Es ist gut zehn Jahre her. Damals führten Proteste in Norddeutschland zu einem Quasi-Verbot der CCS-Technologie durch die schwarz-gelbe Bundesregierung – jener Großtechnik, bei der das Treibhausgas CO2 in tiefe Erdschichten gepresst wird, um es aus der Atmosphäre zu verbannen.

Die Gegner der CCS-Projekte, vor allem in Schleswig-Holstein, befürchteten Leckagen, künstliche Erdbeben und Risiken für das Grundwasser.

 

Nun aber könnte das CO2-Endlagern eine Renaissance erleben. Berater des Bundeswirtschaftsministeriums von Robert Habeck (Grüne) haben sich dafür ausgesprochen. Sie fordern die rasche Erkundung von möglichen Standorten.

Habeck plant eine "Carbon-Management-Strategie", also ein Konzept zum Umgang mit dem Treibhausgas CO2, speziell für jene Bereiche, in denen es nicht möglich ist, den Treibhausgas-Ausstoß komplett auf null zu senken. Das ist zum Beispiel bei der Zementproduktion der Fall.

Dazu hat die halbstaatliche Deutsche Energieagentur (Dena) ein Vorschlagspapier vorgelegt. Darin empfiehlt sie unter anderem Gesetzesänderungen, um CCS grundsätzlich zu erlauben. Es sollten "schon jetzt Standort-Erkundungen erlaubt werden", was "aufgrund der langen Vorlaufzeiten" bis zur Einrichtung möglicher CO2-Lager angezeigt sei.

CCS steht für carbon capture and storage, zu Deutsch CO2-Abscheidung und -Lagerung. Dabei wird das CO2 entweder der Atmosphäre entzogen oder bei dessen Entstehung in Industrieprozessen abgefangen und anschließend in unterirdische Speicher gepresst.

Bisher war die Technologie auch in der Politik sehr umstritten. Vor allem die Grünen und die SPD sprachen sich dagegen aus, aber auch Union und FDP hielten sie wegen der Proteste für nicht durchsetzbar – daher das restriktive Gesetz von 2012. Inzwischen hat sich der Wind gedreht.

Grüner Umweltminister in Kiel ist nun für CCS

Habeck schließt CCS genauso wie Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nicht mehr aus. In einem Bericht der Bundesregierung zum derzeit gültigen CCS-Gesetz hieß es Ende 2022, man prüfe die "Ermöglichung der CO2-Speicherung in Deutschland inklusive unter dem Meeresboden".

Die Dena betont, es gebe bisher nur "grobe Schätzungen" dazu, wie viel von dem Treibhausgas hierzulande unterirdisch eingelagert werden könnte, daher müssten "geologische Forschung und seismische Erkundung" vorangetrieben werden.

Deutsches CCS-Experiment 2019 in der Nordsee. (Bild: Peter Linke/​Geomar)

CCS in Deutschland habe einige Vorzüge gegenüber dem ebenfalls geplanten Export von CO2 in die Niederlande oder nach Norwegen, wo das Gas in leergeförderte Erdgaslager gepumpt werden soll: "Vorteile wären zusätzliche Kapazitäten für CCS und kürzere Transportwege, das heißt geringere Kosten." Außerdem könnten "Umweltstandards durch den deutschen Gesetzgeber passgenau gesetzt werden".

Eine Sprecherin Habecks betonte nach der Präsentation der Dena-Vorschläge jüngst bei einem "Stakeholderdialog zur Carbon-Management-Strategie", um Klimaneutralität erreichen zu können, sei "auch die Abscheidung unvermeidlicher CO2-Emissionen notwendig". Das bedeute "aber keine Vorfestlegung auf CO2-Lagerstätten in Deutschland".

Die Frage, ob Habeck baldige Standorterkundungen für sinnvoll hält, beantwortete die Sprecherin ausweichend. Den Inhalten der geplanten Strategie könne man "nicht vorgreifen".

An Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) würden neue Standort-Untersuchungen jedenfalls nicht scheitern. Er hat seine Meinung zur CO2-Lagerung unlängst revidiert: "Ich war lange klar gegen CCS", so Goldschmidt. Aber da Deutschland beim CO2-Ausstoß "zu spät auf die Bremse getreten" sei, müsse man sich "jetzt auch mit solch unappetitlichen Technologien auseinandersetzen".

Der Landtag in Kiel veranstaltet am 27. September eine Anhörung zu CCS. Im nördlichsten Bundesland gelten die geologischen Voraussetzungen für eine CO2-Verpressung als besonders günstig.

"CCS bindet Industrien auf Jahrzehnte an fossile Rohstoffe"

Sollte die Entscheidung für eine Erkundung fallen, sind neue Proteste allerdings vorprogrammiert. Die schleswig-holsteinische Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager meldete sich nach der Dena-Positionierung zu Wort. "Die Behauptung der Dena, die Deponierung von CO2 sei international etabliert, ist falsch", sagte ihr Sprecher Reinhard Knof. Tatsächlich habe jedes CO2-Lager "eigene Probleme".

Die BI befürchtet vor allem, dass in die Erde verpresstes CO2 wieder austreten oder das Grundwasser verseuchen könnte. Ende der 2000er Jahre hatte der Energiekonzern RWE mit ersten Untersuchungen zu möglichen CO2-Lagern in Schleswig-Holstein dort heftige, am Ende erfolgreiche Proteste ausgelöst. Tests zum CCS-Verfahren waren dann in Brandenburg durchgeführt worden.

Auch Umweltverbände machen Front gegen eine zu breite Öffnung für CCS, die sie befürchten. Der BUND, Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) befürchten eine "falsche Weichenstellung". Sie kritisieren, dass die Dena CCS nicht nur für unvermeidbare CO2-Emissionen etwa aus den Branchen Zement, Kalk und Müllverwertung zulassen will, wie es bisher diskutiert wurde, sondern auch für die Chemiebranche.

Tatsächlich hat die Dena auch "weitere schwer vermeidbare Emissionen" definiert, deren Speicherung "für eine Übergangszeit" ebenfalls erlaubt werden solle – darunter solche aus bestimmten Chemieprozessen.

Die Umweltschützer fordern eine staatlich unterstützte Entwicklung innovativer Verfahren und Prozesse, die von vornherein verhindern, dass CO2 entsteht, statt CCS auch hierfür zuzulassen. "Die geplante Infrastruktur für CO2-Transport- und Deponien würde ganze Industriezweige auf Jahrzehnte an den Einsatz von fossilen Energien und Rohstoffen binden", warnte BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock.