Ein grünes Auto markiert einen E-Auto-Parkplatz.
Wenn E-Autos Strom tanken, nutzt das dem CO2-Budget des Verkehrssektors bislang rein gar nichts, weil die Reduktion der Energiewirtschaft zugeschlagen wird. (Foto: Paul Brennan/​Pixabay)

Selbst Expert:innen, die sich auskennen, wollten es nicht glauben: Die teuren Fördermaßnahmen für Elektromobilität in Deutschland, die Staats-Milliarden für E-Autos und Ladesäulen, sparen nach den geltenden Regeln des Klimaschutzgesetzes dem Verkehrssektor exakt null Gramm CO2 ein.

Wenn E-Autos Strom tanken, wird gegenüber einem fossilen Antrieb im selben Auto zwar unzweifelhaft CO2 eingespart, diese Reduktion aber wird nach der gesetzlichen Logik dem Verursacher der Einsparung zugeschlagen. Und das ist nun mal die Energiewirtschaft – denn die erzeugt den Ökostrom, der am Ende den CO2-Vorteil des E-Autos herstellt.

Schwarz auf weiß wurde das jüngst bewiesen, als Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sein Sofortprogramm vorlegte, um die 2021er Überziehung des CO2-Budgets im Verkehr auszugleichen. Da steht auf Seite 12 des Gutachtens, mit dem die Effekte der einzelnen Maßnahmen bewertet werden, unter dem Punkt "Ladeinfrastruktur Pkw und Nutzfahrzeuge" das Eingeständnis: "keine eigene Treibhausgas-Minderung".

Wissing erzählte bei der Präsentation des Programms natürlich die Geschichte, man fördere die klimafreundliche Mobilität, indem man mit dem Aufbau der Ladeinfrastruktur den Hochlauf der E-Mobilität bei Pkw und Nutzfahrzeugen unterstütze.

Klar – ein FDP-Verkehrsminister hat keine wichtigere Aufgabe, als die Fördermilliarden für E-Mobilität der Autoindustrie zuzuleiten. Der Umweg über die Kaufprämie, die vor allem Besserverdienende nutzen können, macht die derzeitige E-Auto-Förderung zu einem perfekten FDP-Programm. Kein Wunder, dass Wissing da noch immer weitere Milliarden reinpumpen will.

Das Problem ist nur: Klimapolitisch hat sein Haus nichts davon. Die Emissionssenkung durch den Ladestrom wird im Klimagesetz dem Sektor gutgeschrieben, der ihn produziert: der Energiewirtschaft.

E-Mobilität hilft nur indirekt

Die einfache Wahrheit ist: Aus Sicht des Klimagesetzes sinken die CO2-Emissionen im Verkehr nur, wenn dort absolut weniger fossile Brennstoffe eingesetzt werden, beispielsweise durch ein Tempolimit.

Und da gut 95 Prozent der Klimaemissionen des Verkehrs aus dem Straßenverkehr stammen, also aus den Pkw und Lkw, muss gerade dort weniger fossiler Treibstoff verbraucht werden. Das träte beispielsweise auch ein, wenn die Verkehrsleistung der E-Mobilität schneller wachsen würde als die gesamte Verkehrsleistung. Die E-Mobilität hilft eben nur indirekt beim CO2-Einsparen im Verkehr.

Die Maßnahmen im Wissingschen Sofortprogramm, die auf reale und direkte CO2-Reduktion im Verkehr selbst abzielen, sind zudem eher lächerlich. So ist völlig klar, dass der Verkehrssektor sein Klimaziel nie und nimmer erreichen wird. Das Defizit droht sogar so groß zu werden, dass das deutsche Klimaziel für 2030 schwer in Gefahr gerät.

Das e-mobile Klimadilemma lässt sich aus Sicht der FDP nur lösen, in dem die Spielregeln des Klimagesetzes geändert werden. Vor allem soll die sektorscharfe Trennung der Emissionsgutschriften aufgehoben werden. Das ist der Kern des anhaltenden Streits zwischen Grünen und FDP um das große Klimaschutzsofortprogramm.

Die Grünen wollen, berichtet das Handelsblatt, weitgehend an den bestehenden Regeln des Klimaschutzgesetzes festhalten. FDP-Politiker:innen verlangen dagegen ein "sektorübergreifendes Klimaschutz-Sofortprogramm". Man wolle den Klimaschutz "ganzheitlich" betrachten.

Die FDP beruft sich dabei auf den Koalitionsvertrag. Das ist genau der wunde Punkt der Grünen. Zum Klimaschutzgesetz steht im Koalitionsvertrag dieser schöne Satz: "Die Einhaltung der Klimaziele werden wir anhand einer sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen Gesamtrechnung überprüfen."

Die FDP will dem Klimagesetz den Sektorzahn ziehen

Sektorübergreifend? Mehrjährig? Das ist genau das, was dem FDP-Minister aus der Klemme helfen könnte. Wie früher soll sich der Verkehr auf Kosten anderer Bereiche mit Placebo-Maßnahmen begnügen dürfen – bis irgendwann mal jenseits des Jahres 2040 die meisten Straßenfahrzeuge "technologieoffen" elektrisch oder mit E-Fuels unterwegs sind. Solange müssen eben die anderen Bereiche ran.

Die Grünen lesen den Satz im Koalitionsvertrag natürlich ein bisschen anders. Sie wollen die berechtigte Kritik an den Sofortprogrammen aufgreifen, dass erstens Klimaschutz-Maßnahmen sich in ihrer Wirkung meist nicht in Jahresscheiben zwängen lassen und dass zweitens Klimaschutz letztlich vom Zusammenspiel der Sektoren abhängt: Wenn kein Ökostrom da ist, nützen E-Autos herzlich wenig, wenn keine E-Autos da sind, läuft Ökostrom als Antriebsenergie ins Leere.

Auch der Expertenrat für Klimafragen hält den Auslösemechanismus für die Sofortprogramme der Ministerien für "verbesserungswürdig", wie er im Gutachten zu den 2021er Emissionen schreibt.

Die Expert:innen bemängeln unter anderem die unsichere Datengrundlage bei der Berechnung der Emissionen, das Nichteinberechnen von Sondereffekten wie Witterung oder Lagerhaltung sowie die Regel, dass ausschließlich vergangene Entwicklungen berücksichtigt werden und keine vorausschauenden Perspektiven.

Das mag alles berechtigt sein, wird aber die FDP wenig interessieren. Sie will dem Klimagesetz den Sektorzahn ziehen, die Grünen müssen das verhindern, damit das Gesetz kein zahnloser Tiger wird.

Wie die Operation im Herbst endet, da darf man gespannt sein. Denn im Koalitionsvertrag steht auch: "Wir werden das Klimaschutzgesetz noch im Jahr 2022 konsequent weiterentwickeln und ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen auf den Weg bringen."