"Wenn man hineinspringt, fühlt sich das Wasser an wie in einer Badewanne", sagt Katey Lesneski. Die Biologin beobachtet für die US-Wetterbehörde NOAA die Entwicklung der marinen Hitzewelle, die seit einigen Wochen in Golf von Mexiko herrscht.

An der Küste von Florida, die den Golf im Osten begrenzt, erreichten die Wassertemperaturen Ende Juli in einer Messboje über 38 Grad Celsius – tatsächlich vergleichbar mit einem Wannenbad. Normal wären laut NOAA maximal 31 Grad.

Für Menschen, die im Meer baden wollen, mag der Wärmeschub angenehm sein. Andere Folgen sind weit weniger schön. Florida hat weltweit das drittgrößte Korallenriff, ein Naturwunder – und wichtig für den Küstenschutz.

Die Korallenbänke aber kommen mit den aktuellen Temperaturen schlecht zurecht. "An flachen Riffen in Florida gibt es eine weit verbreitete Korallenbleiche, und viele Korallen sind bereits abgestorben", beobachtet Lesneski, die beim Meeresschutzgebiet Florida Keys angestellt ist.

Rekordhitze im August statt im März

Die Ozeane sind im Hitzestress, nicht nur an der US-Küste, sondern praktisch weltweit. Vorige Woche meldete der EU-Klimadienst Copernicus einen neuen Rekord für die mittlere Oberflächentemperatur der Meere: 20,96 Grad – deutlich über dem langjährigen Durchschnitt für diese Jahreszeit.

Der Wert liegt zwar nur knapp über dem bisherigen Maximum von 20,95 Grad, gemessen im Jahr 2016. Doch die Fachleute sind vor allem besorgt über den Zeitpunkt, an dem der neue Spitzenwert erreicht wurde.

Temperatur der Meeresoberfläche im globalen Tagesmittel: Der Sommer 2023 (schwarz) zeigt einen extremen Ausschlag nach oben. (Bild: C3S/​ECMWF)

Copernicus-Expertin Samantha Burgess erläuterte, dass die Meere im Jahresverlauf normalerweise im März weltweit am wärmsten sind, nicht im August. "Die Tatsache, dass wir den Rekord jetzt gesehen haben, macht mich nervös, wenn ich daran denke, wie viel wärmer der Ozean noch bis zum kommenden März werden könnte", sagte sie der BBC. Der 2016er Rekord stammte denn auch vom 29. März jenes Jahres.

Die aktuelle Temperaturspitze folgt auf eine ganze Serie von marinen Hitzewellen, die in diesem Jahr festzustellen waren, unter anderem im Mittelmeer, im Nordatlantik und eben im Golf von Mexiko. Die erste Warnung über ungewöhnlich hohe Meerestemperaturen hatte die US-Wetterbehörde schon Anfang April ausgesandt.

Dann verzeichnete sie eine weitere Eigenheit: Das Niveau sank in den folgenden Wochen nicht wie üblich wieder deutlich ab, obwohl über dem größeren, dem südlichen Teil der Weltmeere das Winterhalbjahr begann. Für den Nordatlantik, wo die Temperaturen besonders stark in die Höhe schnellten, wurden im Juni 22,7 Grad gemeldet, und in den tropischen Regionen dieses Ozeans waren es sogar schon 28 Grad, ein absoluter Rekordwert für diesen Monat.

"Sie sind an Orten, wo wir sie nicht erwartet haben"

In der Fachwelt verursachten diese Daten große Aufregung. Von einer "extremen Temperaturabweichung nach oben" sprach Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Seine Copernicus-Kollegin Burgess befand: "Die marinen Hitzewellen, die wir sehen, finden an Orten statt, an denen wir sie nicht erwartet haben."

Und auch für Karina von Schuckmann vom französischen Forschungszentrum Mercator Ocean International (MOi) ist die Situation "extrem": Die jetzigen Hitzewellen seien "sehr hartnäckig und breiten sich über eine große Fläche aus", erklärte die Ozeanografin.

Korallenriffe – hier im Südpazifik – sind nicht nur wichtig für den Tauchtourismus, sondern auch für den Küstenschutz und die Fischerei. (Bild: Stefan Heinrich/Wikimedia Commons)

Der Trend, den der Weltklimarat IPCC festgestellt hat, scheint sich zu beschleunigen. Laut IPCC hat sich die Häufigkeit der marinen Hitzewellen seit den 1980er Jahren verdoppelt, zudem sind sie intensiver und länger geworden.

Eine Normalisierung ist auch deshalb nicht zu erwarten, weil die natürliche, alle paar Jahre auftretende pazifische Klimaschwankung El Niño gerade Fahrt aufnimmt, die die mittlere globale Wassertemperatur generell anhebt. Der alte Wärmerekord von 2016 war gemessen worden, als der letzte El Niño gerade in vollem Gange war, der aktuelle El Niño ist noch relativ schwach.

Bedenklich ist die starke Erwärmung unter anderem, weil die Ozeane ein wichtiger Klimaregulator sind und das Wettergeschehen weltweit bestimmen. Bisher haben die Weltmeere mit ihrem enormen Volumen rund 90 Prozent der Wärme aufgenommen, die durch den vom Menschen verstärkten Treibhauseffekt ins System gekommen ist.

Die obersten wenigen Meter der Ozeane speichern laut der US-Raumfahrtbehörde Nasa genauso viel Hitze wie die ganze Erdatmosphäre. Die Meere erwärmen sich bisher langsamer als das Land, und manche Fachleute sehen die vielen Hitzewellen als Zeichen dafür, dass die Meerestemperaturen aufholen könnten.

Auswirkungen auf Nahrungsketten

Eine Theorie besagt, dass ein Teil der in den Ozeanen gespeicherten Wärme nun an die Oberfläche kommt. Der Klimaforscher Mojib Latif verweist auf eine weitere Gefahr: dass die wärmeren Meere weniger von dem CO2 aufnehmen, das die Menschen in die Atmosphäre emittieren – "mit der Folge einer sich beschleunigenden globalen Erwärmung", so der Kieler Experte.

In der Fachwelt wird eine ganze Reihe weiterer Ursachen für die Hitzewallungen in den Meeren diskutiert. Darunter sind neben dem beginnenden El Niño das festgestellte Rekordminimum bei der Meereisbedeckung in der Antarktis, das für höhere Wassertemperaturen sorgt, sowie die schwächeren Passatwinde in den Tropen, wodurch sich die kühlende Verdunstung über der Meeresoberfläche verringert.

 

Hinzu kommt noch eine paradox anmutende Entwicklung: Die Sonneneinstrahlung über Atlantik und Pazifik hat zugenommen, weil dort weniger Luftverschmutzung auftritt als vor der Einführung schwefelarmer Schiffskraftstoffe vor drei Jahren. Dadurch fehlt die kühlende Wirkung der Partikel in der Atmosphäre.

 

Was auch immer die Haupttreiber sind – es gibt eine ganz Reihe Folgen, die für viele Menschen unangenehm bis gefährlich werden können. Eine der wichtigsten betrifft die Welternährung: Das wärmere Wasser und vor allem die Hitzewellen drohen die Nahrungsketten in den Meeren zu stören, wodurch die Fischbestände abnehmen könnten – und damit auch die Erträge der für die Ernährung vieler Millionen Menschen wichtigen Fischerei.

Auch die marinen Ökosysteme und Meereslandschaften verändern sich. Im besonders betroffenen Mittelmeer zum Beispiel wird beobachtet, dass viele Bestände von Gorgonien (Weichkorallen) auf dem Weg zum Zusammenbruch sind. Als einen "Prozess der Simplifizierung der marinen Ökosysteme" beschreibt das der spanische Biologe Joaquim Garrabou. "Das ist so, als würde man einen jahrhundertealten Urwald mit einer Wiese vergleichen."

Wie schnell solche Veränderungen auch auf den Tourismus durchschlagen, ist unklar. Garrabou berichtet, dass vereinzelt bereits Strände geschlossen werden mussten, weil sich im warmen Wasser giftige Mikroalgen ausgebreitet hatten. Und: "Menschen, die zum Tauchen kommen, um schöne Meereslandschaften voller Gorgonien zu sehen, könnten enttäuscht sein, da sie nicht mehr so schön sind wie früher."