Wenn man es nicht benutzt, ist Papier besonders geduldig. Nur vier Länder haben bisher neue Klimaziele für 2030 beim UN-Klimasekretariat eingereicht, wie es im Pariser Klimaabkommen vereinbart ist, nämlich Chile, Ruanda, Norwegen und Singapur.
UN-Klimachefin Patricia Espinosa appellierte deswegen an den Rest: "Als das Paris-Abkommen 2015 verabschiedet wurde, war schon klar, dass 2020 ein besonderes Jahr wird", sagte sie auf der Online-Konferenz "June Momentum" des UN-Klimabüros.
"Jetzt ist der Moment, um die Ambitionen hochzuschrauben, denn danach steht das erst wieder 2025 an." Zumindest im Rahmen eines kollektiven Kraftakts, wie ihn das Paris-Abkommen alle fünf Jahre vorsieht.
"June Momentum" ist eine zehntägige Reihe von Online-Veranstaltungen, die heute zu Ende geht. Eigentlich hätte in diesen Tagen die jährliche kleine Klimakonferenz in Bonn stattfinden sollen, aber die Coronakrise kam dazwischen. Im Oktober soll das Treffen, das die nächste Weltklimakonferenz vorbereitet, möglichst nachgeholt werden.
"June Momentum" heißt so viel wie "Schwung im Juni" – der Versuch, die Staaten daran zu erinnern, dass das Paris-Abkommen trotz Pandemie gilt.
Die derzeitige Präsidentin der Weltklimakonferenz, Chiles Umweltministerin Carolina Schmidt, warb dafür, die neuen Klimaziele mit der Corona-Konjunkturpolitik zu verbinden. "Neue und verbesserte Klimaziele sind nicht nur eine Verpflichtung, die sich aus dem Paris-Abkommen ergibt, sondern auch eine Chance für nachhaltiges Wachstum nach der Coronakrise", sagte sie.
"Arme Staaten haben solches Geld nicht"
Norwegens Chefklimaverhandler Henrik Hallgrim Eriksen gab indes Tipps. Einer davon kam streng genommen zu spät: "Schauen Sie nach, was die Deadline ist, und halten Sie sich daran, denn warten macht die Sache nicht leichter", empfahl er seinen Amtskolleg:innen aus anderen Ländern.
Eigentlich hätten die neuen Ziele schon im Februar vorliegen müssen. Informell gilt die kommende Weltklimakonferenz als Stichtermin, die allerdings nicht wie geplant in diesem November, sondern erst ein Jahr später stattfindet.
Carlos Fuller, der die Klimaverhandlungen für die Allianz der kleinen Inselstaaten anführt, forderte Unterstützung von den reichen Ländern ein – auch finanziell.
Das hält auch Yannick Glemarec für notwendig, der Chef des Grünen Klimafonds. Der Fonds ist der Hauptkanal für die internationale Klimafinanzierung. "Wir suchen nach Wegen, unsere Partner jetzt flexibel zu unterstützen", sagte der Finanzexperte. "Die G20-Staaten haben Konjunkturhilfen von insgesamt zehn bis 15 Billlionen Dollar in der Pipeline." Die könne und müsse man an Klimaschutz-Auflagen koppeln.
"Die am wenigsten entwickelten Länder und die kleinen Inselstaaten haben solches Geld aber nicht", so Glemarec. Diese Länder bräuchten Mittel, um den ökologischen Umbau der Wirtschaft voranzutreiben. Glemarec befürchtet, dass die aktuelle Lage die ärmsten Staaten noch weiter in die Schuldenfalle treibt.
Kredite könnten außerdem eine kurzsichtige, überhastete Politik begünstigen, sagte Carlos Manuel Rodríguez, Umweltminister von Costa Rica und Co-Vorsitzender der sogenannten NDC-Partnerschaft. Er kritisierte: "Wir haben 500 Millionen Dollar beim Internationalen Währungsfonds beantragt und wurden gerade informiert, dass wir Unterstützung ohne jegliche Auflagen bekommen."