Spaniens Premierminister Pedro Sánchez hat betont, dass er nach dem landesweiten Blackout am 28. April keinesfalls von seinem Bekenntnis zu erneuerbaren Energien abrücken werde. Der sozialistische Regierungschef griff Kritiker an, die versuchen, die hohen Anteile von Solar- und Windenergie in Spanien für den Stromausfall verantwortlich zu machen.
Dabei ist die Ursache des Vorfalls immer noch unbekannt. Beim heftigsten Blackout in der jüngeren Geschichte Europas in Spanien und Portugal waren rund 60 Millionen Menschen für mehr als neun Stunden ohne Strom gewesen.
In einer Rede vor dem Parlament in Madrid sagte Sanchez: "Wir werden keinen einzigen Millimeter von der Energie-Roadmap abweichen, die wir seit 2018 geplant haben. Erneuerbare Energien sind nicht nur die Energiezukunft unseres Landes, sie sind unsere beste Option. Sie sind der einzige Weg, Spanien zu re-industrialisieren."
Sanchez attackierte gleichzeitig die Befürworter der Kernenergie. Sie hätten den Stromausfall als Vorwand für eine "gigantische Manipulationsübung" genutzt. Es gebe keine einzige seriöse Studie, die Atomkraft für Spanien als unverzichtbar ansehe.
Spanien gewinnt heute schon knapp 60 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen, im vorigen Jahr waren es 57 Prozent. Die Windkraft lieferte 2024 knapp ein Viertel des Stroms, die Photovoltaik knapp 20 Prozent, die Wasserkraftwerke 13 Prozent. Der Erneuerbaren-Anteil soll nach den Plänen der Regierung bis 2030 auf 81 Prozent steigen.
Blackout wegen zu starkem Überlastungs-Schutz?
Atomkraft steuerte im vergangenen Jahr rund 21 Prozent bei. Die Stilllegung der sieben AKW im Land ist nach und nach für 2027 bis 2035 geplant. Zum Vergleich: In Deutschland war der Anteil der Erneuerbaren 2024 ähnlich hoch wie in Spanien, die letzten Atomkraftwerke wurden allerdings bereits 2023 abgeschaltet.
Die Debatte über die richtige Energiestrategie für Spanien läuft derzeit heiß, weil immer noch unklar ist, was den Stromausfall ausgelöst hat. Der Blackout nahm zwar in zwei großen Solarkraftwerken in der Region Extremadura an der Grenze zu Portugal seinen Anfang, doch die Aufklärung der tatsächlichen Ursache dürfte noch Monate dauern.

In Fachkreisen wird diskutiert, ob möglicherweise zu stark ausgeführte Schutzmaßnahmen gegen eine Netzüberlastung den Blackout auslösten, indem auf einen Schlag zu viele Solarkraftwerke abgeschaltet wurden. Das könnte zumindest erklären, warum innerhalb von nur fünf Sekunden plötzlich 15.000 Megawatt Leistung im Netz fehlten. Am Tag des Stromausfalls betrug die Einspeisung von Ökostrom in Spanien rund 70 Prozent.
Die rechte Opposition in Spanien nutzt den Blackout, um gegen den Atomausstieg zu mobilisieren – mit Slogans wie "Kernkraft, ja bitte". Doch auch eine Reihe von Energiefachleuten argumentiert, die AKW sollten länger laufen. Sie würden übergangsweise als Puffer gebraucht, um Crashs wie am 28. April zu verhindern, sagte zum Beispiel der Madrider Experte Carlos Cagigal, der für das Solar- und Wasserstoff-Unternehmen Anasol arbeitet.
Cagigal kritisierte, es gebe "zwei unterschiedliche Geschwindigkeiten" beim Ausbau der Erneuerbaren-Kraftwerke und der Netzinfrastruktur. Es sei dringend nötig, die Netze, deren Knoten und Umspannwerke an ihre Grenzen gekommen seien, und auch Stromspeicher auszubauen. Dieser Mangel destabilisiere das System.
Mehr Speicher, mehr Leitungen nach Mitteleuropa
Auch aus der Industrie waren schon vor dem Blackout entsprechende Warnungen gekommen. So warnte der Mutterkonzern des Stromnetz-Betreibers Red Eléctrica im Februar, das Risiko "schwerwiegender" Stromausfälle wachse, da die Stilllegung von Kohle-, Erdgas- und Kernkraftwerken die Möglichkeiten zum Ausgleich schwankender Stromeinspeisungen verringere.
Die spanische Umweltministerin Sara Aagesen verwies auf die noch laufende Ursachenforschung zum Blackout, betonte aber, an der hohen Solareinspeisung allein könne es nicht gelegen haben. An vielen anderen Tagen speisten die Photovoltaik-Anlagen ohne Probleme nämlich noch mehr Elektrizität ins Netz ein.
Die Ministerin sagte aber zu, dass Madrid die AKW erst schließen werde, wenn eine sichere Stromversorgung garantiert ist. Eine Verlängerung der Reaktorlaufzeiten mit dem jüngsten Blackout zu begründen, sei aber schon deshalb absurd, da sie ja derzeit noch am Netz seien und die Stilllegung erst 2027 beginnen soll.
Für die Stromspeicherung will die Regierung in Madrid jetzt mehr tun. Ihr aktueller Klimaplan sieht zusätzliche Investitionen von 700 Millionen Euro vor, um zum Beispiel neue Pumpspeicherwerke zu bauen. 2030 soll deren Kapazität 18.500 Megawattstunden betragen, dreimal mehr als bisher.
Außerdem dringt die Regierung Sánchez darauf, dass die Stromverbindungen nach Frankreich und damit ins mitteleuropäische Netz ausgebaut werden, um den Ausgleich von Strom-Überschuss oder ‑mangel zu erleichtern.
Wie schnell das gelingt, ist offen. Bisher war es Frankreich wichtiger, seinen eigenen Atomstrom in Europa zu verkaufen, als billige Öko-Elektrizität aus Spanien und Portugal nach Deutschland oder andere Länder durchzuleiten.