Mehrere Viehkadaver liegen auf roter Erde. Im Hintergrund sind Büsche zu sehen. Menschen begutachten die Kadaver.
Dürre im kenianischen Bezirk Garissa, wo die meisten Menschen von nomadischer Viehhaltung leben. (Foto: Fridah Bwari/​Action Aid)

Loss and Damage, zu Deutsch Verluste und Schäden – ein Wortpaar, das auf dem diesjährigen UN-Klimagipfel COP 27 im ägyptischen Sharm el-Sheikh für viel Gesprächsstoff sorgt. Dahinter verbirgt sich das ewige Streitthema zwischen Industrie- und Entwicklungsländern: Wer soll die durch den Klimawandel entstandenen Kosten tragen?

Nicht umsonst trägt der Klimagipfel den Beinamen "Africa's COP". Viele afrikanische Länder fordern – zu Recht – finanzielle Zusicherungen der Industrienationen.

Afrika verantwortet seit der Industrialisierung gerade mal drei Prozent der weltweit emittierten Treibhausgase. Der Anteil des gesamten afrikanischen Kontinents ist damit um fast zwei Prozentpunkte geringer als der deutsche Anteil.

Ebenso ungleich wie die Verantwortung für den Klimawandel ist "Loss and Damage" über die Länder verteilt. Kaum eine Weltregion ist so stark von den Folgen des Klimawandels betroffen wie Afrika. Das belegt eine Analyse von Carbon Brief.

Wissenschaftler:innen und Journalist:innen des britischen Klimaportals werteten dazu UN-Berichte, Katastrophendaten und Lokalnachrichten aus. Sie untersuchten, wie stark Afrika 2022 von Extremwetterereignissen betroffen war.

Eine aufwendige und datenintensive Analyse. Denn während die Anzahl von Überschwemmungen, Hitzewellen und Wirbelstürmen in Europa und Nordamerika leicht anhand der Archive großer Medienhäuser rekonstruierbar ist, finden sich Wetterextreme in Afrika kaum in der Berichterstattung des globalen Nordens wieder.

In diesem Jahr starben laut Carbon Brief mindestens 4.000 Menschen in Afrika durch Wetterextreme, insgesamt 19 Millionen Menschen waren von ihnen betroffen. Die tatsächlichen Zahlen sind vermutlich um einiges höher. Denn nicht nur Medien ignorieren viele dieser Ereignisse, auch die größte Katastrophendatenbank "Emergency Events Database" (EM‑DAT) hat zahlreiche Extremereignisse nicht registriert, so Carbon Brief.

71 Hitzetote in Afrika, 140.000 in Europa?

Das gilt besonders für Hitzewellen. Laut der EM-DAT-Datenbank gab es in diesem Jahr keine einzige Hitzewelle in Afrika. Und das, obwohl große Teile des Kontinents bereits im Frühjahr extreme Temperaturen aufwiesen. Im März berichteten kenianische Lokalnachrichten von über 40 Grad, und in Tunis erreichte das Thermometer im Juli bis zu 48 Grad.

Seit dem Jahr 2000 hat EM-DAT nur 71 Tote in Afrika aufgrund von Hitzewellen registriert. In Europa sind es für denselben Zeitraum 140.000 Tote.

Mit dem Klimawandel wird nicht nur die Hitze bedrohlicher. Im Süden Afrikas nehmen Wirbelstürme zu. Dieses Jahr sind fast 900 Menschen an tropischen Zyklonen gestorben, rund 2,8 Millionen waren von ihnen betroffen. Ähnlich sieht es mit Überschwemmungen, Dürren und Waldbränden aus.

"Die größte Folge des Klimawandels ist nicht so sehr, dass einzelne Ereignisse extremer werden, sondern dass es noch mehr extreme Wetterereignisse in einer Region gibt, die schon immer unter sehr hoher natürlicher Variabilität und hoher Vulnerabilität gelitten hat", sagte die Klimaforscherin Friederike Otto vom Imperial College London gegenüber Carbon Brief.

Das zeigt sich etwa in Ostafrika. Dort ist die Regensaison einige Jahre in Folge beinahe komplett ausgeblieben. Diese lang anhaltende Trockenheit hat allein in diesem Jahr in Uganda zu 2.500 Toten geführt. In Tansania waren acht Millionen Menschen betroffen.

Die Entwicklung kommt für die Klimaforschung nicht überraschend, sondern stimmt ziemlich genau mit den Vorhersagen des letzten IPCC-Berichts für Afrika überein.

Afrika als blinder Fleck der Medien

Die Folgen von Wetterextremen sind in Afrika auch deshalb so dramatisch, weil sie auf eine anfällige Infrastruktur treffen. Dürren führen sofort zu Nahrungs- und Wasserknappheit. In Hochwasserregionen brechen Infektionskrankheiten aus. So berichteten Behörden in Malawi, Mosambik, Tansania und Sambia von Cholerainfektionen.

Die Erwartung der Entwicklungsländer an die Weltklimakonferenz in Sharm el-Sheikh ist eindeutig: Für derartige Situationen muss ein Mechanismus eingerichtet werden, mit dem betroffene Regionen schnell und unkompliziert finanzielle und technische Unterstützung erhalten. Die Industrienationen müssen zu ihrer historischen Verantwortung stehen.

COP 27 in Sharm el-Sheikh

Bei der 27. UN-Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh geht es um die Zukunft des globalen Klimaschutzes. Ein Team von Klimareporter° ist vor Ort in Ägypten und berichtet mehrmals täglich.

Ob der in Sharm el-Sheikh diskutierte Schutzschirm "Global Shield" eine ernstzunehmende Lösung ist, wird sich erst nach Ende der Verhandlungen zeigen.

Die Analyse von Carbon Brief zeigt außerdem, dass viele Medien einen blinden Fleck haben, wenn es um Afrika geht. Dabei wäre es Aufgabe der Medien, die offensichtliche globale Ungerechtigkeit, die sich im Klimawandel zeigt, zur Sprache zu bringen.

Der Klimawandel ist bereits heute in vielen Regionen der Welt lebensbedrohlich. Diesem Fakt muss die internationale Berichterstattung gerecht werden, und dabei auch über den eignen Gartenzaun hinausblicken.

Redaktioneller Hinweis: Klimaforscherin Friederike Otto gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.

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