Klimapolitik als Sisyphus-Job. Fast drei Jahrzehnte war das so. Bereits 1992, beim UN-Erdgipfel in Rio de Janeiro, hatten die Staaten der Welt die Gefahr einer Destabilisierung des Weltklimas erkannt und eine Konvention unterzeichnet, um dieses Szenario zu verhindern.
Doch die Realität war eine andere. Die Treibhausgas-Emissionen stiegen und stiegen. Nicht einmal des Abkommen von Paris, das 2015 erstmals alle Staaten in Nord und Süd zur CO2-Einsparung verpflichtete, änderte daran etwas.
Noch vor einem Jahr schien es, als gerate das Ziel, die globale Erwärmung bis 2100 auf noch einigermaßen beherrschbare 1,5 bis zwei Grad zu begrenzen, endgültig außer Reichweite.
Plötzlich, fünf Jahre nach Paris, ist es anders. Die renommierten Experten des "Climate Action Tracker" haben ausgerechnet, dass die Erwärmung voraussichtlich 2,1 Grad betragen wird, wenn die Staaten ihre inzwischen beschlossenen oder angekündigten CO2-Minderungsziele einhalten.
Damit käme immerhin das Zwei-Grad-Limit in Sicht, wenn auch nicht das von 1,5 Grad, das eigentlich angestrebt werden müsste, um das Auslösen von ersten Kipppunkten des Weltklimas zu verhindern. Noch im September hatte dieselbe Kalkulation 2,9 Grad erbracht.
Das gibt Hoffnung. Das Paris-Abkommen, dessen Jubiläum am Samstag coronabedingt nur mit einem Online-Gipfel begangen wurde, scheint doch zu funktionieren.
Sein Manko besteht zwar weiter. Es schreibt den Staaten und Ländergruppen keine konkreten Emissionsminderungen vor, die nationalen CO2-Ziele sind freiwillig.
Doch die in dem Vertrag verankerte Pflicht der Regierungen, alle fünf Jahre neue, verschärfte Ziele aufzustellen, um die 1,5 bis zwei Grad doch noch zu halten, löst offenbar einen Wettlauf aus, ganz vorne mit dabei zu sein.
Das konnte man im vergangenen Jahr verfolgen. Auch die Big Player machen Ernst. Erst beschloss die EU, Klimaneutralität für 2050 zu verfolgen, inzwischen sind weitere CO2-Schwergewichte wie Japan, Kanada und Südkorea dabei, auch der designierte US-Präsident Joe Biden hat es versprochen.
Am wichtigsten aber: Auch China, globaler Chefeinheizer mit allein einem Viertel der Emissionen, hat diesen Schritt angekündigt – wenn auch erst "vor 2060". Allein Pekings Schritt senkt das für 2100 erwartete globale Temperaturplus um 0,2 bis 0,3 Prozent.
Allerdings: Ein Grund, in Euphorie zu verfallen, ist das nicht. Erstens würde auch eine um zwei Grad wärmere Welt die Staaten vor Herausforderungen stellen, gegen die selbst die Corona-Krise ein laues Lüftchen ist.
Zweitens fehlen beim Wettlauf zur Klimaneutralität wichtige Staaten wie Australien oder Brasilien.
Und drittens muss erst noch sichergestellt werden, dass die Regierungen es nicht bei den Langfrist-Zielen für Mitte des Jahrhunderts belassen, sondern ab sofort auch in der Praxis einen Pfad einschlagen, der das auch ermöglicht. Denn die aktuelle globale Klimapolitik entspricht einem Über-Drei-Grad-Korridor. Und der führt in die Katastrophe.
Die drei wichtigsten Klimaplayer haben verstanden
Ironischerweise hat Corona für 2020 fast genau jene weltweite Emissionsminderung gebracht, die Klimaforscher mit Blick auf das 1,5-Grad-Limit ab sofort bis 2030 nun jedes Jahr für notwendig halten: rund sieben Prozent.
Natürlich taugt Covid-19 nicht als Klimaschutz-Blaupause. Doch wir befinden uns an einer Wegscheide. Es ist entscheidend, wie die Regierungen die viele Milliarden schweren Konjunkturprogramme zuschneiden, die aus der Krise führen sollen.
Bereits ein gezielt "grüner" Post-Corona-Aufschwung kann die für 2030 erwarteten CO2-Emissionen um bis zu 25 Prozent reduzieren, wie das UN-Umweltprogramm Unep vorgerechnet hat.
Die meisten der bisher aufgelegten Aufbauprogramme stützen überwiegend noch die alten Strukturen. Doch bei den weiteren bleibt noch viel Masse zum Umsteuern, die Regierungen müssen "nur" ihre eigenen Klimaversprechen ernst nehmen.
Hoffnung macht auch, dass drei der wichtigsten Klimaplayer den Ernst der Lage begriffen zu haben scheinen, China, die USA und die Europäische Union.
Chinas Präsident Xi Jinping kündigte beim virtuellen Gipfel am Samstag weitere Anstrengungen seines Landes für den Klimaschutz an, mehr Ökoenergien, mehr Energieeffizienz, mehr Aufforstung, und unterstrich: "China hält seine Zusagen immer ein."
Joe Biden wiederum will für die USA ein ökologisches Umbauprogramm auflegen, das mit zwei Billionen Dollar Investitionen in vier Jahren seinesgleichen sucht.
Und auch die EU setzt mit ihrem Corona-Programm, dem "Green Deal" und dem neuen, verschärften CO2-Ziel für 2030 Signale für einen Aufbruch. Ein Wettlauf dieser drei Blöcke pro Klimaschutz verändert alles.
Es wäre leicht, Wasser in diesen Öko-Wein zu gießen. China müsste schneller klimaneutral werden, Biden müsste die Fracking-Technologie herunterfahren, die EU eigentlich ein noch schärferes 2030er Ziel beschließen.
Doch man sollte die positiven Signale nicht unterbewerten. Sie sind Zeichen, dass der grüne Umbau doch schneller kommen könnte als erwartet. Das Geld, die Technologien und, bei den meisten, das Bewusstsein dafür sind da.