Sebastian Sladek. (Bild: Bernd Schumacher)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Sebastian Sladek, geschäftsführender Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau (EWS).

Klimareporter°: Herr Sladek, für die Energiewende fehlen überall Fachkräfte. Gleichzeitig wird Frauen, die zum Beispiel Solarteurin werden wollen, der Einstieg extra schwer gemacht. Das zeigte auch kürzlich ein Solarcamp von Fridays for Future in Berlin. Solche Initiativen, die bei Solaranlagen auf Selbermachen setzen, finden immer mehr Verbreitung. Wie finden Sie das?

Sebastian Sladek: Da denke ich an unser Stromseminar vor fünf Jahren. Damals haben wir mit dem Schweizer Syril Eberhardt den Ideengeber und Gründer der allerersten Solar-Selbstbaugenossenschaft zum "Stromrebellen 2018" gekürt.

Seine Idee hat sich inzwischen auch in Deutschland verbreitet. Es gehört schon immer zur DNA der EWS, Menschen dabei zu unterstützen, selbst für Klimaschutz und Energiewende aktiv zu werden. Insofern sind wir sehr glücklich darüber, dass die Bestrebungen zunehmen, beim Solarausbau selbst aktiv zu werden.

Dass Frauen es in vielen Handwerksbetrieben immer noch schwer haben, ist natürlich inakzeptabel. Es gibt aber auch positive Beispiele von Betrieben, die ihre Arbeitskultur weiterentwickelt haben, sodass allen Mitarbeitenden gleichermaßen Respekt und Anerkennung entgegengebracht wird, und wo auch Bewerbungen von Frauen besonders willkommen sind.

Das ist gesellschaftlich und auch vor dem Hintergrund des eklatanten Fachkräftemangels geboten und sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

Die Wohnungswirtschaft blockiert Balkonkraftwerke, beklagt Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe im Interview. Sie fordert mehr Mitsprache für Mieterinnen und Mieter und kann sich eine Aufnahme dauerhaft installierter Solarsteckgeräte in den Mietvertrag vorstellen. Können Sie sich das auch vorstellen?

Balkonkraftwerke sind der erste Schritt zur bürgereigenen Stromversorgung – und damit einer Stärkung der Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern an der Energiewende. Ich bin deshalb völlig dabei, dass die Installation der Steckersolaranlagen maximal unkompliziert sein muss.

Das vom Bundeskabinett verabschiedete Solarpaket macht ja zum Glück schon mal einen Anfang. Damit sollen der Photovoltaik-Ausbau auf allen Ebenen beschleunigt und die vielen Bremsklötze – gerade bei Balkonkraftwerken – beseitigt werden. Wenn die Wohnungswirtschaft nicht will, dann muss man ihr eben über adäquate Maßnahmen helfen, zwei, drei Gänge hochzuschalten.

Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass es die Ausbaubeschleunigung nicht nur auf den Balkons braucht, sondern auch auf den Dächern, an den Fassaden und vor allem in der Fläche.

Ohne die Strommengen aus Solarparks werden wir die Solarziele für 2030 nicht erreichen. Gerade beim Ausbau dieser Anlagen gibt es nicht selten Widerstände vor Ort.

Deshalb braucht es Konzepte, die es Bürgerenergiegesellschaften ermöglichen, den Strom aus den Solarparks zu vergünstigten Konditionen in der Region zu nutzen – und so die Teilhabe an der Energiewende zu stärken.

Mit der Ermöglichung von Energy Sharing könnte die Bundesregierung auch auf dieser Ebene einen großen Schritt nach vorn machen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass beim Energy Sharing endlich die Bremsen gelöst und dies noch ins Photovoltaikgesetz aufgenommen wird.

Zwei Freiburger Forstwissenschaftler haben jetzt eine Langzeitstudie über den Einfluss von Klimaveränderungen auf die Bäume im Schwarzwald vorgelegt. Sie zeigt: Trockene und heiße Sommer reduzieren das Wachstum der Bäume und erhöhen die Absterberate. Herr Sladek, Sie leben selbst in der Region. Sind die Folgen des Klimawandels dem Wald tatsächlich schon anzusehen?

Baumsterben am Feldberg, Sommer 2023. (Bild: EWS)

Erst vor wenigen Tagen war ich am Feldberg unterwegs und war wirklich erschüttert, wie sehr sich der Wald sichtbar verändert hat. Über weite Strecken gingen wir durch Gebiete, in denen die großen Nadelbäume komplett abgestorben waren. Durch den Regen der vergangenen Wochen war das Unterholz schön grün – umso bedrohlicher wirkten die toten Bäume.

Die Langzeitstudie von Hans-Peter Kahle und Heinrich Spieker zeigt für mich noch etwas anderes: Es ist für unsere Zeit verheerend, dass die Stimme der Wissenschaft, gerade was die Erderwärmung betrifft, immer weniger gehört wird.

Diese wichtige Studie war in den Medien nur wenig präsent. Wissenschaftliche Erkenntnisse interessieren Politik und Gesellschaft immer weniger. Anstatt der Angst vor Veränderung mit Fakten zu begegnen, schüren Politiker Emotionen und missbrauchen die Verunsicherung in der Bevölkerung für eigene Machtbestrebungen. Das empfinde ich im Angesicht der realen Bedrohungen von heute als zutiefst abstoßend.

Zur Hälfte ihrer Regierungszeit hat die Ampel noch viel Rückstand bei der Erfüllung ihrer verkehrspolitischen Ziele. Ein am Mittwoch veröffentlichter Politik-Check dreier Verkehrsverbände beklagt vor allem einen "Wirrwarr" bei den Maßnahmen. Wie fällt Ihre Bilanz in der Verkehrspolitik aus?

Die Bilanz lässt sich ja an den nackten Zahlen ablesen, die das Umweltbundesamt ermittelt hat: Beim nötigen Herunterfahren der Emissionen ist der Verkehrssektor nicht ansatzweise auf Kurs.

Im Gegenteil, die Regierung schleift lieber die große klimapolitische Errungenschaft der letzten Jahre, das Klimaschutzgesetz, statt ihren Verkehrsminister zu wirksamen Sofortmaßnahmen wie einem Tempolimit zu verdonnern. Das ist ein Offenbarungseid.

Allgemein zeigt sich bei der Richtungslosigkeit im Verkehrsbereich besonders deutlich, welch unterschiedliche Bestrebungen in dieser Koalition miteinander vereinbart werden müssen. Dass sie etwa "Autobahnen und Klimaschutz zusammen denken" will, hat schon etwas von Realsatire.

Die Kompromisse, die da ausgehandelt werden, helfen vielleicht der Koalition, die nächsten zwei Jahre nicht auseinanderzubrechen. Sie sind aber kein Beitrag, um eine zukunftsfähige, klimafreundliche Mobilitätsinfrastruktur zu errichten.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Es hat genau einen Tag gedauert, dass die FDP nach der Kabinettsklausur in Meseberg den versprochenen Schalldämpfer abgenommen und wieder mal rausgedonnert hat, die Atomkraftwerke, die bereits zurückgebaut werden, wieder aktivieren zu wollen.

Obwohl die Betreiber selbst daran kein Interesse haben. Obwohl wir bereits sehen, dass durch die Abschaltung der deutschen AKW keine Probleme entstanden sind. Obwohl Kanzler Scholz selbst ein Zurück zur Atomkraft kategorisch ausgeschlossen hat.

Obwohl die Ausfälle der französischen Uralt-AKW das gesamte europäische Verbundnetz belasten. Obwohl Schweden seine AKW-Pläne klammheimlich beerdigt hat, weil sie einfach zu teuer sind im Vergleich zu Erneuerbaren. Obwohl Australien allen AKW-Bestrebungen eine Absage erteilt hat, aus demselben Grund.

Ist das einfach nur Trotz oder schon pathologische Lernschwäche? Dass nach Jahrzehnten des Atomdiskurses dieser durchgenudelte Quark bei vielen Medien und in Teilen der Gesellschaft noch immer derart verfängt – das überrascht mich dann doch etwas.

Fragen: Jörg Staude