"Dass diese COP nicht einfach wird, war immer klar." Ein wahres Wort, gelassen ausgesprochen von der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock am Sonntag früh um sechs Uhr nach einer Nachtsitzung.
Man kann es auch deutlicher sagen: Der 27. UN-Klimagipfel im ägyptischen Sharm el-Sheikh war eine unmäßige Quälerei, mit wuselndem Stillstand über weite Strecken, mit einem drohenden Durchmarsch der fossilen Lobby, mit Maulkörben für die Zivilgesellschaft. Die COP stand mehrfach kurz vor dem Scheitern.
Umso erstaunlicher, dass am Ende dann doch ein "Loss and Damage"-Fonds auf den Weg gebracht wurde. Damit können die bereits heute am stärksten von der Klimakrise betroffenen Menschen in armen Ländern künftig auf eine finanzielle Unterstützung zur Bewältigung der Verluste und Schäden hoffen.
Das ist ein echter Fortschritt, der mit der COP in Sharm el-Sheikh verbunden bleiben wird.
Über einen solchen Fonds ist im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen seit über zehn Jahren gesprochen worden, ohne dass es die geringste Bewegung gab. In diesem Jahr nun tat sich endlich etwas, da Ereignisse wie die Megaflut in Pakistan und Megadürren in Ostafrika das Problem unübersehbar gemacht haben und die Wissenschaft den Zusammenhang in sogenannten Attributionsstudien glasklar nachgewiesen hat.
Die Industrieländer bekennen sich mit diesem Beschluss zu ihrer historischen Mitverantwortung für diese Katastrophen und gestehen zu, zumindest grundsätzlich, dass sie dafür zahlen müssen.
Für übergroßen Jubel ist es noch zu früh. Erstmal ist es nur ein Konto ohne Einlage. Bis der Fonds steht, dauert es noch bis 2024. Und wer wie viel einzahlen wird, ist auch noch offen.
Es ist also unklar, ob dies wirklich ein wirkungsvolles Instrument sein wird. Die "Loss and Damage"-Kosten werden schon jetzt auf rund 200 Milliarden US-Dollar im Jahresschnitt geschätzt, Tendenz steigend.
USA kamen beim Klimageld mit leeren Händen
Und man muss wissen: Die Industriestaaten haben ihr Versprechen, von 2020 an jährlich 100 Milliarden Dollar für Klimaschutz und Klimaanpassung in Entwicklungsländern aufzubringen, bis heute nicht voll erfüllt, vor allem, weil die USA als historischer Obereinheizer zuletzt kaum etwas eingezahlt haben.
US-Präsident Biden trat diesbezüglich mit leeren Händen vor die Konferenz, und das war fatal. Denn hätte Washington seine Verantwortung hier erfüllt, wäre der Druck in den Verhandlungen auf finanziell potente Schwellenländer wie China und Saudi-Arabien größer gewesen, sich ebenfalls zur Einzahlung in den neuen Fonds zu verpflichten.
Das ist eigentlich überfällig, diese Staaten haben inzwischen ebenfalls einen enormen CO2-Fußabdruck. Das heißt: Ein Teil der Schäden geht auf ihr Konto, und sie verfügen über große Finanzmittel, die den Fonds zu einem potenten Instrument machen könnten. Das ist umso wichtiger, als die Schäden mit jedem Zehntelgrad weiterer Erwärmung unerbittlich ansteigen.
Umso misslicher, dass beim vorbeugenden Klimaschutz, also der konkreten Einsparung von CO2, wieder ein Jahr verloren wurde. Das 1,5-Grad-Ziel findet sich zwar irgendwo noch in der Abschlusserklärung, zeitweise war es in Entwürfen sogar herausgefallen.
Doch um dieses wichtige Sicherheitslimit noch einzuhalten, müssten die Emissionen ab sofort jährlich um sieben Prozent sinken – so wie während der Corona-Pandemie, nur intelligent geplant. Ein konkreter Fahrplan allerdings, wie das durch einen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas und einen Umstieg auf Ökoenergien erreicht werden soll – Fehlanzeige.
Klimagipfel liefern noch keinen Klimaschutz
Hier trafen zwei fatale Entwicklungen zusammen: Die durch den Putin-Krieg ausgelöste Energiekrise hat den beim letzten Klimagipfel in Glasgow noch möglichen Aufbruch atomisiert.
Alle Länder hatten damals zugesagt, ihre CO2-Reduktionspläne bis zu diesem Gipfel im Sinne des 1,5-Grad-Ziels nachzuschärfen. Nur eine kleine Minderheit kam dem aber überhaupt nach, der große Rest kümmerte sich wohl eher darum, seine fossile Versorgung sicherzustellen.
Hinzu kam: Die ägyptische Konferenzpräsidentschaft hat auf Druck der Ölstaaten wie Saudi-Arabien ehrgeizige Konzepte erst gar nicht in die Verhandlungen eingebracht. Die Petro-Milliarden, mit denen die Saudis Ägyptens Regime in der aktuellen Wirtschaftskrise unterstützen, haben sich für sie ausgezahlt. Und den globalen Klimaschutz torpediert.
Aber es gilt ja ohnehin: Man darf die Bedeutung solcher Klimagipfel-Erklärungen nicht überschätzen. Die COP‑Geschichte lehrt das. Seit 1995 hat es 27 Klimagipfel gegeben, die globalen Emissionen aber sind trotz teils ambitionierter Abkommen, Verträge und Protokolle fast durchgängig weiter angestiegen.
Das heißt, der konkrete globale Klimaschutz muss vor allem außerhalb der Klimagipfel vorangetrieben werden. Vorreiter wie die EU müssen zeigen, dass das CO2-Sparen funktioniert, Vorteile auf dem Weltmarkt bringt und den Menschen ein besseres Leben ermöglicht.
Es braucht mehr Kooperationen zur Energiewende, wie Deutschland sie etwa mit Südafrika begonnen hat. Und es braucht die Einführung eines globalen CO2-Preises. Und die Zeit dafür drängt.