Im Vorgarten eines Einfamlienhauses steht eine Wärmepumpe.
Wärmepumpen sind im Neubau bereits Standard. (Bild: Daikin/BWP)

Klimareporter°: Herr Rode, die neue Koalition will Stromsteuer und Netzentgelte senken und so die Kilowattstunde Strom um etwa fünf Cent preiswerter machen. Ein Haushalt mit 3.000 Kilowattstunden Verbrauch müsste dann – sofern die Versorger die Preissenkung weiterreichen – im Monat gut zehn Euro weniger für Strom ausgeben. Ist das überhaupt relevant?

Johannes Rode: Für viele Haushalte dürften die fünf Cent Pi mal Daumen einer Ersparnis von 15 Prozent entsprechen. Wann wird schon etwas in diesem Maße günstiger? Aufs Jahr betrachtet ergibt sich eine Ersparnis von 150 Euro. Das klingt schon interessant.

Vor allem bieten niedrige Strompreise einen größeren Anreiz zur Elektrifizierung, weil diese sich eher rechnet. Die Elektrifizierung wiederum ist ein wichtiger Faktor bei der Dekarbonisierung. Der Preis pro Kilowattstunde erhält so ein größeres Gewicht.

Bei Haushalten mit Wärmepumpe oder Infrarotheizung sowie eigenem Elektroauto kommen schnell deutlich höhere Stromverbräuche zustande. Ein dreimal so hoher Bedarf ist nicht unrealistisch. Das ergäbe dann eine Ersparnis von 450 Euro im Jahr. Das ist für viele Haushalte relevant.

Über zu hohe Strompreise klagt vor allem die energieintensive Industrie hierzulande. Unternehmen, deren Energiekosten mehr als 15 Prozent ihrer Gesamtleistung ausmachen, gelten dabei als energieintensiv.

Es ist aber wenig bekannt, welchen Anteil Strom an den Energiekosten wirklich hat. Betroffene Unternehmen teilen dazu auch kaum etwas mit. Wie groß ist das Strompreis-Problem für die deutsche Industrie tatsächlich?

Aufschluss bietet da unser KfW-Klimabarometer, eine repräsentative Umfrage. Die aktuelle Ausgabe zeigt auch, wie die Unternehmen auf den Energiepreisanstieg 2022 reagierten.

Knapp 60 Prozent der Unternehmen reduzierten ihren Energieverbrauch durch energiebewussteres Verhalten. Etwa ein Fünftel investierte in Erneuerbare oder Energieeffizienz. Das taten sogar gut 80 Prozent der Großunternehmen. Nur etwa jedes zwanzigste Unternehmen gab im Klimabarometer an, Produktions- oder Unternehmensaktivitäten zurückgefahren zu haben.

Allerdings sagten bei der Umfrage die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes – hier sind auch die energieintensiven zu finden – deutlich häufiger, dass sie 2022 ihre Produktion zurückgefahren haben. Hier traf dies auf jede achte Firma zu. Hohe Energiepreise waren also für Teile der Wirtschaft ein relevantes Problem.

Seitdem ist der Strompreis für die Industrie wieder gesunken. Mittlerweile liegt er für Unternehmen, die nicht von Ermäßigungen bei Netzentgelten oder Stromsteuern profitieren, im Schnitt wieder auf dem Niveau von 2020. Betriebe, die solche Vergünstigungen in Anspruch nehmen können, zahlen zwar weniger als andere Betriebe, dennoch sind ihre Strompreise nach wie vor höher als 2020.

Laut einer jüngst veröffentlichten Studie von KfW Research könnte sich mit einer Halbierung des Strompreises der Absatz von Wärmepumpen in Deutschland fast verdoppeln. Ist das nicht zu einfach gedacht – die Anschaffung einer Wärmepumpe ist doch für Hauseigentümer in gewisser Weise eine Lebensentscheidung?

Das Ergebnis eines halbierten Strompreises leitet sich aus unserer Analyse ab. Dazu untersuchten wir verschiedene europäische Länder. Im Schnitt ergab sich dabei: Sinkt der Strompreis um die Hälfte, wäre in Deutschland eine Verdopplung des Absatzes an Wärmepumpen zu erwarten.

Johannes Rode

ist seit 2023 leitender Ökonom bei KfW Research, dem Forschungs­zentrum der staatlichen Förder­bank KfW. Zuvor hat er an der TU Darm­stadt in Volks­wirtschafts­lehre promoviert und ist dort nun Lehr­beauftragter. Seine Forschungs­schwer­punkte sind die Verbreitung grüner Technologien sowie Energie- und Nach­haltigkeits­fragen.

Natürlich gibt es weitere Faktoren. Wärmepumpen sind erst einmal in der Anschaffung deutlich teurer als Gasheizungen. Förderprogramme können helfen, diese Mehrkosten zu stemmen.

Betrachtet man aber den gesamten Lebenszyklus der Heizungen, bestätigen immer mehr Studien, dass Wärmepumpen langfristig sehr oft wirtschaftlicher sind als Gasheizungen. Diese Kostentransparenz zum Zeitpunkt der Investition zu vermitteln, dürfte dabei helfen, dass die Menschen ihre Entscheidung wirtschaftlich optimal treffen.

Der Trend hin zur Wärmepumpe realisiert sich vermutlich nicht kurzfristig. Mittelfristig können aber solche Preissignale, wie sie vom Strom ausgehen, sehr wohl eine entsprechende Verhaltensänderung hervorrufen.

Den Strompreis für alle Verbraucher in Deutschland zu halbieren, wäre unbezahlbar und würde auch Energieverschwendung begünstigen. Könnten spezielle Stromtarife für Wärmepumpen nicht eine Lösung sein?

Genau. Das diskutieren wir auch in unserer Studie. Attraktive Tarife für Wärmepumpen können Teil der Lösung sein.

Auch flexible Stromtarife würden Haushalten Anreize bieten. Wärmepumpen sind potenziell flexibel steuerbar und ermöglichen es, den Stromverbrauch zu verschieben. Die bei Heizungen typischerweise vorhandenen Pufferspeicher versetzen den Nutzer in die Lage, den Zeitpunkt des Stromverbrauchs zu wählen. Im Winter kann der Strom auch nachts verbraucht werden, wenn Windkraft viel Strom liefert.

Ausschlaggebend dafür, dass sich ein Hauseigner für die Wärmepumpe entscheidet, ist laut Ihrer Studie nicht allein der Strompreis, sondern auch sein Verhältnis zum Gaspreis. Im Moment ist Gas zum Heizen pro Kilowattstunde billiger als Strom für die Wärmepumpe. Wie muss sich das Preisverhältnis ändern, damit der Trend in Richtung Wärmepumpe kippt?

Entscheidend ist tatsächlich der relative Strompreis, weil Wärmepumpen ausschließlich Strom verbrauchen und die Alternative zur Wärmepumpe häufig eine Gasheizung ist. Sowohl niedrigere Strompreise als auch höhere Gaspreise machen Wärmepumpen im Vergleich zu Gasheizungen attraktiver. Relevant ist natürlich nicht nur das aktuelle Strom-Gas-Preisverhältnis, sondern auch, wie es sich in Zukunft entwickelt.

Im Neubau geht der Trend in Deutschland bereits klar zur Wärmepumpe. Seit 2014 stieg der Anteil von Neubauten mit Wärmepumpe deutlich an. 2023 wurden schon etwa drei von vier neuen Einfamilienhäusern mit einer Wärmepumpe beheizt.

 

Was den Gaspreis zum Heizen betrifft, so warnen alle schon vor einer Preisexplosion, wenn ab 2027 der ETS 2, der zweite europäische Emissionshandel für Gebäude und Verkehr, in Kraft tritt. Was ist da dran?

Im kürzlich veröffentlichten Projektionsbericht 2025 nimmt das Umweltbundesamt im Gebäudebereich für 2030 einen CO2-Preis von über 100 Euro pro Tonne an. Das wäre gegenüber heute eine Verdopplung. Für 2045 nimmt das Umweltbundesamt sogar mehr als eine Vervierfachung an, in realen Preisen gemessen.

Diesen CO2-Preispfad haben gegenwärtig sicher nur wenige Haushalte im Blick, wenn sie sich für eine Heizung entscheiden. Zudem werden die Gasnetzentgelte für die verbliebenen Gasverbraucher steigen, wenn immer mehr Verbraucher auf Wärmepumpe oder Fernwärme umsteigen. Diese Entwicklungen werden strombasierte Heizungen wie Wärmepumpen im Vergleich zu ihrer fossilen Konkurrenz noch wirtschaftlicher machen.

Allerdings sollten wir dabei berücksichtigen, dass einkommensschwache Haushalte häufig in energetisch ineffizienten Gebäuden wohnen. Deshalb sind flankierende Maßnahmen nötig, etwa Zuschüsse oder zinsgünstige Kredite für die Anschaffung von Wärmepumpen. So lässt sich die Energiewende gesellschaftlich fair gestalten.