Dubai Panorama
In Dubai findet vom 30. November bis 12. Dezember die 28. Weltklimakonferenz statt. (Foto: Michael Theis/​Flickr)

Sultan Ahmed Al Jaber ist ein einflussreicher Mann in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Nicht nur als Minister für Industrie und Fortschrittstechnologien, sondern – und diese zweite Beschäftigung sorgte in den letzten Wochen für viel Wirbel – auch als Geschäftsführer der Abu Dhabi National Oil Company, kurz Adnoc.

Dass ein Industrieminister gleichzeitig ein Mineralölunternehmen leitet, ist in einem autokratisch regierten Ölstaat noch keinen Artikel wert.

Kontrovers wurde es erst, als Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan, der Präsident des Landes, eben jenen Sultan Al Jaber zum Präsidenten der diesjährigen Weltklimakonferenz COP 28 in Dubai ernannte.

Der Boss eines Ölkonzerns als Chef des Klimagipfels – das gab es bisher noch nicht. Adnoc ist einer der größten Ölkonzerne der Welt und plant, die Öl- und Gasförderung in den nächsten Jahren noch weiter auszubauen.

Die Präsidentschaft der Klimakonferenz ist nicht irgendein symbolisches Amt für warme Worte und schöne Bilder. Es ist essenziell für erfolgreiche Verhandlungen. Sowohl im Vorfeld als auch während der Konferenz fungiert der Präsident als honest broker. Das bedeutet so viel wie ehrlicher oder uneigennütziger Vermittler.

Er steht zwischen den verschiedenen nationalen und partikularen Interessen und versucht einen gemeinsamen Weg im Einklang mit dem Paris-Abkommen zu finden. Dabei entscheidet der Präsident maßgeblich, welche Prioritäten in den Verhandlungen gesetzt werden.

Er legt Kompromisstexte vor. Diese können dann eben ambitioniert oder, wie letztes Jahr in Ägypten, enttäuschend ausfallen. Ob Al Jaber für die Aufgabe der Richtige ist, wird von diversen Umweltorganisationen infrage gestellt.

"Es ist absolut lächerlich"

Darauf angesprochen sagte die Klimaaktivistin und Fridays-for-Future-Gründerin Greta Thunberg auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos über die Ernennung von Al Jaber: "Lobbyisten beeinflussen diese Konferenzen von Anfang an, und das zeigt es eben nochmal sehr deutlich ... Es ist absolut lächerlich."

Immer lauter wird deshalb die Forderung erhoben, dass Al Jaber seine Position bei Adnoc niederlegen soll. "Wenn er nicht als Geschäftsführer zurücktritt, kommt dies einer Übernahme der UN-Klimagespräche durch eine staatliche Ölgesellschaft und die damit verbundenen Lobbyisten für fossile Brennstoffe gleich", sagte Tasneem Essop, Direktorin des internationalen Climate Action Network, in dem über tausend Umweltorganisationen vereint sind.

Sultan Al Jaber sitzt bei einer Veranstaltung auf dem Podium.
Sultan Al Jaber wird den Klimagipfel in seinem Land leiten. (Bild: Scottish Government/​Wikimedia Commons)

Bisher gibt es allerdings kein Anzeichen, dass Al Jaber dieser Forderung nachkommen möchte.

Tatsächlich untersuchen laut einem Bericht der US-Zeitung Politico auch die Vereinten Nationen, ob Al Jaber seine Ämter als Konferenzpräsident und Adnoc-Geschäftsführer strikt trennt. Also etwa, ob weitere Adnoc-Funktionäre Zugang zu Vorbereitungstreffen für die Klimakonferenz haben und Teile des COP‑28-Teams von dem Ölunternehmen bezahlt werden.

Fürsprecher von Al Jaber betonen, dass er nicht nur Ölmagnat ist. Und das stimmt. Vor knapp zwei Jahrzehnten gründete er Masdar, ein Unternehmen, das auf erneuerbare Energien spezialisiert ist. Eigenen Angaben nach investiert Masdar in den Ausbau erneuerbarer Energien in über 40 Ländern. Das klimaneutrale Großprojekt Masdar City bei Abu Dhabi liegt aber weitgehend auf Eis.

Al Jaber spricht gerne über den Klimaschutz. In einer Rede während der Abu Dhabi Sustainability Week betonte er, wie dringend eine schnelle und klimafreundliche Transformation ist. Klimaschutz sei das Herz der Entwicklungsstrategie der Vereinigten Arabischen Emirate, erklärte er.

Zahl der Lobbyist:innen wächst Jahr für Jahr

Nach wie vor investieren die Emirate allerdings wesentlich mehr in die Förderung fossiler Brennstoffe als in den Ausbau von Erneuerbaren. Als Industrieminister plädierte Al Jaber dafür, die jährlichen Investitionen in fossile Energien bis 2030 sogar auf 600 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Zudem soll die Erdölförderung um beinahe 40 Prozent gesteigert werden.

Das steht in direktem Widerspruch zu dem 1,5-Grad-Ziel im Paris-Vertrag. Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur IEA ist dieses Ziel nämlich nur noch erreichbar, wenn jetzt nicht mehr in neue fossile Brennstoffe investiert wird.

Trotzdem wollen die Vereinigten Arabischen Emirate bis 2050 klimaneutral werden. Wie genau, ist nicht so ganz klar. Die Forschungsinitiative Climate Action Tracker bewertet die Klimapläne des Landes mit "höchst unzureichend".

Von einigen politischen Schwergewichten wurde die Ernennung von Al Jaber zum COP-Präsidenten gelobt.

Der ehemalige britische Premierminister Tony Blair erklärte nach Al Jabers Ernennung: "Ich bin zuversichtlich, dass Dr. Sultan sowohl das Ansehen als auch die Fähigkeiten hat, eine wegweisende Führung für die COP 28 zu bieten."

Der US-Klimabeauftragte John Kerry nannte die Ernennung "großartig". Schließlich bringe die einzigartige Kombination von Funktionen, die Al Jaber innehabe, verschiedene Interessenvertreter:innen an einen gemeinsamen Tisch.

Wie viele Lobbyist:innen bei der COP 28 dann mit an den Verhandlungstischen sitzen, wird sich zeigen. Vorletztes Jahr beim Klimagipfel in Glasgow waren über 500 Lobbyist:innen aus der fossilen Branche dabei, letztes Jahr in Ägypten schon 636.

Klar ist schon jetzt: Die Wahrscheinlichkeit, dass auf dem diesjährigen Klimagipfel ein festes Ausstiegsdatum für fossile Energien ausgehandelt wird, ist mit Al Jaber als Präsident nicht gestiegen.

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