Porträtaufnahme von Olaf Scholz.
Olaf Scholz hat sich als Klima-Kanzler im Wahlkampf inszeniert. Davon sei bisher wenig zu sehen, finden seine Kritiker:innen. (Foto: Alexandros Michailidis/​Shutterstock)

Mehr als 400 Politiker:innen und Vertreter:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft haben sich mit eindringlichen Worten an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewandt. Die 422 – nicht 240, wie Medien fälschlich berichteten – fordern den Kanzler und die Minister:innen in dem offenen Brief zu mehr Klimaschutz auf:

"Wir alle gehören zur ersten Generation, die die Folgen der Erderhitzung spürt. Wir sind die Generation, die es so weit hat kommen lassen. Und wir gehören zur letzten Generation, die aufhalten kann, was uns droht: der globale Verlust unserer Kontrolle über die menschengemachte Klimakrise."

Es bleibe nur noch wenig Zeit, um das Klimasystem wieder zu stabilisieren und Kipppunkte zu vermeiden, heißt es weiter. Die Initiator:innen appellieren an die Regierung, bei der "Mammutaufgabe", als die sie den Umbau der deutschen Infrastruktur bezeichnen, an Tempo zuzulegen.

Mit dabei sind auch namhafte Wissenschaftler:innen wie Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, die Transformationsforscherin Maja Göpel und die Energieökonomin Claudia Kemfert.

In dem Brief wird betont, dass Klimaschutz eine historisch beispiellose und parteiübergreifende Aufgabe sei. Parteiübergreifend ist auch die Liste der Unterzeichner:innen. CDU-Politiker:innen wie Heinrich Strößenreuther von der Klima-Union und der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz finden sich dort wieder.

Auch von den Grünen sind einige prominente Namen dabei, wie die Oberbürgermeister:innen von Hannover und Bonn, Belit Onay und Katja Dörner, und der frühere Bundestagsabgeordnete und Mitautor des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Hans-Josef Fell.

Aber auch Parteifreund:innen von Olaf Scholz und Politiker:innen der Linken sind dabei, allerdings eher aus der zweiten und dritten Reihe.

"Klima-Katastrophen-Kanzler"

Der Brief erscheint gut eine Woche, nachdem die Ampelkoalition die Ergebnisse ihres Koalitionsausschusses vorgestellt hat. Das dürfte kein Zufall sein. Die Beschlüsse der Regierung stießen auf massive Kritik bei Umweltverbänden, Wissenschaft und der Opposition.

Das sogenannte "Modernisierungspaket" beinhaltet etwa eine Entschärfung des Klimaschutzgesetzes. So sollen die Treibhausgasemissionen nicht mehr jährlich bilanziert werden und auch die Sektorziele fallen weg.

Claudia Kemfert übte in ihrem Klima-Podcast bei MDR aktuell scharfe Kritik an den 144 Autobahnprojekten, die beschleunigt werden sollen. Photovoltaikanlagen neben neuen Autobahnen seien weder eine Verkehrswende noch eine wirkliche Energiewende, sagte die Ökonomin. Sie nannte Olaf Scholz als Reaktion auf die Beschlüsse einen "Klima-Katastrophen-Kanzler".

Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, beklagte, dass die "Anti-Klimaschutz-Koalition" sich mit diesen Beschlüssen an allen künftigen Generationen versündige. Resch hat gemeinsam mit seinem Ko-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner den Brief ebenfalls unterzeichnet.

Auch Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch und Christoph Bautz von der Kampagnenplattform Campact unterstützen den Aufruf. Mit Susanne Egli unterschrieb eine Vertreterin der Klimabewegung (Exinction Rebellion und Letzte Generation) den Brief.

"Lassen Sie uns unsere gemeinsame Verantwortung wahrnehmen. Wir sind bereit, wirksame Klimapolitik mitzutragen und zu verteidigen", schreiben die Initiator:innen. Wer das Anliegen unterstützen möchte, kann den offenen Brief mittlerweile als Online-Petition unterzeichnen.

Redaktioneller Hinweis: Claudia Kemfert gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.