Große Autobahn-Baustelle in Deutschland, die Autobahn soll verbreitert werden.
Die SPD hat Klimaschutz versprochen, droht aber beim Autobahnausbau umzufallen. (Foto: Wolfgang Filser/​Shutterstock)

Boys will be boys and the FDP will be the FDP ... So in etwa fühlt sich gerade die Debatte über das geplante Beschleunigungsgesetz an, bei der vor allem der mehrspurige Ausbau von Autobahnen ein für Grüne und FDP ähnlich emotionales Thema ist – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Die Grünen lehnen die Autobahn-Beschleunigung vehement ab, die FDP will sie unbedingt. Ob Tempolimit, Neun-Euro-Ticket oder nun Autobahnen: Die autofreundliche Identitätspolitik der FDP scheint sich durch die verschiedenen Politikthemen zu ziehen und sorgt bei so mancher Grünen-Wähler:in für graue Haare.

Natürlich könnten klimabewusste Politiker:innen, Kommentator:innen und Aktivist:innen jetzt mit ihrem verzweifelten Versuch fortfahren, Druck auf die FDP aufzubauen. Es ist auch sicher nicht verkehrt, der FDP ständig einen Spiegel vorzuhalten und sie mit den Realitäten ihrer an den Klimazielen vorbeirasselnden Verkehrspolitik zu konfrontieren.

Andererseits spricht vieles dafür, dass die FDP ein lost cause ist, ein hoffnungsloser Fall. Von einer Partei, die in aktuellen Umfragen bundesweit zwischen fünf und acht Prozent liegt und bei Landtagswahlen wie zuletzt in Berlin immer mal wieder scheitert, aber scheinbar herausgefunden hat, dass diesen fünf Prozent das Thema Autos und Freiheit sehr wichtig ist, ist wohl nicht viel zu erwarten.

Schon in der Debatte um das Tempolimit, das ja 57 Prozent der Deutschen befürworten, wurde klar, dass es der FDP nicht um Mehrheiten, sondern um Identitätspolitik geht.

Im SPD-Wahlprogramm steht nichts von Autobahnausbau

Anders sieht das allerdings bei der SPD aus. Obwohl auch die Sozialdemokraten über Jahre hinweg eine auto- und autobahnfreundliche Linie gefahren haben – nach dem Motto: Infrastruktur bringt Wohlstand – hält sie sich gerade auffallend aus der Debatte heraus. Bundeskanzler Olaf Scholz beispielsweise bekannte sich im Streit zwischen FDP und Grünen bisher öffentlich zu keiner Seite.

 

Nun aber äußerte sich die SPD erstmals klarer zum Thema. "Auch in den kommenden Jahren werden Autobahnprojekte geplant und gebaut werden", sagte der SPD-Vize im Bundestag, Detlef Müller. Um im gleichen Atemzug klarzustellen, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren von Bahnprojekten Vorrang haben müssten.

Vieles spricht dafür, dass sich auch in der SPD immer mehr klimafreundliche Stimmen melden und die eingefahrene Vorstellung, dass Straßenbau Staus verhindert, Kommunen entlastet und wirtschaftliche Prosperität bringt, infrage stellen.

Immerhin stehen im Wahlprogramm der Klimakanzler-Partei Sätze wie: "Der Schienenverkehr ist ein Schwerpunkt unserer verkehrspolitischen Agenda." Oder auch die Forderung, dass an Knotenpunkten möglichst viele vom Auto auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen können. Vom Ausbau der Bundesautobahnen ist im Wahlprogramm kein Satz zu finden.

Wäre es nicht allerhöchste Eisenbahn für Olaf Scholz, zu beweisen, dass die SPD Klimaschutz und Klimagerechtigkeit nicht den Grünen überlässt (und im Streit zwischen Klima und Auto nur moderiert), sondern das Versprechen eines "Klimakanzlers" auch einlöst?

Gerade von der Partei, bei der man in acht Jahren großer Koalition vor allem Profillosigkeit zu sehen bekam, worunter sie sicher selbst am meisten gelitten hat, kann man jetzt erwarten, dass sie Stellung bezieht – und zwar zugunsten der Klimagerechtigkeit.

FDP will Verkehrs-Klimathemen Anfang März abräumen

Ähnlich formulieren es inzwischen die Grünen. Die parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic sagte kürzlich zum Autobahn-Streit, die SPD sei gefordert, "auch noch einmal die eigene Position in der Frage an der Stelle zu verdeutlichen". Tatsächlich ist es jetzt wichtiger denn je, den Druck aufrechtzuerhalten, damit die Stimmen in der SPD, die die FDP hier unterstützen wollen, sich nicht durchsetzen.

Noch ist der Zug nicht abgefahren, den Fokus zunehmend auf die SPD zu richten, deren Profil in der Autobahn-Frage viel unklarer ist als das der FDP, und die klimafreundlichen Stimmen in der SPD durch Nichtregierungsorganisationen und Umweltgruppen zu bestärken.

Die FDP bleibt natürlich ein guter Kontrahent – sie widerspricht in puncto Autobahnausbau dem Konsens der Verkehrswissenschaft, die schon lange darlegt, dass mehr Straßen zu mehr Autoverkehr führen. Aber wenn Grüne und Sozialdemokraten hier nicht zusammenhalten, droht die SPD mit ihrem Technologiefokus – von E-Autos bis Wasserstofftrucks – die Lösung der Klimakrise auf höchst riskante Art und Weise in die Zukunft zu verschieben.

Anfang März soll der Autobahnausbau auf der Tagesordnung des Koalitionsausschusses stehen. FDP-Verkehrsminister Wissing will das Thema Beschleunigung zusammen mit zwei anderen, nicht minder umstrittenen Fragen abräumen: dem Klima-Sofortprogramm für den Verkehr und der Novelle des Klimaschutzgesetzes.

Auch hier wird die Faustformel gelten: Zwei zusammen haben mehr Aussicht auf Erfolg als einer allein.

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