Großer Solarpark entlang der Autobahn A24 in Mecklenburg-Vorpommern, kurz vor der Grenze zu Schleswig-Holstein.
Solarparks an Autobahnen sollen künftig Standard werden, vermutlich nicht immer so groß wie dieser bei Zarrentin in Mecklenburg-Vorpommern. (Foto: Schoenergie GmbH)

Nach einer Marathon-Sitzung haben die Parteivorsitzenden von SPD, Grünen und FDP am Dienstagabend die Ergebnisse des Koalitionsausschusses verkündet. Eines der beschlossenen Vorhaben entschärft das Klimaschutzgesetz: Die Ergebnisse der einzelnen Sektoren sollen künftig miteinander verrechnet werden können.

Die bisherigen Vorschriften hätten in der Praxis zu "nicht durchführbaren Ergebnissen" geführt, deswegen wolle man das Klimagesetz "konzeptionell" ändern, erklärte FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner nach dem Abschluss der Gespräche.

Künftig, so Lindner, werde man "nicht mehr jährlich", sondern bis 2030 bilanzieren und dafür sorgen, dass die Sektoren sich "gegenseitig helfen" können. "Wir überwinden die reine Sektororientierung", betonte Lindner. Die Regierung nehme stattdessen eine langfristige, sektorübergreifende Perspektive ein. Lindners Interpretation: "Im Klimaschutzgesetz öffnen wir den Raum für marktwirtschaftliche Ergebnisse."

Laut dem verabschiedeten 16-seitigen Papier mit dem Titel "Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung" soll der Stand beim Klimaschutz künftig mit einer "sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung" überprüft werden.

Das knüpft ziemlich wörtlich an den Koalitionsvertrag an, in dem sich die drei Parteien geeinigt hatten: "Die Einhaltung der Klimaziele werden wir anhand einer sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen Gesamtrechnung überprüfen."

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte dazu, dass die Sektorziele als "Prinzip des Klimaschutzgesetzes" bestehen bleiben würden. Es werde aber einfacher für die Sektoren, sich untereinander zu unterstützen. Später erläuterte sie in der ARD, wenn Deutschland als Ganzes die gesetzliche Klimavorgabe überziehe, bleibe es letztlich in der Verantwortung der dafür verantwortlichen Sektoren, dann entsprechend einzusparen.

Sektoren wie Verkehr und Gebäude haben ihre Ziele in den letzten Jahren immer verfehlt. Bislang hatten die Grünen die Versuche der FDP, das Klimagesetz zu entschärfen, stets abgelehnt.

Um Investitionen in Infrastruktur wie Schienenwege und Straßen sowie in erneuerbare Energien zu beschleunigen, griff der Koalitionsausschuss offensichtlich einen Vorschlag aus dem sogenannten Notfallpaket der EU auf. Danach können naturräumliche Beeinträchtigungen zum Beispiel beim Bau von Windanlagen künftig auch durch Geldleistungen statt durch Ausgleichsmaßnahmen abgegolten werden.

Autobahnprojekte in "überragendem öffentlichen Interesse"

Dieses will die Koalition auch für andere Vorhaben wie den Schienen- und Straßenbau ermöglichen. Lindner lobte das ausdrücklich als einen "Paradigmenwechsel". Dieser liege sowohl im Interesse des Naturschutzes als auch privater wie öffentlicher Investitionen.

Weitere Details der erzielten Einigung bestehen darin, dass ein Aufschlag auf die Lkw-Maut zur Finanzierung der Bahn beitragen soll. Der Ausbau von Straßenengpässen soll künftig – wie der Ausbau der Windkraft – rechtlich in einem "überragenden öffentlichen Interesse" liegen. Nach Lindners Worten betrifft das insgesamt 144 Autobahn-Projekte.

Grünen-Chefin Lang erklärte dazu, dass künftig jedes Straßenbauprojekt in Deutschland mit Photovoltaik verbunden sein soll. Der Kompromiss zeige, dass es gelungen sei, von unterschiedlichen Sichtweisen ausgehend am Ende bessere Ergebnisse zu erzielen.

 

Im Papier heißt es dazu: "Es soll kein Kilometer Autobahn mehr geplant werden, ohne die Möglichkeiten der Erzeugung erneuerbarer Energien auszuschöpfen."

Weiter soll laut Medieninformationen der Heizungstausch technologieoffen gefördert werden. Fossile Heizungen blieben weiter erlaubt und können auch repariert werden. Für den Tausch soll es ausreichend lange Übergangsfristen geben.

Die Beschlüsse haben dem Finanzminister zufolge keine größeren Auswirkungen auf den Bundeshaushalt. Lindner verwies bei der Finanzierungsfrage auf den Klima- und Transformationsfonds sowie auf die Erhöhung der Lkw-Maut.

Auch SPD-Chef Lars Klingbeil lobte die Ergebnisse. Viele Planungs- und Genehmigungsverfahren ließen sich nun endlich beschleunigen und das Land könne bei Infrastruktur und Klimaschutz vorankommen.

Alles vom Koalitionsausschuss Beschlossene soll möglichst bis Ende Mai durch den Bundestag gebracht werden.

Umweltorganisation spricht von "Horror-Nachrichten"

Vor allem die geplante Aufweichung des Klimaschutzgesetzes kritisiert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) scharf. Das stelle eine absolute Katastrophe dar, erklärte die Organisation. Der Bundestag müsse dieses Desaster verhindern.

Wenn die "Anti-Klimaschutz-Koalition" nun Hand an das Klimagesetz lege, "versündigt sie sich an allen künftigen Generationen", sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Damit würden Geist und Inhalt des historischen Klimaschutzurteils des Bundesverfassungsgerichts konterkariert.

 

Resch weiter: "Ohne dass die verantwortlichen Ministerien zu jährlichen Minderungen verpflichtet werden, verkommt das Klimaschutzgesetz zum Papiertiger." Das werde dazu führen, dass Deutschland seine Zusagen aus dem Pariser Klimavertrag bricht.

Auch für den Verkehrsbereich sprach Resch von "Horror-Nachrichten" angesichts von 144 beschleunigten Autobahn-Bauvorhaben und einer geplanten "faktischen Gleichstellung" von Verbrenner-Pkw mit Elektroautos.

Kommentar:

"Tacheles" von Andreas Knie:

Anzeige