Deutschlands Treibhausgasemissionen sinken. 805 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent verursachte die Bundesrepublik im vergangenen Jahr. Das sind fast 54 Millionen Tonnen weniger als noch im Vorjahr.
Das geht aus dem Klimaschutzbericht 2019 hervor, den Bundeskabinett am heutigen Mittwoch verabschiedet hat.
Demnach sind die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um knapp 36 Prozent gesunken. Der Wert ist noch eine Schätzung.
Damit rückt das nationale Klimaziel, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu mindern, in greifbare Nähe.
Zustande kommt das nun mögliche Erreichen des Nahziels allerdings nicht durch eine stringente Klimaschutzpolitik, sondern durch einen milden Winter und den Einbruch der CO2-Emissionen infolge der heruntergefahrenen Wirtschaft in der Corona-Pandemie.
Entsprechend fielen die Reaktionen aus. "Es sollte der Bundesregierung hochnotpeinlich sein, dass erst eine Pandemie das Erfüllen der Klimaschutzziele ermöglicht", sagte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). Das müsse als klares Warnsignal verstanden werden, den Klimaschutz endlich als erste Priorität auf die politische Agenda zu schreiben.
Am stärksten sanken die Emissionen in der Energiewirtschaft: um 51 Millionen Tonnen CO2 im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings ist der Sektor weiterhin für die meisten Treibhausgase verantwortlich. Vor allem der gestiegene Preis für CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandel führte dazu, dass deutlich weniger Kohle verbrannt wurde und die Emissionen schrumpften.
"Tierbestände abbauen"
Auch in der Industrie als zweitgrößtem Verursacher nahmen die Emissionen weiter ab, und zwar um 7,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Einen leicht sinkenden Treibhausgasausstoß konnte die Landwirtschaft mit minus 1,6 Millionen Tonnen vorweisen.
"Man sieht am landwirtschaftlichen Sektor, dass die Maßnahmen des Zehn-Punkte-Plans von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner nicht ausreichen und nachgebessert werden müssen", sagte Gerald Wehde vom ökologischen Anbauverband Bioland.
Die Tierbestände in Deutschland müssten deutlich abgebaut und die Tierhaltung konsequent auf die zur Verfügung stehenden Fläche beschränkt werden. Der ökologische Landbau müsse weiter gestärkt werden.
Weil schon 2014 absehbar war, das Deutschland mit den bis dahin beschlossenen Maßnahmen sein Klimaziel nicht erreichen wird, hatte die Bundesregierung ein "Aktionsprogramm Klimaschutz 2020" aufgelegt. Die über hundert verschiedenen Maßnahmen, die die zuständigen Ministerien vorlegten, sollten die notwendigen Einsparungen im Umfang von 62 bis 78 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent für das 2020er Klimaziel bringen.
Doch spätestens 2018 war klar, dass die Maßnahmen nicht ausreichen werden. Umweltorganisationen sind denn auch keineswegs zufrieden mit dem Corona-bedingten Einsparergebnis.
"Wir haben eine riesige Maßnahmenlücke", warnte Viviane Raddatz von der Umweltstiftung WWF. "Die Maßnahmen des Klimaschutzaktionsprogramms von 2014 wurden nicht umgesetzt und konnten die erwartete Minderung nicht einlösen."
"Mobilität mit weniger Autos"
Das trifft vor allem für den Verkehrssektor zu. Hier stiegen die CO2-Emissionen 2019 sogar noch um rund eine Million Tonnen im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt hat der Verkehrsbereich seinen CO2-Ausstoß in den vergangenen 29 Jahren um ganze 0,6 Prozent gemindert.
"Der Klimaschutzbericht stellt dem Verkehrsminister ein schlechtes Zeugnis aus", sagte Michael Müller-Görnert vom umweltorientierten Verkehrsclub VCD. Was Andreas Scheuer (CSU) in seinem Ressort für den Klimaschutz unternommen habe, sei weitgehend wirkungslos. Manche Maßnahmen aus dem Hause Scheuer brächten nicht nur wenig für den Klimaschutz, sie kosteten auch noch viel Geld.
Das Verkehrsministerium, so der VCD-Experte, rechne sich die CO2-Minderung mit Alibi-Maßnahmen schön und gehe von unrealistischen Potenzialen aus, etwa bei Fahrzeugen mit Wasserstoffantrieb, beim Einsatz von Biokraftstoffen oder bei Lkw mit Gasantrieb. Das Tempolimit, das Emissionsminderungen in relevanter Größe bringen könnte, lehne Scheuer dagegen ab.
Im Gebäudesektor kletterten die CO2-Emissionen ebenfalls nach oben: um fünf Millionen Tonnen im Vergleich zum Vorjahr.
Dass Deutschland nun aller Voraussicht nach sein Klimaziel für 2020 doch noch erreichen werde, dürfe kein Anlass für die Bundesregierung sein, die Hände in den Schoß zu legen, warnen die unter dem Dach des Deutschen Naturschutzrings (DNR) und der Klima-Allianz organisierten Verbände. Das Bündnis, das einen großen Teil der bundesdeutschen Zivilgesellschaft abdeckt, hat einen gemeinsamen Forderungskatalog vorgelegt.
Schon jetzt sei klar, so die Verbände, dass Deutschland das verbindliche Klimaziel für 2030, die Emissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, ohne zusätzliche Maßnahmen verfehlen werde. Dabei reiche das Ziel nicht einmal aus, um die Verpflichtung aus dem Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Das Ziel selbst müsse also noch verschärft werden.
Damit Deutschland eine Emissionsminderung entsprechend den internationalen Verpflichtungen erreichen könne, müsse Mobilität mit weniger Autos und Wärmeversorgung mit mehr erneuerbaren Energien gefördert werden. Zudem brauche es einen schnelleren Ausstieg aus der Kohle und einen zügigeren Ausbau der Erneuerbaren.
Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Corona ist keine Klimapolitik