Wie halten Sie's denn nun mit dem Klimaschutz? Kurz vorm Wahltermin sehen sich Medien und Spitzenkandidaten doch noch genötigt, sich zum Klimaschutz zu äußern. Auch werden Umfragen darauf abgeklopft, was der Wählerwille zum Klima sagt.
Große politische Relevanz besitzt das thematische Aufflackern nicht. Es ist fast wie mit dem Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen. Will man Donald Trumps Abkehr von jeglicher Klimapolitik irgendeinen Sinn geben, dann bietet sich noch dieser an: Es gilt, endlich der klimapolitischen Realität ins Auge zu blicken – und die heißt: Wir müssen uns auf ein Leben auf einer Planetenoberfläche einstellen, die sich in den nächsten Jahrzehnten um mindestens zwei Grad erwärmen wird gegenüber der vorindustriellen Zeit.
Aber wir haben doch, wird mancher einwenden, das Pariser 1,5-Grad-Ziel. Tatsächlich machte das viel Sinn in einer fragilen Klimawelt, wo es auf jedes Zehntelgrad nach oben oder unten ankommt. Auch ist der Einsatz für eine zeitnahe Rettung allemal besser als ein Sich-Fügen in anscheinend Unabänderliches.
Jetzt wird aber mehr und mehr klar: Das 1,5-Grad-Ziel hat uns in falschen Hoffnungen gewiegt. Die eine war, dass die dazu notwendige Halbierung der CO2-Emissionen bis 2030 irgendwie noch aus dem Hut gezaubert werden kann.
Der hier unter Klimaoptimisten übliche Verweis auf den unaufhaltsamen Aufstieg der erneuerbaren Energien ist zwar nicht falsch. Global gesehen ist es gegenwärtig aber so, dass der Erneuerbaren-Boom vor allem den Zuwachs beim Energiehunger deckt – der fossile Grundstock wird nur wenig angetastet. Und im Klimaschutz zählt am Ende eben nur, wie schnell die fossile Verbrennung heruntergefahren wird. Nur das sorgt wirklich für weniger Treibhausgasemissionen.
Die andere Falsch-Annahme war, dass es auch nach dem Überschreiten des 1,5-Grad-Limits in absehbarer Zeit immer noch einen Weg zurück gibt zu einer "kühleren" Erde. Doch technische Optionen für die dazu nötige CO2-Speicherung wird es auf Jahrzehnte nicht in ausreichendem Maße geben. Und die größte und effizienteste CO2-Senke – die Biomasse in Wäldern und Meeren – verliert im Zuge des Klimawandels an Leistungsfähigkeit.
Fakt ist eben auch: Der fortschreitende Klimawandel verlangt, immer mehr Ressourcen für die Klimaanpassung zu verwenden. Besonders im globalen Süden geht es dabei zunehmend ums nackte Überleben. Die hierzulande bemühten "grün-blauen" Städte sind für das Leben der Menschen unverzichtbar, bringen aber auch keine schnelle und massive CO2-Reduktion.
Experten beschreiben das ganze Phänomen so: Der fortschreitende Klimawandel schränkt unsere Möglichkeiten für den Klimaschutz ein.
Und Deutschland? Unser Land hat seinen fairen, am Maßstab globaler Gerechtigkeit gemessenen Anteil am 1,5-Grad-Budget der Menschheit schon seit einigen Jahren aufgebraucht, errechnete vor einiger Zeit der Umwelt-Sachverständigenrat der Bundesregierung. So gesehen dürften wir gar keine Treibhausgase mehr emittieren.
Wir werden uns sogar sehr anstrengen müssen, unseren Anteil am Zwei-Grad-Budget nicht zu überschreiten. Laut Umweltrat reicht der deutsche Anteil für ein globales 1,75-Grad-Limit nur noch etwas mehr als zehn Jahre. Der vom geltenden Klimaschutzgesetz vorgezeichnete Treibhausgas-Reduktionspfad liegt aus heutiger Sicht zwischen dem 1,75-Grad- und dem Zwei-Grad-Pfad. Und ob die Ziele des Klimagesetzes bis 2030 eingehalten werden, ist ziemlich unklar.
Die Sachlage ist also: Selbst um das schwache Zwei-Grad-Ziel muss Deutschland kämpfen. Das berücksichtigend, sollten die Wählerinnen und Wähler die richtigen Entscheidungen treffen.