleich auf den Müll werfen. Aus der Traum vom Heizen mit Wasserstoff.

Mit Wasserstoff zu heizen – genau vor dieser Geschäftsidee warnt ein heute veröffentlichtes Rechtsgutachten. Klima- und Umweltverbände hatten die Hamburger Umweltrechts-Kanzlei Günther beauftragt, das Wärmeplanungs- und das Gebäudeenergiegesetz daraufhin zu untersuchen, welche Spielräume, Rechte und Pflichten Kommunen bei der Bewertung von Wasserstoff haben, speziell bei der Versorgung von Haushalten und Gewerbe über ein bestehendes Gasnetz.

Skepsis gegenüber dem Heizen mit Wasserstoff

Die Frage ist akut. Großstädte müssen bis Mitte 2026 eine kommunale Wärmeplanung vorlegen, kleinere Gemeinden bis Mitte 2028. Dabei müssen sie, wird im Gutachten betont, für jedes Teilgebiet der Gemeinde, in dem ein Gasverteilnetz liegt, abwägen, ob die Umstellung auf Wasserstoff die voraussichtlich kosteneffizienteste Art einer klimaneutralen Wärmeversorgung sein wird.

Vorher haben die Gasnetzbetreiber den Kommunen noch verbindliche Pläne für die Umstellung ihrer Netze vorzulegen. Die Kommunen sollen vorher wissen, ob Wasserstoff verfügbar ist. So will es das Wärmeplanungsgesetz.

 

Die juristischen Gutachter stehen dem Verheizen von Wasserstoff generell sehr skeptisch gegenüber. Wasserstoff sei für die Wärmeversorgung zu energieaufwändig in der Herstellung und werde für lange Zeit kaum verfügbar und sehr teuer sein, stellen sie fest. Um Gebäude zu heizen, stehen demnach Alternativen zur Verfügung, die effizienter und kostengünstiger sind.

Die Kommunen stecken hier mehrfach in der Zwickmühle. Das liegt an den gesetzlichen Fristen zur Wärmeplanung, den wirtschaftlichen und klimapolitischen Erwägungen sowie an den Abhängigkeiten von den Gasversorgern einschließlich deren Wasserstoff-Lobbyismus.

Entsprechend vorsichtig fällt der gutachterliche Rat aus. Die Kommunen sollten bei den weitreichenden Festlegungen in der Planung der Wärme- und Wasserstoffnetze der "realistischen Machbarkeit" den Vorrang geben gegenüber den theoretischen Vorteilen. Das liege im Interesse der Gebäudeeigentümer und Wärmekunden, vor allem, damit nicht eine unrealistische Planung dann fehlgehe.

Kommunen können ihre Bürger von Fehlinvestitionen schützen

Kurz gesagt: Heizungsträume mit Wasserstoff mögen "grün" daherkommen, werden aber größtenteils Fiktion bleiben und lösen sich auf, wenn die Leute dann ohne eine Heizungsalternative dastehen.

Ein klares Fazit aus dem Gutachten zieht Wiebke Hansen. "Kommunen sollten nicht mit Wasserstoff zum Heizen planen, weil es unrealistisch ist, dass grüner Wasserstoff dafür verfügbar und bezahlbar sein wird", betont die Energieberaterin vom Mitauftraggeber Umweltinstitut München.

Sie begrüßt, dass das Gutachten die Kommunen rechtlich darin bestärkt, die von der Gasbranche forcierte Umstellung der Gasnetze auf Wasserstoff abzulehnen. Mit einer klaren Ankündigung, dass es keinen Wasserstoff zum Heizen geben wird, könnten Kommunen ihre Bürger vor Fehlinvestitionen in die "H2-ready"-Technologie schützen, so Hansen.

Das Gutachten rät den Kommunen auch dringend dazu, Entscheidungen der Wärme- und Wasserstoffnetzplanung nicht vollständig privaten Planungsdienstleistern zu übergeben. Eine solche unkritische Überlassung "wäre regelmäßig rechtswidrig", wird gewarnt. Und allermindestens sollten die Gemeinden von den Netzbetreibern auch konkrete Zusagen zur Übernahme wirtschaftlicher Risiken einfordern.

Anschlusszwang kann Wasserstoff-Einsatz nicht ausschließen

Gleichwohl sind die Kommunen laut dem Gutachten verpflichtet, alle Akteure zu beteiligen und deren Vorschläge zu prüfen. Die Kommune kann also nicht so tun, als gäbe es die Option Wasserstoff überhaupt nicht.

Diese Option können Kommunen offenbar auch nicht aus der Welt schaffen, indem sie beispielsweise einen Anschlusszwang für Nah- und Fernwärme aus Wärmepumpen, Abfallverbrennung, Geothermie oder Solarthermie beschließen.

Ob ein solcher "Zwang" möglich ist, hänge letztlich von der Wirtschaftlichkeit ab, erläutert Wiebke Hansen. Eine Kommune könne im Wärmeplan zwar Wärmenetzgebiete bestimmen, diese in der kommunalen Satzung ausweisen und/​oder unter bestimmten Umständen einen Anschluss- und Benutzungszwang beschließen – das könne die Kommune aber nur dort tun, wo die Wärmeversorgung auch wirtschaftlich ist, so Hansen weiter.

 

Ihrer Erfahrung nach gibt es allerdings keine Gemeinde, wo dieses Kriterium der Wirtschaftlichkeit fürs gesamte Gemeindegebiet oder über die ganze Ausdehnung des Gasnetzes gegeben ist. Wärmenetze seien dort am wirtschaftlichsten, wo pro Meter Leitungslänge die meiste Wärme nachgefragt wird, sagt Hansen. Das treffe vor allem auf verdichtete Gebiete mit Mehrfamilien- und Hochhäusern zu.

Die Frage nach einem Wasserstoffnetzgebiet stellt sich für Wiebke Hansen überhaupt nur dort, wo heute schon Gasnetze liegen und Wärmenetze nicht wirtschaftlich sein werden. Das seien vor allem Einfamilien- und Reihenhaussiedlungen. Auch da eigne sich Wasserstoff aber letztlich nicht zum Heizen.

Wasserstoff für Industrie kann Haushalte mitversorgen

Kommen in so einem kommunalen Gebiet weder Fernwärme noch ein Wasserstoffnetz infrage, wird es zu einem Gebiet dezentraler Versorgung erklärt. Die Bewohner müssen sich dann selbst kümmern, wie sie die Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes einhalten.

Entscheidet sich eine Kommune in der Wärmeplanung gegen das Heizen mit Wasserstoff, steht das einer späteren Versorgung großer Industrie- und anderer Kunden mit dem "grünen" Brennstoff nicht im Wege, erläutert Rechtsanwalt Dirk Legler, einer der Gutachter, auf Nachfrage.

Sollte dabei auch festgestellt werden, dass von der Industrie benötigte Prozesswärme wirtschaftlicher mit Wasserstoff bereitgestellt werden kann, könnte im Einzelfall eine Versorgung benachbarter Gewerbebetriebe und Haushalte mit Wasserstoff als Option in die weitere Prüfung aufzunehmen sein, stellt Legler auf Nachfrage klar. Für ihn ist aber auch dann die Frage, ob für Haushalte und Gewerbe nicht andere Optionen wirtschaftlicher und klimafreundlicher sind.

Damit ist zumindest klar: Selbst wenn ein altes Gasnetz hundert Prozent Wasserstoff vertragen sollte, heißt das noch lange nicht, dass die Haushalte künftig auch mit H2 heizen werden.