Langer Güterzug auf gerader Strecke.
Um den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, müssen mehr Strecken elektrifiziert werden, fordern Verkehrsverbände. (Bild: Martin Vorel/​Libreshot)

Die Klimapolitik der Ampelkoalition besteht "aus drei verschiedenen Puzzles mit tausend Teilen". So brachte Brigitte Knopf, Vizevorsitzende des Klima-Expertenrats der Bundesregierung, ihren Eindruck vergangene Woche auf den Punkt.

Was die Verkehrspolitik der Ampel angeht, könne er Knopfs Eindruck nur bestätigen, griff Dirk Flege am Mittwoch das Puzzle-Bild auf. Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene erkennt zwar Aufbruchssignale in der Verkehrspolitik, diese irrlichterten aber in einem "Wirrwarr" von Weichenstellungen und Blockaden herum. Weder eine Gesamtstrategie noch eine Koordination seien erkennbar.

"Die Ampel flackert, blinkt und zeigt verkehrspolitisch immer wieder in verschiedene Richtungen", fasste Flege seinen Eindruck bei der Präsentation eines verkehrspolitischen Checks der Regierungspolitik zusammen. Diesen legte das Schienenbündnis gemeinsam mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) und dem Auto Club Europa (ACE) vor.

Beispielhaft für den Wirrwarr steht aus Sicht der drei Verbände das Deutschlandticket. Was als furioser Paukenschlag und mögliche Nahverkehrsrevolution begonnen habe, stecke jetzt in der ungeklärten Folgefinanzierung für die kommenden Jahre fest, kritisierte Flege.

Vorläufiger Höhepunkt des Bund-Länder-Streits ist für Flege die pauschale Absage von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), die Bundesmittel für das Ticket aufzustocken – bei gleichzeitigem Verweis an die Länder, diese sollten alle Kostensteigerungen durch mehr Effizienz auffangen und das Verkehrsangebot auch noch ausweiten. "Wir sind dabei, das tolle Instrument Deutschlandticket zu verstolpern", warnte der Allianz-pro-Schiene-Geschäftsführer.

Vorschläge der Schienenkommission in der Schublade

Seit einem Dreivierteljahr warten die Verbände nach Fleges Angaben auch auf die Umsetzung der Empfehlungen der von der Ampel selbst eingesetzten "Beschleunigungskommission Schiene". Fachleute aus dem gesamten Schienensektor haben in dem Gremium 70 konkrete Maßnahmen ausgearbeitet, die nun geprüft und zeitnah realisiert werden sollen, so jedenfalls die ursprüngliche Zusage von Ende 2022.

 

Flege, selbst Mitglied der Kommission, mahnte besonders die weitere Elektrifizierung des Schienennetzes an. In diesem und dem nächsten Jahr würden nicht einmal zwei Dutzend Kilometer elektrifiziert. "Es müsste achtmal so schnell gehen wie bisher, um bis 2030 tatsächlich 75 Prozent des Schienennetzes zu elektrifizieren", sagte Flege. Aktuell sind es 62 Prozent.

Gerade für die Stärkung des Schienengüterverkehrs hält Flege die weitere Elektrifizierung für unersetzlich. "In der Güterbahn hilft ein Wasserstoff- oder ein Akkutriebzug, wie es ihn im Nahverkehr gibt, nicht wirklich. Die Oberleitungen gehören nicht auf die Straße, sie gehören auf die Schiene", forderte er.

Radverkehrsplan ist nicht ausfinanziert

Als eher mangelhaft bewerten die Verbände in ihrem Politikcheck auch die Radverkehrspolitik. Der Nationale Radverkehrsplan bleibe eine reine Absichtserklärung, solange es dafür keine klare und konkrete Finanzierung gebe, betonte Angela Kohls vom ADFC.

Keine 50 Kilometer Radwege aus dem Plan seien bisher fertiggestellt, beklagte die Politikchefin des Radverkehrsverbandes. Noch immer sei völlig offen, wie viele Radweg-Kilometer überhaupt gebaut werden sollen und welche Fördersumme dafür zur Verfügung steht.

Deutschland müsse endlich von einem Land des "Fahrradnotstands" zu einem attraktiven Fahrradland werden, forderte Kohls. Dafür werde jährlich eine Milliarde Euro Förderung benötigt.

Vor allem beim Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen hat sich laut dem Ampel-Check kaum etwas in die richtige Richtung bewegt. Entsprechend appellieren die drei Verbände an die Bundesregierung, Dienstwagen- und Dieselprivileg sowie die Kerosinsteuerbefreiung abzuschaffen.

Keine klare Linie

Die Verbände begrüßen, dass in diesem Jahr erstmals mehr Geld in die Schiene als in die Straße investiert werde. Alles in allem bewerten die drei Organisationen die Verkehrspolitik der Ampel noch als "ausreichend".

Das gilt allerdings nicht für die klimapolitischen Ergebnisse, wie Flege ausdrücklich betonte. Die Verbände fordern hier unter anderem ein Tempolimit von 130, orientiert an der heutigen Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen.

In ihrem Resümee beklagen Allianz pro Schiene, ADFC und ACE die fehlende Gesamtstrategie für die Verkehrsträger Straße, Schiene und Radwege. Dirk Flege: "Es ist bislang keine klare Linie erkennbar, wo Deutschland bei der Verkehrswende hinwill. Die Bundesregierung muss Schiene, Straße und Radwege viel stärker vernetzt denken und klar die Maßnahmen priorisieren, die den größten Beitrag zur Verkehrswende leisten können."