Olaf Scholz spricht in sein Handy. Aufnahme vom Finanzministertreffen der Euro-Länder im März 2019 in Brüssel.
Immer noch keine Zusagen für die Klubmitgliedschaft? (Foto/​Ausschnitt: Alexandros Michailidis/​Shutterstock)

Seit Jahren ringt die Klimapolitik mit dem Problem der sogenannten "First Mover", der Unternehmen, die sich als erste auf grüne Produkte oder Technologien umstellen.

Weil ihre Angebote eine ganze Zeit lang teurer sind als die konventionellen, stehen die grünen Erstanbieter im Wettbewerb unter hohem Druck – und gehen pleite oder die Wirtschaftszweige drohen auszuwandern, wenn die Staaten hohe CO2-Preise einführen oder direkt klimafreundliche Vorschriften machen.

Das Phänomen nennt sich "Carbon Leakage": CO2-intensive Industrien und Zulieferungen wandern ins Ausland ab und emittieren dort munter weiter. Das hilft am Ende weder dem Klima noch der Wirtschaft des jeweiligen Landes.

Wie groß die Gefahr des Carbon Leakage wirklich ist und inwieweit von CO2-Bepreisung betroffene Industrien wie Stahl, Zement oder Chemie ihre Produktion wirklich in Klimadumping-Regionen verlagern – darüber gehen auch unter Experten die Ansichten auseinander.

Klar ist aber, dass es offensichtlich nicht so einfach ist, dem Klimagas CO2 einen stetig steigenden Preis zu geben und zugleich einen möglichst freien Welthandel beizubehalten.

Die Europäische Union will dazu im Rahmen ihres Green Deal ab 2026 einen CO2-Grenzausgleich einführen, den "Carbon Border Adjustment Mechanism", kurz CBAM.

Importe von Grundstoffen wie Stahl, Zement oder Produkten der Chemiebranche würden dann mit einer Art Ausgleichszahlung – manche nennen sie Klimazoll – in Höhe des in der EU geltenden CO2-Preises belegt. Damit wären die Importe preislich den aufwendigeren grünen Produkten aus dem EU-Raum gleichgestellt. Das Risiko, dass Produktion und Emissionen in Drittstaaten verlagert werden, würde sinken.

So entstünde auch in Nicht-EU-Ländern ein Anreiz, CO2-Preise einzuführen, um Nachteile für die heimische Industrie im internationalen Handel zu umgehen. Im Ergebnis gingen die Emissionen auch außerhalb der EU zurück – zwei Fliegen würden mit einer Klappe geschlagen.

Idee von Wirtschaftsberatern

Den Ansatz finden viele Experten ganz gut, die Umsetzung erscheint jedoch enorm schwierig. So gilt der Grenzausgleich als viel zu bürokratisch.

Eigentlich müssten dabei die CO2-Emissionen für jedes Produkt aufs Gramm genau bestimmt werden, warnte schon letztes Jahr Klaus M. Schmidt, Chef des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium. In vielen Fällen werde das gar nicht möglich sein. In der Praxis werde der Grenzausgleich pauschal bestimmt werden und sich auf wenige, vor allem energieintensive Güter beschränken müssen.

 

In einem Gutachten schlug der Beirat deshalb schon vor anderthalb Jahren vor, nicht den freien Handel durch einen bürokratischen Grenzausgleich zu belasten, sondern einen Handelsraum zu schaffen, in dem gleiche Standards für die CO2-Bepreisung gelten – einen sogenannten "Klimaklub".

Als Mitglieder hatte das Gremium damals die EU-Länder, die USA, Großbritannien, China, Kanada und andere Industriestaaten im Blick.

Im Klimaklub soll nach den Vorstellungen des Beirats ein einheitlicher CO2-Mindestpreis gelten. Zwischen den Klub-Ländern würde es dann keinen Grenzausgleich geben, kein Carbon Leakage und auch keine administrativen Barrieren – nur gegenüber Drittstaaten würde ein Grenzausgleich eingerichtet. Das würde diese wiederum animieren, dem "Klimaklub" beizutreten.

Der Klimaklub geht an das Problem, wie man in der Wirtschaft klimafreundlichere Standards durchsetzt, gewissermaßen von der anderen Seite heran: Täten sich die größten und den Weltmarkt bestimmenden Länder zusammen und einigten sich auf gleiche Klimastandards für ihre Volkswirtschaften, dann könnten sie quasi kraft ihrer Marktmacht grüne Standards durchsetzen.

"Ein weiterer Gesprächskreis wird nicht gebraucht"

In der Folgezeit geisterte die Idee des Klimaklubs durch die Gipfeltreffen der führenden Wirtschaftsmächte und fand beim G7‑Treffen im Juni dieses Jahres auf Schloss Elmau ihren vorläufigen Höhepunkt. Der Klimaklub soll, hieß es dort zum Abschluss, ehrgeizige Maßnahmen auf dem Weg zur Klimaneutralität fördern, die Dekarbonisierung von Industriezweigen vorantreiben und internationale Klimaschutz-Partnerschaften erleichtern.

Auch kamen die G7‑Staaten überein, den Klimaklub bis Ende des Jahres zu gründen, wie Bundeskanzler Olaf Scholz am Ende in Elmau verkündete. In der Abschlusserklärung des Treffens las es sich etwas verklausulierter: Gemeinsam mit Partnern wollten die G7‑Staaten auf die Klub-Gründung bis Ende 2022 hinwirken.

COP 27 in Sharm el-Sheikh

Bei der 27. UN-Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh geht es um die Zukunft des globalen Klimaschutzes. Ein Team von Klimareporter° ist vor Ort in Ägypten und berichtet mehrmals täglich.

Fast erwartungsgemäß ist es dazu bisher nicht gekommen. Auf das Gründungsversprechen kam Scholz bei seinen Auftritten auf der Weltklimakonferenz in Ägypten Anfang der Woche auch gar nicht zurück.

Der Kanzler lud vielmehr erneut alle Staaten zur Teilnahme am Klimaklub ein. Unter anderem sollten gemeinsam Regeln und Standards verabredet werden, damit es angesichts der hohen Investitionen nicht zu Verzerrungen des Wettbewerbs komme. Noch in diesem Jahr wolle er die Grundlagen für den Klimaklub legen, wiederholte Scholz seine sommerliche Ankündigung.

Kommt es bis Jahresende nicht zu festen Arbeitsstrukturen für den Klub, verschwindet das Projekt wohl erst mal in der Schublade. Japan, das nach Deutschland 2023 den G7‑Vorsitz übernimmt, zeigt nach Einschätzung von Fachleuten wenig Ehrgeiz, das Projekt weiterzuführen.

Für Greenpeace-Expertin Lisa Göldner ist der Klimaklub nur noch das "Lieblingsprojektchen" des Kanzlers, das keiner so richtig wolle. "Das Letzte, was man jetzt noch braucht, ist ein weiterer Gesprächskreis", sagte Göldner am Dienstag in der ZDF-Nachrichtensendung "heute".

Insofern würden Deutschland jetzt nur noch konkrete Zusagen aus der G7 helfen. Ob sich so schnell genügend Länder zum Mitmachen bewegen lassen, muss sich auf der Klimakonferenz aber erst noch zeigen.

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