So viel Aufmerksamkeit gab es noch nie für den Petersberger Klimadialog. Das informelle Gesprächsformat, das lange Zeit nur bei Fachleuten Beachtung fand, schaffte es diesmal überall in die Schlagzeilen, auch international.
Kanzler Scholz, der zwei Milliarden Euro für den Grünen Klimafonds zusagt. Außenministerin Baerbock, die ein globales Ausbauziel für die erneuerbaren Energien fordert.
Das Golf-Emirat Dubai, das einen Ölmanager zum Chef des nächsten Klimagipfels COP 28 macht, auf Atomkraft setzt und an fossilen Brennstoffen festhalten will.
So viel Interesse an Klimatreffen gibt es sonst nur bei großen UN-Klimakonferenzen. Auf den ersten Blick scheint das eine gute Entwicklung zu sein. Gleichzeitig ist es ein Krisensymptom.
Die Aufwertung informeller Formate geht einher mit einer Erosion des offiziellen Formats, der UN-Klimakonferenzen. Hier, wo alle Staaten der Welt zusammenkommen, herrscht seit dem Durchbruch von Paris 2015 mehr oder weniger Stillstand.
Zwar wurden die Regeln für das Paris-Abkommen ausbuchstabiert und bei der Klimafinanzierung tat sich auch etwas. Letztes Jahr gelang eine Grundsatzeinigung, dass arme Länder bei der Bewältigung von Verlusten und Schäden infolge der Klimakrise finanzielle Unterstützung erhalten sollen.
Doch mit alldem wird das Problem der Erderhitzung und ihrer Folgen praktisch nur verwaltet, statt die eigentliche Frage zu beantworten: Wie lässt sich schnellstmöglich gegensteuern, damit die CO2-Emissionen rapide und drastisch sinken?
UN-Klimachef im Schatten des UN-Chefs
Impulse dazu hat man vom UN-Klimasekretariat seit Langem nicht mehr gehört. Der neue Chef Simon Stiell ist auch nach neun Monaten im Amt blass geblieben. Reden und Appelle für mehr Klimaschutz kommen nicht von Stiell, sondern vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres.
Er hat eine "Beschleunigungsagenda" vorgelegt und drängt die wirtschaftsstarken G20-Staaten zu einem "Klimasolidaritätspakt". Auch ein weiteres Klimaformat hat Guterres etabliert, ein Gipfeltreffen, das im September in New York stattfindet. Dort sollen möglichst viele Staaten Zusagen für verbesserte Klimaziele abgeben.
Ohne solche Initiativen von höchster UN-Stelle, so ist zu befürchten, könnte die Bestandsaufnahme, die zwei Monate später bei der Weltklimakonferenz COP 28 in Dubai erstmals ansteht, noch düsterer ausfallen. Nach den bislang vorgelegten Selbstverpflichtungen der Länder steuern wir auf eine Erwärmung von fast drei Grad zu.
Neuen Schwung sollen nun Formate im kleineren Kreis bringen, wie der Petersberger Klimadialog. In der großen Runde kommt man nicht voran, weil Beschlüsse Einstimmigkeit erfordern, sodass Länder, die mit dem Verkauf fossiler Energien ihren Staatshaushalt finanzieren, alles blockieren können. Also weicht man aus und versammelt die Ambitionierten, diejenigen, "die wirklich etwas tun wollen", wie Gastgeberin Baerbock sagte – damit mehr herauskommt als "der kleinste gemeinsame Nenner".
Vom Prinzip her ist es dieselbe Idee wie der Klimaklub, für den Kanzler Olaf Scholz beim Petersberger Klimadialog erneut warb. Seit der Gründung des Klubs im Dezember seien beispielsweise Chile, Argentinien, Kolumbien und Indonesien dazugekommen, sagte Scholz und lud alle Länder ein, sich ebenfalls zu beteiligen.
Die Klub-Idee klingt einleuchtend. Klar, mit Allianzen und Partnerschaften kann man viel erreichen. Zugleich besteht die Gefahr, dass die UN-Gremien weiter geschwächt werden und sich die Erfolgsaussichten der internationalen Klimapolitik noch mehr eintrüben – obwohl man eigentlich das Gegenteil erreichen will.
Werben statt fordern
Im vergangenen Jahr, sagte Baerbock, habe man bei dem Petersberger Treffen die Grundlage gelegt, dass es bei der COP 27 in Ägypten ein halbes Jahr später zu der Einigung beim Umgang mit Verlusten und Schäden kam.
Was Baerbock nicht sagte: Dieser Erfolg ist auch der offiziellen UN-Vorbereitungskonferenz zu verdanken, die jedes Jahr im Juni in Bonn stattfindet und wichtige Fragen im Vorfeld der COP klärt. Diese Leistung nicht zu würdigen, ist ein strategischer Fehler.
Denn das UN-Format braucht Autorität und Stärke, um global Fortschritte zu erzielen. Nur so gibt es überhaupt die Chance, auch mal etwas durchzusetzen, das nicht alle Länder auf ihrer Top-Prioritätenliste haben.
Klimaklubs oder informelle Gesprächstreffen sind eine Ergänzung, kein Ersatz. Sie können keinen Druck machen, nur werben und einladen. Ohne benefit läuft nichts.
Das zeigte sich auch beim Petersberger Klimadialog. Wenn Scholz und Baerbock von dem globalen Ökostrom-Ziel sprachen, das sie in Dubai gerne beschlossen sehen möchten, wandten sie sich direkt an Sultan Al Jaber, Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate und designierter COP-Präsident. Ganz ausdrücklich lobten sie, wie sehr sich sein Land längst für die Erneuerbaren engagiert – statt eine klare Forderung zum Ausstieg aus den fossilen Energien zu formulieren.
Wer nur werben und einladen kann, ist auf den Goodwill der Gegenseite angewiesen. Kritik an Al Jabers Doppelrolle als Chef des nationalen Ölkonzerns Adnoc und COP-Chef war nicht zu hören. Für den UN-Klimagipfel im Dezember, dessen Vorbereitung das erklärte Ziel des Klimadialogs war, ist das kein gutes Zeichen.