Aus dem Kühlturm des Atomkraftwerks Cattenom quillt weißer Dampf, der bei fahler Beleuchtung teilweise grau bis schwarz wirkt.
Kühlturm im AKW Cattenom an der Mosel. 2021 wurden hier zehn Zwischenfälle gemeldet. Wie an allen Standorten in Frankreich ist der Katastrophenschutz mangelhaft. (Foto: Thomas Millot/​Unsplash)

Atomkraftwerke schützen das Klima. Stimmt schon, aber nur, wenn man sie zum Beispiel mit normalen Kohle- oder Gaskraftwerken vergleicht, die enorme Mengen CO2 in die Luft pusten und deren Abwärme ungenutzt verpufft.

Studien, die den gesamten "Lebensweg" von der Uran-Gewinnung bis zur Endlagerung des Atommülls einrechnen, zeigten schon vor drei Jahrzehnten: Selbst konventionelle Kraft-Wärme-gekoppelte Erdgas-Anlagen, bei denen die Abwärme zur Beheizung von Gebäuden genutzt wird, sparen mehr CO2 ein.

Inzwischen ist aber klar, dass künftige Energiesysteme auf Basis erneuerbarer Energien der Nuklear-Option überlegen sind. Sie sind selbst mit den dann nötigen Stromspeichern billiger, können schneller ausgebaut werden und bringen weder Supergau-Risiken, ein Endlagerproblem noch die Gefahr nuklearer Proliferation mit sich.

Doch da ist noch ein Argument der "Atomfreunde" in der aktuellen Energiedebatte – die angeblich hohe Verlässlichkeit der AKW-gestützten Stromproduktion. Es lautet: Atomstrom fließt immer, wenn man ihn braucht. Da gibt es keine "Dunkelflaute", die bei den Erneuerbaren bei Windmangel in der Nacht droht.

Das Musterland der Atomkraft, Frankreich, liefert gerade das Gegenbeispiel. Dort gibt es 56 AKW, die normalerweise zwei Drittel des verbrauchten Stroms liefern. Derzeit stehen 15 Anlagen still, zur Wartung, aber auch aufgrund von Abschaltungen wegen Sicherheitsmängeln. Der Strom ist knapp in Frankreich.

Die Verfügbarkeit der dortigen AKW-Flotte ist laut Übertragungsnetzbetreiber RTE niedriger denn je. Der Strompreis erreicht Rekorde, und Elektrizität muss etwa aus Deutschland oder Spanien importiert werden – vor Weihnachten lag man dabei sogar an den maximalen technischen Kapazitäten.

Wie Frankreich durch den Winter kommt, ist offen. Im Dezember ging es, wegen der milderen Temperaturen, noch glimpflich ab.

Joachim Wille ist Chefredakteur des Online-Magazins Klimareporter°.

Eine starke Kälteperiode im Januar und Februar könnte das System ans Limit bringen, weil die Franzosen überwiegend mit Strom heizen. Es drohen laut RTE zwar keine Blackouts, aber zeitweise Abschaltungen von industriellen Großverbrauchern.

Eine Situation, die dem Atom-"Musterland" in Zukunft noch öfter ins Haus steht. Sein AKW-Park veraltet zusehends, und Reaktoren neu zu bauen, wie Präsident Macron angekündigt hat, dauert viele Jahre – und ist extrem teuer.