Carolin Dähling. (Bild: Green Planet Energy eG)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Carolin Dähling von der Energiegenossenschaft Green Planet Energy, wo sie den Bereich Politik und Kommunikation leitet.

Klimareporter°: Frau Dähling, die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche von der CDU will das Heizungsgesetz reformieren. Es gebe ein Betriebsverbot für Gasthermen, die bis 1990 eingebaut wurden, sagte Reiche in dieser Woche.

Vor der Sommerpause soll auch die Absenkung der Stromsteuer aufs EU-Minimum kommen sowie ein Industriestrompreis von fünf Cent pro Kilowattstunde. Welchen Eindruck macht der Start der neuen Ministerin auf Sie?

Carolin Dähling: Katherina Reiche fährt eine glasklare Erdgas-Agenda – als hätte es die fossile Energiekrise nie gegeben. Erneuerbare kommen nur in Nebensätzen vor.

Die neuen 20.000 Megawatt fossiler Gaskraftwerke, die jetzt zur obersten Priorität gehören, sind völlig überdimensioniert und bis 2030 gar nicht realisierbar.

So soll offenbar der im Wahlkampf versprochene Politikwechsel inszeniert werden. Dazu gehört auch die Botschaft, Klimaschutz sei in den letzten Jahren überbetont worden – als handle es sich dabei um ein grünes Hobby.

Untermauert wird das Ganze wider besseres Wissen mit offensichtlichen Falschbehauptungen, sei es zum angeblichen Wärmepumpen-Zwang oder zu vermeintlichen Versorgungsengpässen.

Es ist völlig absurd, dass sich eine Wirtschafts- und Energieministerin in ihrer ersten Regierungserklärung für uralte Öl- und Gasheizungen starkmacht, die zum Glück weniger als 0,1 Prozent aller Heizungen ausmachen. Für den Klimaschutz ist das eine absolute Nebelkerze. Fatal aber ist das Signal, Öl- und Gasheizungen hätten doch noch eine Zukunft.

Dabei ist längst klar: Wer eine fossile Heizung hat, wird das in wenigen Jahren teuer bezahlen. Die Wärmepumpe bleibt die beste Versicherung gegen steigende Heizkosten.

Dass die Bundesregierung Entlastungen beim Strompreis anstrebt, ist zwar richtig. Die zentrale Frage, wie die Energiewende schneller, effizienter und vor allem gerechter wird, gerät aber zunehmend aus dem Blick. Da müssen wir als Zivilgesellschaft lautstark dagegenhalten.

In den ersten drei Monaten dieses Jahres erreichten die Erneuerbaren nur einen Anteil von 47 Prozent am Stromverbrauch. Zugleich nimmt der Energiekonzern Leag von Mai bis September im Kraftwerk Jänschwalde 1.000 Megawatt Braunkohlekapazität vom Netz. Was ist da los auf dem Strommarkt?

Bundesnetzagentur und Netzbetreiber haben die Versorgungssicherheit sehr genau im Blick und sorgen dafür, dass sich unser Stromsystem sogar mit jedem Jahr verbessert. Wenn ein Kohlekraftwerk vom Netz geht, hat die Netzagentur das geprüft und bewilligt.

Es gibt keinen Grund, Angst vor einem Blackout zu schüren, wie es Katherina Reiche jetzt mit Blick auf Spanien und Portugal macht. Deutschland verfügt über eines der zuverlässigsten Stromversorgungssysteme weltweit, und das bei einem stetig wachsenden Anteil der Erneuerbaren und einem historisch niedrigen Anteil an Kohlestrom.

Klar ist aber auch, wir brauchen mehr Tempo beim Erneuerbaren-Ausbau und sollten den günstigen Ökostrom besser nutzen als bisher. Dafür benötigen wir dringend Fortschritte bei der Digitalisierung, wie die Branche seit Langem fordert.

Wichtig ist uns: Der verschleppte Netzausbau darf nicht zum Vorwand werden, um die Energiewende auszubremsen. Ergänzend zum dringend nötigen Ausbau der Stromnetze können die Erneuerbaren auch sehr gut vor Ort genutzt werden: durch Energy Sharing, Wärmepumpen, E‑Autos und Speicher sowie zur Produktion von grünem Wasserstoff. Das sind die Potenziale für ein effizientes Stromsystem, von dem alle profitieren.

Damit private E‑Autos ihren Klimavorteil voll ausspielen können, sollten sie mit möglichst viel Solarstrom vom eigenen Hausdach geladen werden. Wie das auch mit einer kleineren Photovoltaik-Anlage gelingt, untersuchten Forscher der HTW Berlin und empfehlen das dynamische Überschussladen. Sollte sich die Erneuerbaren-Branche stärker fragen, wie sie nicht nur mehr Ökoenergie erzeugt, sondern auch, wie gut damit die CO2-Emissionen wirklich gesenkt werden?

Ich denke, das findet schon lange statt. Das Motto "Produce and Forget" war gestern – heute heißt es für die Erneuerbaren: produzieren, steuern und Verantwortung übernehmen. Wenn jetzt hoffentlich bald mehr Smart Meter und mehr Flexibilität dazukommen, wird das Energiesystem noch deutlich klimafreundlicher und günstiger.

Wir haben bei Green Planet Energy gerade in einer Studie gezeigt, wie Wärmepumpen und Elektroautos die Energiewende effizienter machen. Werden diese Flexibilitäten genau dann geladen oder genutzt, wenn gerade viel Wind und Sonne verfügbar ist, reduzieren wir den Einsatz fossiler Kraftwerke und damit die CO2-Emissionen und die Strompreise für alle.

Natürlich gibt es auch Herausforderungen, die die Erneuerbaren-Branche zwar benennen, aber nicht allein lösen kann, wenn es zum Beispiel um ein Marktdesign geht, das auf Erneuerbare ausgerichtet ist und Strompreissignale weitergibt, oder um den Einbau der dafür notwendigen Infrastruktur. Da ist dann auch die Politik in der Verantwortung.

Vor einer Woche fand in Berlin der Bürgerenergiekonvent 2025 statt. Gestartet wurde dort auch das Projekt "Communit‑E" für "gemeinschaftsgetragene Energieversorgung in regionalen Innovations-Ökosystemen". Braucht die Bürgerenergie nicht vor allem bessere politische Rahmenbedingungen zum Energiesharing und für gemeinschaftliche Versorgung als das x-te Innovationsprojekt?

Gerade in diesen herausfordernden Zeiten finde ich es inspirierend und ermutigend, wie viele Menschen sich aktiv in Bürgerenergieprojekten engagieren. Der Konvent hat hier die ganze Vielfalt gezeigt, von Bürgerenergie-Solarparks bis zu Mieterstrom. Das starke Bedürfnis, die Energiewende jetzt selbst anzupacken, erleben wir auch bei unseren Genossenschaftsmitgliedern.

Gerade heute ist es wichtig, dass es so viele Menschen gibt, die nicht darauf warten, bis die Rahmenbedingungen perfekt sind, sondern dass wir die Projekte, Innovationen und Lösungen, die wir selbst vorantreiben können, auch unabhängig von Regulatorik und Politik versuchen zu bewegen.

Die Energiewende ist als Projekt von unten gestartet und ist auch deshalb eine so erfolgreiche Bewegung geworden, weil es Menschen gab, die gezeigt haben, was geht – und weil die Politik das schließlich erkannt und mit passender Regulierung in die Breite getragen hat.

Aber es stimmt, natürlich muss auch jetzt die Regulierung nachziehen. Allem voran muss endlich das Energy Sharing möglich gemacht werden. Und wir wünschen uns mehr Beteiligungsmöglichkeiten für Menschen mit niedrigem Einkommen. Da hinkt Deutschland sehr hinterher.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Ich finde es erschreckend, dass der erneute Betrieb der Gaspipeline Nord Stream 2 wieder zur Debatte steht und sogar von Teilen der Union und der SPD unterstützt wird. Putin hat unsere Abhängigkeit gezielt als Waffe genutzt und finanziert seinen Krieg gegen die Ukraine mit unserem Geld für russisches Erdgas.

Einige haben scheinbar vergessen, dass wir uns mit fossilen Energien nicht nur abhängig von autokratischen Regimen machen, sondern auch Geld in einen Krieg pumpen, bei dem Zehntausende Menschen sterben.

Welche Macht die fossile Gaslobby immer noch hat und wie geschickt sie diese einsetzt, besorgt mich immer wieder. Das Erdgas hat uns in eine fossile Energiekrise und eine schwere Rezession getrieben – und am Ende vom Lied steht Gas als angeblicher Allheilsbringer für Wärmewende und Strommärkte wieder positiv da.

Das ist absurd und gefährlich. Ein Land wie Norwegen, das sogar eigene Erdgasvorkommen hat, erreicht schon heute eine Wärmepumpenquote von rund 60 Prozent. Bleibt Deutschland auf dem fossilen Kurs, droht aus dem einstigen Vorreiter ein Schlusslicht der Energiewende zu werden.

Fragen: Jörg Staude

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