Person in karierter Schlafanzughose mit Kaffeetasse und Tablet, auf dem ein Einkaufswagen-Icon zu sehen ist.
Deutschland trägt besonders stark zum globalen Überkonsum bei – wenn auch gerade eher vom Sofa als von der Einkaufsstraße aus. (Foto: Justyna Faliszek/​Pixabay)

War das vielleicht als Guerilla-Werbung für den Kauf-nix-Tag gedacht? Eine "patriotische Aufgabe" sei das Einkaufen, ließ Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch in der Bild verlauten.

Das Blatt kündigte das Interview mit dem Versprechen an, man erfahre, wo der Politiker "am liebsten shoppen geht". Auf dem passend gestellten Bild ist Altmaier zu sehen, wie er einen Geschenkeberg mit dem Fahrrad schiebt. Das symbolische Rechtsabbiegen bleibt mangels Bewegtbild freilich der Vorstellung überlassen.

Dass das suggerierte Öko-Image – beladenes Fahrrad statt voller Kofferraum – nicht zur Aufforderung zum ausufernden Weihnachtseinkauf passt, liegt auf der Hand. Darauf soll der Kauf-nix-Tag hinweisen, zu dem Umweltschützer:innen und Konsumkritiker:innen für den heutigen Samstag aufrufen.

Die Aktion findet jährlich statt – in den USA traditionell am "Black Friday", dem von Rabattangeboten begleiteten Tag nach Thanksgiving, in Europa einen Tag später. Der Appell: einen Tag lang überhaupt gar nichts kaufen.

Die Menschheit verbraucht mehr Ressourcen, als die Welt zu bieten hat. Wir leben, als hätten wir 1,6 Erden zur Verfügung. Das hat das Global Footprint Network errechnet. Dabei gibt es ein großes Gefälle vor allem zwischen globalem Norden und Süden. Der Überkonsum wird von den reichen Industrieländern angetrieben. Würde die ganze Welt nach deutschen Verhältnissen leben, bräuchten wir rechnerisch sogar drei Erden.

Das schlägt sich auch in den Treibhausgasemissionen nieder. Eine Person in Deutschland verursacht jedes Jahr mehr als elf Tonnen CO2. Das liegt noch über dem EU-Durchschnitt von acht bis neun Tonnen. Weil ein Teil der Emissionen auf die Infrastruktur zurückzuführen ist, kann man den Wert nicht alleine auf ein bis zwei Tonnen senken, wie es fürs Klima nötig wäre – natürlich erst recht nicht, wenn der Kaufverzicht nur einen Tag dauert.

Für Tadzio Müller, Klimareferent bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, haben Aktionen wie der Kauf-nix-Tag trotzdem ihr Gutes. "Natürlich ist es sozusagen als psychologisches Selbst-Training eine gute Sache, sich über seinen individuellen CO2-Fußabdruck Gedanken zu machen", sagt Müller.

"Das birgt aber die Gefahr, dass man die Frage des gesellschaftlichen Fußabdrucks außer Acht lässt." Die Emissionen also, auf die der individuelle Konsum keinen Einfluss hat. Müller: "Da gibt es andere Stellschrauben: Autoproduktionsdeckel, Kohleausstieg, kein Neubau von Gasinfrastruktur und so weiter."

Die großen Entscheidungen richtig treffen

Wo man am besten ansetzt, um den individuellen Teil des CO2-Fußabdrucks zu senken, weiß Michael Bilharz. Der Sozialwissenschaftler beschäftigt sich im Umweltbundesamt (UBA) mit nachhaltigem Konsum und hat außerdem das Projekt Klimawette initiiert.

Mit der Wette fordert er dazu auf, der Politik die Bereitschaft zum Klimaschutz zu signalisieren, indem viele Menschen zusammen vor der Weltklimakonferenz im nächsten November eine Million Tonnen CO2 einsparen. Zum Vergleich: Deutschland insgesamt hat im vergangenen Jahr 805 Millionen Tonnen Treibhausgase ausgestoßen, umgerechnet auf die Wirkung von CO2.

"Meine zentrale Botschaft ist, dass es beim Konsum – wie auch in der Politik – am effektivsten ist, wenn wir unsere Strukturen ändern", sagt Bilharz. "Wenn ich bei jeder einzelnen Kaufentscheidung über die CO2-Menge nachdenke, werde ich entweder wahnsinnig oder ich lasse es wieder."

Wer aber bestimmte Rahmenbedingungen ändere, der gestalte seinen Lebensstil automatisch klimafreundlicher, wie beim Bezug von Ökostrom. "Oder mein Verhalten kann sich einfacher ändern: Wenn ich zum Beispiel Carsharing nutze, statt mir ein eigenes Auto zu kaufen, verringert sich die Zahl meiner Autofahrten wie von selbst."

Überhaupt könne man die Umwelt als Konsument am einfachsten im Bereich Mobilität "versauen", meint der UBA-Experte. Neben dem Kauf eines Autos geht es dabei vor allem auch um das Fliegen. Ein Flug von Berlin nach New York und wieder zurück schlägt mit mehr als sechs Tonnen CO2 zu Buche.

"Was beim Kauf-nix-Tag auch interessant ist: Wenn ich das Geld nicht ausgebe, was mache ich dann damit?", so Bilharz. "Ich kann es auf einer nachhaltigen Bank parken. Ich kann es aber auch ausgeben, ohne zu konsumieren – durch eine Spende, zum Beispiel für eine Klimakompensation."

Er selbst tut noch etwas anderes, um weniger Geld in Konsumgüter zu stecken: Er arbeitet in Teilzeit. Das kommt zwar nicht für jede:n infrage. "Aber wenn man die Möglichkeit dazu hat, dann kommt man gar nicht mehr in Versuchung, zu viel Geld auszugeben."

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